Sieben Kurven der Formel 1:"Ich entschuldige mich beim Team"

Sieben Kurven der Formel 1: Erst sauer aufs Team, dann reumütig: Lewis Hamilton.

Erst sauer aufs Team, dann reumütig: Lewis Hamilton.

(Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Lewis Hamilton hat einen Wutausbruch und erklärt, er habe für eine Sekunde "den Verstand verloren". Ferrari-Pilot Carlos Sainz hat ganz andere Probleme. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Anna Dreher, Zandvoort

Max Verstappen

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(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Am Freitag hatte Max Verstappen noch mit Getriebeproblemen zu kämpfen, im ersten Trainingslauf blieb sein Red Bull stehen. Im Rennen aber sorgte der amtierende und sehr wahrscheinlich auch künftige Weltmeister dafür, dass die ohnehin feiernden Zuschauer Grund zur Party hatten. Laut F1 waren das Wochenende über 305 000 Menschen an die Strecke gekommen, ein neuer Rekord. "Der Support in Zandvoort ist unglaublich", sagte der Niederländer, "alle in Orange."

Als im vergangenen Jahr nach mehr als 30 Jahren wieder ein Grand Prix stattfand, holte sich Verstappen mit seinem Sieg die WM-Führung von Lewis Hamilton zurück. Als er nun in sein Heimatland reiste, lag er in der Gesamtwertung bereits deutlich vorne. Mit dem Sieg - dank einer auch strategisch starken Leistung mit der komplizierten Schlussphase durch das virtuelle und das reale Safety Car - ist der Vorsprung so weit ausgebaut, dass Verstappen mit den Fans auf der Tribüne hätte tanzen können: Er hat 310 Zähler, Charles Leclerc kommt im Ferrari auf 201, Dritter ist bei gleicher Punktzahl Red-Bull-Pilot Sergio Pérez.

George Russell

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(Foto: Piroschka van de Wouw/Reuters)

George Russell war bester Laune. Von Platz sechs gestartet, den Teamkollegen geschlagen - und im Ziel dann der Erste hinter dem derzeit ohnehin in einer eigenen Liga fahrenden Verstappen. Mehr ging nicht. Das war das Beste, was der Brite hatte rausholen können, nicht zuletzt dank der Entscheidung, während der Safety-Car-Phase auf die weiche Reifenmischung zu wechseln. So konnte er, wie Leclerc, noch an Hamilton vorbeiziehen. "Wir haben als Team eine unglaubliche Pace gezeigt, das hat uns bestärkt", sagte Russell: "Zu sehen, dass Mercedes sich langsam wieder rantastet, ist überzeugend." Seine Bilanz im ersten Jahr bei Mercedes ist es ohnehin: Bis auf den Ausfall in Silverstone ist Russell stets unter die besten fünf gekommen, fünf Mal davon war er Dritter. Und nun scheint der Silberpfeil zurück zur Geschwindigkeit gefunden zu haben.

Charles Leclerc

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(Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Platz drei, immerhin. Schadensbegrenzung. Ein wirklicher Trost dürfte das für Leclerc aber nicht sein. Mit welch großen Ambitionen war der 24-Jährige doch in die Saison gestartet, wie stark hatte sein Auto gewirkt - und nun? "Die Lücke ist wirklich groß, wir denken jetzt von Rennen zu Rennen", sagte Leclerc resigniert. Letztlich gab ihm das Safety Car mit dem Boxenstopp den nötigen Schub. Auf der weichen Reifenmischung konnte er wenige Runden vor Schluss noch an Hamilton aufs Podium vorbeiziehen.

Doch Leclerc haderte. "Max war zu schnell", sagte er, "Mercedes ist nur geflogen auf dem harten Reifen. Das müssen wir analysieren, warum es bei uns nicht so war." Jetzt ist er zwar wieder Zweiter in der WM hinter Verstappen und vor Pérez, aber der Titelverteidiger hat 109 Punkte mehr - das wird Leclerc bei sieben ausstehenden Rennen nicht mehr aufholen können. Ein Sieg wäre dennoch wichtig, gerade in dieser Woche beim dritten Grand Prix in Serie. Denn der findet in Monza statt - vor Tausenden Tifosi, die so sehnlich auf ein Erfolgserlebnis warten wie der Monegasse.

Lewis Hamilton

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(Foto: Clive Mason/Getty Images)

Wie emotional Hamilton reagierte, zeigte, wie nah er sich am Erfolg wähnte. "Ich kann das nicht glauben, Leute! Ich bin so verdammt sauer!", hatte er gefunkt. Der siebenmalige Weltmeister hatte das Rennen in der Schlussphase angeführt, dann kam das Safety Car. Während Verstappen, Russell und Leclerc an die Box für die weiche Gummimischung fuhren, blieb Hamilton auf Medium draußen. Er führte, aber beim Restart konnte er sich mit dem Reifennachteil nicht gegen die Attacken wehren. Verstappen schoss auf der Geraden an ihm vorbei, dann folgte Russell und schließlich auch Leclerc, futsch war der potenzielle erste Sieg dieser Saison - und Hamilton außer sich.

