Sieben Kurven in der Formel 1:Überwältigt vom Schumacher-Helm

Der sonst so redselige Lewis Hamilton ringt nach seinem Rekordsieg um Worte. Mick Schumacher und Nico Hülkenberg hoffen auf ein Formel-1-Cockpit 2021. Die Höhepunkte des Nürburgring-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

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Lewis Hamilton

2020 Eifel GP NüRBURGRING, GERMANY - OCTOBER 11: Lewis Hamilton, Mercedes-AMG Petronas F1, 1st position, with the helme

Quelle: imago images/Motorsport Images

Die Ewigkeit in der Formel 1 dauert 14 Jahre, das gilt nach dem Großen Preis der Eifel als gesichert. So lange hat der Rekord von Michael Schumachers 91 Siegen gehalten, bis ihn sein Nachfolger bei Mercedes egalisiert hat. Der siebte Saisonerfolg bringt den Briten auch dem siebten Titel näher, noch so eine Bestmarke made in Kerpen. Hamilton will die Grenzen weiter verschieben: "Hoffentlich liegen noch mehr Rekorde vor uns, die wir brechen können. Ich bin noch nicht fertig." Aber erstmal war da nur ein einfaches: "Wow." Überrascht von der großen Geste, mit der Mick Schumacher einen Helm seines Vaters überreichte. Hamilton war überrascht, verlegen, überwältigt zugleich. Er erzählte, wie er sich früher in Computer-Spielen immer Schumachers Auto ausgesucht hatte, obwohl ja Ayrton Senna sein eigentlicher Held war: "Niemand hätte sich vorstellen können, auch nur in die Nähe von dem zu kommen, was Michael erreicht hat." 91 Siege zu holen, das sei schwer zu verstehen gewesen für ihn und für alle Menschen. Jetzt weiß er aus eigener Anschauung, dass es "vom ersten bis zum Einundneunzigsten nicht einfacher wird." Später erkannte der Brite: "Ich habe ja ein schlechtes Gedächtnis, aber dieser Moment muss bleiben. Das heute ist definitiv mehr als nur ein weiterer Sieg."

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Mick Schumacher

SCHUMACHER Mick (ger), Alfa Romeo Racing ORLEN C39, portrait during the Formula 1 Aramco Grosser Preis Der Eifel 2020,

Quelle: imago images/PanoramiC

Der Rennanzug von Alfa Romeo war bei der ersten Anprobe noch etwas zu groß. Der erste Trainingseinsatz an einem Formel-1-Wochenende wurde vom Eifel-Nebel verschluckt. Dennoch bestehen immer weniger Zweifel daran, dass Mick Schumacher im kommenden Jahr dauerhaft in einem Formel-1-Rennwagen Platz nehmen wird. Vermutlich in einem von Alfa Romeo. Der Spitzenreiter der Formel 2 hatte das gesamte Rennwochenende mit dem Schweizer Rennstall verbracht, um die Abläufe in der Königsklasse zu verinnerlichen und den Dialog mit den Renningenieuren zu pflegen. Als Motorenlieferant von Alfa hat Ferrari angeblich ein Mitspracherecht bei der Cockpitvergabe. Mick Schumacher ist derzeit der erste von drei Kandidaten aus der Junioren-Akademie der Italiener. "Ich denke, dass wir noch im Oktober eine Entscheidung treffen müssen", sagt Alfa-Teamchef Fred Vasseur. Den 21 Jahre alten Schumacher würde er auch ungetestet nehmen. Damit würde sich ein Kreis schließen: Vater Michael hatte Anfang der 90er Jahre beim Rennstall aus dem Zürcher Oberland seine Formel-1-Ausbildung in einem Mercedes-Sportwagen begonnen.

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Nico Hülkenberg

F1 Eifel Grand Prix

Quelle: Getty Images

Zum dritten Mal in dieser Saison sprang Nico Hülkenberg bereits beim Rennstall von Racing Point ein. Diesmal erreichte ihn der Notruf erst vier Stunden vor der Qualifikation am Nürburgring, der Kanadier Lance Stroll hatte sich mit Magen-Darm-Problemen abgemeldet. Da bereitete Hülkenberg sich beim Kaffee in Köln auf einen Fernseheinsatz vor. Stattdessen: Schnell zur Strecke, Schnelltest im Labor, schnell noch mal die Lenkradeinstellungen rekapitulieren. Über den 20. Startplatz kam der Emmericher nicht hinaus. Sonntags hatten seine Fans eilig ein Transparent mit der Aufschrift "Hulkenback" gemalt. Tatsächlich brachte er sich und den Rennwagen in die Punkte zurück, am Ende wurde die rasende Teilzeitkraft Achter: "Was für eine Story! Diesmal war es noch verrückter als die letzten Male. Aber Märchen mit Happy End gefallen mir ..." Ob der 33-Jährige einen Stammplatz im kommenden Jahr bekommt? "Das war zumindest eine gute Werbung, eine gute Visitenkarte. Aber im Cockpit-Poker spielt nicht immer die Leistung eine Rolle", sagte der Le-Mans-Sieger. Er kann nur auf den nächsten Anruf warten.

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Valtteri Bottas

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Quelle: AFP

Ob Nico Rosberg Seite an Seite mit Lewis Hamilton so gut durch die tückischen ersten drei Kurven nach dem Start gekommen wäre? Wohl kaum. Valtteri Bottas, der auf der Geraden seine Pole-Position schon verloren hatte, legte sich den Teamkollegen zurecht, konterte ihn im zweiten Knick aus, lag im dritten wieder in Führung - und ließ dem Rivalen trotzdem genug Platz. Perfektes Teamplay. Genützt hat es dem Finnen nichts. Ein Verbremser nach dem ersten Rennviertel, und schon war Hamilton vorbei. Bottas suchte seine Chance durch einen frühen Reifenwechsel. Doch schon Ende des ersten Drittels dann die Schadensmeldung aus dem Cockpit: "No power." Das Energierückgewinnungssystem streikte. Statt einer kleinen Wende im Titelkampf wohl das Ende der Hoffnungen. Die WM-Führung liegt nun schon drei Siege entfernt, jeweils Nullnummern von Hamilton vorausgesetzt. "Ein enttäuschendes Ende", bilanzierte Bottas. Mittlerweile muss er sich selbst nach starken Qualifikationsleistungen wie auf dem Nürburgring schon vor dem Rennen fragen lassen: "Glaubst Du überhaupt, dass Du gewinnen kannst?" Tapfer hatte er geantwortet: "Natürlich." Es ist gerade nicht leicht, der Mann an der Seite von Lewis Hamilton zu sein.

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Sebastian Vettel

Formula 1 Aramco Grosser Preis der Eifel 2020 / 11.10.2020, Nürburgring, Nürburg, Formula 1 Aramco Grosser Preis der Ei

Quelle: imago images/Nordphoto

Mit der Historie der Formel 1 kennt sich Sebastian Vettel weit besser aus als Lewis Hamilton. Mit Michael Schumacher verbindet den Heppenheimer ein intensives Verhältnis, das mit einem Poster im Jugendzimmer begann und in eine Freundschaft mit gemeinsamen Urlauben mündete. Die Wertschätzung für den Rekordweltmeister drückte sich im Helmdesign für den Großen Preis der Eifel aus, wo Schumacher als erster deutscher Formel-1-Pilot vor einem Vierteljahrhundert ein Rennen auf deutschem Boden gewinnen konnte. Es zeigte klassische Elemente des Schumi-Designs wie das Drachen-Wappen, allerdings in 3D. Da staunte sogar Mick Schumacher, der sich den Helm ausführlich erklären ließ. Nach Hamiltons Sieg drückte Vettel auch seine Wertschätzung für den aktuellen Rivalen aus: "Es war für mich eine Zahl, von der ich immer dachte, dass sie nie eingestellt oder sogar übertroffen wird. Wir können ziemlich sicher sein, dass Lewis sie übertreffen wird. Seine Anstrengungen kann ich gar nicht genug respektieren. Aber Michael wird immer mein Held bleiben." Sein eigenes Rennen im Ferrari? Nichts für die Geschichtsbücher: als Elfter gestartet, Elfter im Ziel.

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Daniel Ricciardo

F1 Eifel Grand Prix

Quelle: Getty Images

Wie, fragt sich der geneigte RTL-Zuschauer, wird Kommentator Heiko Waßer wohl die nächsten Rennübertragen über die Runden bringen? Jedenfalls braucht der Reporter einen neuen Running Gag. Bislang konnte er jedes Mal, wenn Daniel Ricciardo ins Bild kam, von einer Wette erzählen. Jener des australischen Rennfahrers mit seinem französischen Teamchef Cyril Abiteboul. Die ging so: Wenn Ricciardo tatsächlich ein Podium mit dem Renault schafft, muss sich der Mann am Kommandostand die Haut verzieren lassen. Die Stelle und die Größe darf sich der Chef aussuchen, das Motiv der Chauffeur. Nach anderthalb Jahren ist es jetzt so weit. Etwas mit einem "deutschen Touch" schwebt Ricciardo vor, der zum Saisonende das Team Richtung McLaren verlassen wird. Sein erster Podiumsbesuch seit über zwei Jahren habe sich angefühlt wie "das erste Mal". Im Überschwang vergaß er dabei sogar sein übliches Ritual, Champagner in seinen Rennschuh zu gießen.

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Der Nürburgring

Formel 1 - Grand Prix der Eifel

Quelle: dpa

Rennen auf Strecken, auf denen die Formel 1 noch nie oder schon lange nicht mehr gefahren sind, sollten auch außerhalb des Not-Kalenders künftig Bestandteil der Weltmeisterschaft sein: Die Fahrt ins Ungewisse tut der Spannung ziemlich gut. Die Rückkehr an den Nürburgring war der Auftakt für drei weitere Rennen, in denen die dem Perfektionismus hörige Königsklasse anders kalkulieren, auch mal improvisieren muss. Das Eifel-Wetter lässt sich allerdings leider nicht exportieren. Ob es eine dauerhafte Rückkehr der Traditionsrennstrecke geben wird? Eher unwahrscheinlich. Sollten die Pandemie-Bedingungen noch länger gelten, dann stehen die Chancen gut. 13 500 Zuschauer waren eine gute Kulisse. Etwa 20 Prozent der Ticketkäufer musste noch eilig abgesagt werden, nachdem deren Heimat plötzlich zu Risikogebieten erklärt worden war. Etliche kamen trotzdem, nachdem sie einen Corona-Schnelltest gemacht und am Eingang vorlegen konnten. Ein ziemlich positives Bekenntnis für den Motorsport in Deutschland.

© SZ.de/jki/tbr
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