Formel 1:Norris entscheidet die Team-WM, Hamilton wird emotional

Lesezeit: 3 Min.

Zeigte im Ziel seine Emotionen: Lewis Hamilton. (Foto: Darko Bandic/AP)

Von Elmar Brümmer

Die K-Frage in der Formel 1 ist beantwortet, und das überzeugend: Erster Platz für Lando Norris beim Großen Preis von Abu Dhabi, erster Platz für seinen McLaren-Rennstall nach 24 Rennen – obwohl im Finale die Ferrari von Carlos Sainz junior und Charles Leclerc die Mehrheit auf dem Podium hatten. 666:652 stand es nach Punkten in der Gesamtwertung, als die Feuerwerksraketen auf dem Yas Marina Circuit in den Nachthimmel schossen.

Norris, der mit seinem vierten Saisonsieg auch seinen zweiten Platz in der Fahrerwertung sichert, fiel dazu nur die Vokabel „unglaublich“ ein. An 1998, als McLaren zum letzten Mal ganz oben stand in der lukrativen Konstrukteurs- oder Mannschaftswertung, kann sich der Fahrer natürlich nicht erinnern; er wurde erst ein Jahr später geboren. Sein Teamchef Andrea Stella benutzte das gleiche Wort, was soll einem in solchen Momenten auch anderes einfallen, am Ende einer Saison, in der alles nach einem erneuten Red-Bull-Triumph ausgesehen hatte. Aber der Italiener ergänzte nach dem Sieg über seine Landsleute noch: „Ich werde für immer dafür dankbar sein.“

Ferrari, zuletzt 2008 Champion, setzt nun alles auf die kommende Saison. Der Mann, der neben Charles Leclerc die große Hoffnung ist, bringt mehr Titelerfahrung mit als jeder andere Formel-1-Pilot: Am Ende seines 246. Rennens für das Mercedes-Werksteam aber kniete jener Lewis Hamilton neben seinem Silberpfeil. Ausnahmsweise hatte er das Auto auf der Zielgeraden parken dürfen, was sonst nur den Podiumsplatzierten erlaubt ist. Vierter ist er geworden, weil ihn der Teamkollege George Russell kurz vor Schluss hatte passieren lassen. Der Anweisung vom Kommandostand („George, mach das Offensichtliche!“) hätte es gar nicht bedurft. Es ist eine Frage der Ehre, der Würde.

Vom 16. Startplatz noch in die Punkte gefahren – auch Lewis Hamilton bekommt noch einen Erfolg

Tagelang hatte Hamilton für diesen Moment geprobt, aber dass er im letzten Rennen vom 16. Startplatz aus überhaupt noch in die Punkte würde fahren können, daran hatte der Brite nicht wirklich geglaubt. Es war einmal mehr das, was sein kongenialer Partner, Renningenieur Peter Bonnington als „Hammer-Time“ bezeichnet – und so hatte sich sein Schützling konsequent nach vorn gearbeitet. Die Kletterpartie nach oben dürfte alle Zweifler mundtot machen. Auch den emotionalen Funkspruch blieb er nicht schuldig: „Jeder von uns hat allein geträumt, aber zusammen haben wir daran geglaubt.“

Der Schlusspunkt des Rennjahres ist ein Ausrufezeichen, das noch einmal all die Aufregung, Unwägbarkeit und Klasse dieser längsten Saison der Geschichte zusammenfasste. Das ging schon kurz nach dem Start in die 58 finalen Runden los. Norris behielt, als es darauf ankam, diesmal die Nerven. Sein Teamkollege Oscar Piastri aber geriet sofort unter Druck von Max Verstappen. Der Weltmeister wollte innen am Australier vorbeiziehen, mit dem Resultat, dass sich beide von der Piste drehten. Piastri verlor damit jede Chance, Norris noch zu schützen, wurde am Ende Zehnter. „Ein weltmeisterliches Manöver“, ätzte Piastri. Die Rennleitung antwortete sofort mit einer Zehn-Sekunden-Strafe für den Niederländer, aber damit fokussierte sich jetzt alles auf Norris: Hält er durch?

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84 Siege, sechs WM-Titel: Eine längere und erfolgreichere Beziehung zwischen einem Team und einem Fahrer hat es in der Formel 1 nie gegeben. In Abu Dhabi fährt Lewis Hamilton sein letztes Rennen für Mercedes. Bei Ferrari will er den Glauben an sich zurückgewinnen.

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Noch schlimmer erwischte es Verstappens Teamkollegen Sergio Pérez. Der Mexikaner fährt seit Wochen gegen die Vermutung an, dass seine Tage bei Red Bull Racing gezählt sind. Der Countdown soll am Montag ablaufen, wenn die Führungsspitze in Abu Dhabi tagt. Mit einem Blick auf das Ergebnis vom Sonntag dürfte alles geklärt sein: Pérez drehte sich ebenfalls direkt nach dem Start und kam auch gar nicht mehr ins Rennen. Der 34-Jährige, der bislang immer auf seinem Zwei-Jahres-Vertrag beharrte, wirkte kleinlaut, als er wenig später vor die Kameras trat: „Ich bin glücklich, dass alles vorbei ist.“ Die Frage scheint nur noch die Höhe der Abfindung zu sein, und ob er durch Yuki Tsunoda oder Liam Lawson aus dem Red-Bull-Nachwuchsteam abgelöst wird. Die sieglose Saison des Mexikaners hat dem Champion-Rennstall jede Chance auf zusätzliche Millionen in der Teamwertung genommen.

Die Ferrari arbeiteten sich tapfer nach vorn, hielten die Verfolgerpositionen, aber sie wussten schon, dass es nicht ganz reichen würde. Es waren taktische Manöver, die das Finale prägten und dramatische Momente vermissen ließen wie jene Rededuelle, die sich Mercedes-Pilot George Russell und Max Verstappen vor dem 24. WM-Lauf geliefert hatten, um das vorangegangene Rennwochenende aufzuarbeiten. Sich der Lüge zu bezichtigen, war da noch das geringste. Verstappen soll sogar gedroht haben, absichtlich in ihn reinzufahren und ihn „kopfüber in die Mauer zu stopfen“.

Verstappen, der am Ende in Abu Dhabi Sechster wurde, zeigte auch über Boxenfunk, dass er nach einem schwierigen technischen Jahr trotz großer sportlicher Klasse noch reichlich Emotionen übrig hat. Nachdem er seine Zehn-Sekunden-Strafe an der Box abgesessen hatte, fluchte er in Richtung Rennleitung, mit der er so oft wie nie aneinandergeraten ist in dieser Saison: „Warum nicht gleich 20 Sekunden? Dumme Idioten.“

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