Mit etwas Abstand sagte der 37-Jährige: "Ich entschuldige mich beim Team, ich weiß nicht einmal mehr, was ich gesagt habe. Es war, als hätte ich für eine Sekunde den Verstand verloren. Sie wissen aber, dass es nur viel Leidenschaft ist." Russell fiel durch seinen Stopp als Blocker zwischen seinem Teamkollegen und Verstappen aus, doch wäre er draußen geblieben, wäre der Red Bull sicher an beiden Silberpfeilen vorbeigezogen. Hätte Mercedes beide Fahrer reingeholt, wären sie allein dadurch hinter Verstappen gerutscht - so lautete die Analyse. Zu Hamiltons Reaktion sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Wir sind der Mistkübel für den Fahrer, du sitzt da alleine drinnen, bist traumatisiert und da kotzt du dich aus."

Mick Schumacher

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(Foto: Zak Mauger/Imago)

Dieses Wochenende hatte so gut angefangen für Mick Schumacher. Startplatz acht, das brachte gute Aussichten auf Punkte - und die kann der 23-Jährige gebrauchen. Wo und ob er kommende Saison ein Cockpit erhält, ist noch nicht geklärt. Haas-Teamchef Günther Steiner betonte in Zandvoort, dass es von seiner Seite keine Eile bei der Entscheidungsfindung gibt. Nun lieferte Schumacher, war zudem wieder schneller als Teamkollege Kevin Magnussen, doch dann sorgten vermasselte Boxenstopps dafür, dass Schumacher als Dreizehnter wertvolle Zähler verpasste. Beim ersten Reifenwechsel stand er lange zehn Sekunden. "Der Wagenheber ist oben geblieben", erklärte Steiner.

Schumacher wollte das, ganz Teamplayer, nicht als definitiven Grund ausmachen: "Eventuell haben die zwei Boxenstopps mich Punkte gekostet, aber das kann man nicht ganz genau sagen." Spaß hat ihm das Rennen dennoch gemacht, mit seinem Mentor Sebastian Vettel duellierte er sich in mehreren Kurven, dabei habe er wieder viel gelernt: "Sebastian zeigt mir da die Tricks, die er so auf Lager hat und die mir in Zukunft hoffentlich helfen."

Carlos Sainz

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(Foto: Christina Bruna/AFP)

Die Sonntagsbilanz des Spaniers fiel denkbar vernichtend aus. "Alles, was schiefgehen konnte, ist schiefgegangen", sagte Carlos Sainz sichtlich bedient: "Ich war immer zur falschen Stelle zur falschen Zeit. Wir müssen uns als Team verbessern, so bringen wir uns selbst um die Punkte." Dieses Wochenende tröstete die Scuderia der dritte Platz von Leclerc, doch insgesamt machte sich wieder Ernüchterung breit angesichts eines Fehlers, der Sainz das Rennen vermasselte.

Als er das erste Mal für frische Reifen stoppte, hatten die Mechaniker nur drei statt vier parat. Es vergingen wertvolle Sekunden, bis der Satz endlich komplett war. Um genau zu sein 12,7 Sekunden - dadurch fiel er weit zurück. Als Dritter gestartet, kam er als Achter ins Ziel, bei einem weiteren Stopp hatte es eine Zeitstrafe gesetzt. Die Rennkommissare werteten sein Herausfahren aus der Parkbucht vor Fernando Alonso als zu unsicher, die Scuderia argumentierte, Sainz habe bremsen müssen, wegen des Trubels an der McLaren-Box, wo sich die Crew auf einen Reifenwechsel vorbereitete. "Für uns war das kein Unsafe Release, das ist eine harte Entscheidung gewesen, nicht unbedingt fair", sagte Teamchef Mattia Binotto, der den ersten Patzer damit erklärte, dass Sainz früher als eigentlich geplant reingeholt worden war, um auf die Konkurrenz zu reagieren: "Beim ersten Call mit Carlos gab es ein komplettes Durcheinander. Der Schlagschrauber, der Mann hinten mit dem Reifen, war nicht fertig."

Oscar Piastri

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(Foto: HochZwei/Imago)

Der 21 Jahre Australier hat vor seinem ersten F1-Rennen schon so viel Wirbel gemacht wie nur wenige andere. Er hätte sicherlich gerne darauf verzichtet, aber nun steht ja immerhin sein Aufstieg in die Königsklasse fest: Am Freitag wurde die Entscheidung des Schiedsgerichts bekanntgegeben, dass allein der von Piastri und McLaren geschlossene Vertrag vom 4. Juli 2022 gültig sei. Damit kann er 2023 als Stammpilot neben Lando Norris fahren. Alpine gab sich geschlagen, damit ist der Vertragsstreit beendet. Offen bleibt die Frage, wer die Wahrheit sagt, nachdem Piastri und Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer sich in ihrer Darlegung der Ereignisse widersprechen. Welche Version auch stimmen mag: Alpine gibt in dem Vertragspoker keine gute Figur ab - und steht nun erst mal ohne zweiten Fahrer für die kommende Saison da.

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