Formel 1 in Bahrain:"Hätte meine Oma vier Räder, wäre sie ein Autobus"

Formel 1 in Bahrain: Auf dem Weg zur 21. Pole Position seiner Karriere: der Niederländer Max Verstappen.

Auf dem Weg zur 21. Pole Position seiner Karriere: der Niederländer Max Verstappen.

(Foto: Florent Gooden/Panoramic/Imago)

Max Verstappen holt die erste Pole der neuen Formel-1-Saison, dahinter tut sich Überraschendes: über geknickte Silberpfeile, Hülkenbergs gute Rückkehr und einen 41-Jährigen, der nun zum Geheimfavoriten taugt.

Von Elmar Brümmer, Sakhir

Groß auf Parkplatzsuche musste Max Verstappen in der Boxengasse von Sakhir nicht gehen. Passend zur Startnummer konnte er sich einfach dahin orientieren, wo die große Eins für den Tagesschnellsten steht. Der Weltmeister und sein Red-Bull-Team machten da weiter, wo sie vor einem Vierteljahr aufgehört haben: Verstappen auf eins, Teamkollege Sergio Perez daneben auf zwei, das ist die Spitze des Starterfeldes beim Großen Preis von Bahrain an diesem Sonntag.

Die Versuchung ist zwar da, aber trotzdem wäre es ein Fehler, gedanklich schon 23 Rennen vorzuspulen und dem Niederländer zum Titel-Hattrick zu gratulieren. Nicht bloß, weil die Piste in der Steinwüste nicht sehr typisch für den Rest der Saison ist. Sondern auch, weil es im Gesamtgebilde Formel 1 schon zum Saisonauftakt diverse überraschendere Geschichten gibt als die 21. Pole-Position des Weltmeisters, die er seinem Vater zum 51. Geburtstag schenkt.

So ließe sich trefflich über die Ferrari-Autos reden, die zwar immer wieder auffällig viele Teile verlieren, Charles Leclerc und Carlos Sainz jr. aber trotzdem in Reihe zwei chauffierten. Nebeneinander befinden sich auch die geschwärzten Silberpfeile von George Russell und Lewis Hamilton, aber die werden angesichts der Ränge sechs und sieben schon bald ein neues Auto mit anderen Seitenkästen bekommen; die Radikal-Verschlankung ist wohl tatsächlich ein Konzept von gestern. "Nicht lebendig genug", befindet Lewis Hamilton, der erneut fürchten muss, von einer zickenden Technik um eine Revanche im WM-Kampf gebracht zu werden. Nicht mal Mercedes-Teamchef Toto Wolff mag das neuerliche Leistungsdefizit schönreden: "Hätte, hätte - hätte meine Oma vier Räder, wäre sie ein Autobus ..."

Wie gut der Aston Martin ist, zeigt sich nicht nur an Alonso - sondern vor allem auch am Teamkollegen Stroll

Es ist klar, dass die Kräfteverhältnisse, wie sie auf einer Runde zu besichtigen waren, nicht zwingend auf die reifenmordende Distanz gesehen Bestand haben. Aber dennoch zeichnet sich schon ab, dass Ferrari und Mercedes nur um die Rolle in der Jagdgesellschaft hinter Red Bull kämpfen - in der allerdings eine neue Farbe ins Spiel kommt, nämlich das klassische british racing green der Autos von Aston Martin.

Das Prestigeprojekt des kanadischen Milliardärs Lawrence Stroll, bei dem Sebastian Vettel so viel Frust schieben musste in den beiden vergangenen Jahren, kommt endlich in Fahrt. Das liegt an den Aerodynamikern, die vom Weltmeister-Team Red Bull verpflichtet wurden, sowie Ingenieuren aus der zweiten Reihe von Mercedes. Es braucht nur noch einen Fahrer, der das Ganze vorantreibt und zuverlässig auf die Straße bringt. Olá: Fernando Alonso, zarte 41 Jahre alt, hat offenbar das richtige Näschen gehabt, Renault-Alpine zu verlassen und die Vettel-Nachfolge zu wagen. Zweimal Trainingsbestzeit in Bahrain, dann Platz fünf in der Startaufstellung, nachdem zwischenzeitlich durchaus die erste Reihe drin gewesen wäre.

Der Spanier grinste breiter als seine Lebensgefährtin Andrea M. Schlager, obwohl die Moderatorin von Servus TV höchst professionell lächeln kann. "Ich lache, weil ich mit der Aussicht auf ein Podium ins Rennen gehen kann", verriet Alonso, "es fühlt sich zu gut an, um wahr zu sein." Zuletzt auf dem Podest stand er im November 2021 als Dritter bei der Formel-1-Premiere in Katar.

Hülkenberg zweifelt noch, ob es mit seinem neuen Haas auch schon über die ganze Renndistanz funktioniert

Frau Schlager hatte schon vorab ein gutes Gefühl: "Fernando liefert ab wie ein Junger. Von nichts kommt eben nichts. Er hat seine Ernährung umgestellt, jeden Tag Vollgas im Training gegeben. Er war den ganzen Winter über im Fitnessstudio, wir haben Tennis gespielt oder waren Skifahren. Es ist sehr beeindruckend, wie er reinhaut." Auch die Aston-Techniker halten offenbar beim Tempo des Asturiers mit. Bis zur Jahresmitte sollen zwei Drittel des aktuellen Autos schon wieder neu sein.

Warum dieser AMR 23 mit Mercedes-Motor zum Geheimfavoriten taugt, lässt sich noch weit besser an der Darbietung von Lance Stroll ablesen, dem Sohn des Besitzers. Der hatte sich bei einem Fahrradunfall vor den Testfahrten beide Handgelenke schwer verletzt, dazu einen Zeh gebrochen. Er musste in dieser Woche operiert und ihm mindestens eine stabilisierende Schraube eingesetzt werden. Nicht jede normale Lenkraddrehung ist damit möglich, auch müssen die Schmerzen gewaltig sein. Doch die Chance, die sich da plötzlich auftut, wirkt offenkundig sedierend und belebend zugleich: Stroll startet als Achter, eine kleine Sensation.

In den Top Ten gibt es noch eine weitere Überraschung: Nico Hülkenberg steuerte nach drei Jahren Reservistendasein den Haas-Ferrari, in dem Mick Schumacher nie glücklich werden konnte, auf Anhieb auf den zehnten Platz. Zum Vergleich: Teamkollege Kevin Magnussen, im Vorjahr noch als Comebacker des Jahres gefeiert, schied gleich in der ersten Qualifikationsrunde aus. Das Adrenalin beim einzigen Deutschen im Fahrerfeld fließt schon wieder ordentlich, aber er ist zu klug, sich schon vor den 58 Runden am Sonntag (Start 16 Uhr) dem Rausch hinzugeben. "Auf eine Runde funktioniert das schon ganz ordentlich mit dem Haas und mir", sagte der 35-Jährige bei Sky, "ich habe ein ganz gutes Gefühl für Auto und Reifen. Aber das Rennen wird der wahre Test für uns, dann sehen wir, was es wirklich wert ist."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Nico Hülkenberg
:"Wir waren eine Autonation. Jetzt wird das Auto schlechtgeredet"

Nico Hülkenberg ist 2023 der einzig verbliebene deutsche Fahrer der Formel 1. Ein Gespräch über den schwierigen Stand des Motorsports in Deutschland und sein Können in minderwertigen Rennwagen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: