Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg:Einer, der Antworten sucht

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„Das Potenzial für mehr war da“, sagt Nico Hülkenberg über seine neun Jahre in der Formel 1. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)
  • Der deutsche Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg durchlebt gerade eine schwierige Phase: Alles wäre da, aber es greift irgendwie nicht richtig.
  • Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus - dementsprechend wäre ein Erfolg in diesem Jahr so wahnsinnig wichtig.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Passagier sein, das ist in der Formel 1 die stehende Formulierung dafür, dass der Fahrer die Kontrolle über seinen Rennwagen verloren hat. Meistens erzählen das dann auch die Fahrer so oder so ähnlich nach dem Rennen, es folgt oft ihre Standard-Redewendung: "Ich habe das Auto verloren."

Ach, wenn es doch nur das gewesen wäre, letztes Wochenende beim Großen Preis von Deutschland. Nico Hülkenberg lag in der 39. von 64 Runden auf dem vierten Rang mit klarem Drang weiter nach vorn. Er schien dem Podium entgegenzufahren. Und was wäre das für eine Sause geworden beim Heim-Grand-Prix: Denn Hülkenberg, Grand-Prix-Pilot im mittlerweile neunten Jahr, hat es in 166 Rennen noch nicht ein einziges Mal auf das Podest geschafft.

Und auch in Hockenheim verlor Hülkenberg noch die Kontrolle über sein Auto. Der Renault des 31-Jährigen geriet in Kurve 16 etwas außerhalb der Streckenbegrenzung genau in jene Auslaufzone, die für Dragster-Rennen asphaltiert ist und als Werbefläche mit einem Spezialbelag vorbereitet war. Im Regen wurde die Fläche glatt wie Eis, Hülkenbergs Hoffnung endete in den Reifenstapeln. Er ließ sich fassungslos in den Campingstuhl eines Streckenposten fallen.

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Im Sprint in Ungarn holt der 20-Jährige seinen ersten Sieg und gibt zu: "In den letzten Runden hat mein Herz ziemlich schnell geschlagen."

Jetzt also Anlauf 167, beim Großen Preis von Ungarn. Eine Woche Abstand reicht nicht, um zu verdrängen, vergessen, wie nah er diesmal wieder dran gewesen ist. "Das wird noch ein Weilchen brauchen", glaubt der Mann aus Emmerich, "wenn man alles richtig macht, und dann wird einem der Erfolg gestohlen. Natürlich ist mein Kopf hier in Ungarn ganz bei der Arbeit, aber ein Stich bleibt."

Bevor es nun an diesem Wochenende am Hungaroring ernst wurde, stattete er Renndirektor Michael Masi einen Besuch ab, um sich über die Auslaufzonen zu beklagen - die sollen eigentlich bremsen und nicht beschleunigen: "Das ist doch nicht normal." Auch Charles Leclerc und Lewis Hamilton rutschten raus, das stärkt die Argumentation: "Wer einen Fehler macht, muss den Preis dafür bezahlen. Aber das stand in keinem Verhältnis. Ein richtig schlechter Witz."

"Immer, wenn Nico kurz davor ist, Großes zu erreichen, entgleitet es ihm."

Hülkenberg war schon ein paarmal Vierter, er hat auch die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, aber oft verhinderten unglückliche Umstände den Sprung nach oben. Er ist gewöhnt, darauf angesprochen zu werden, dann sagt er meist: "Das einzig Gute daran ist, dass ich trotzdem noch in der Formel 1 bin." Aber gerade deshalb wäre ein Erfolg in diesem Jahr so wichtig. Renault müsste längst vorn mitmischen, so viel wie der französische Staatskonzern in seine in England ansässige Rennabteilung pumpt. Der talentierte Deutsche wurde 2017 als Entwicklungshelfer verpflichtet, weil er nicht bloß zu den schnellen Fahrern sondern auch zu den guten Technikern gehört, die den Ingenieuren präzise Auskunft geben können. Aber spätestens mit der Ankunft des Australiers Daniel Ricciardo zu Saisonbeginn war klar, dass sich die französisch-deutsche Freundschaft etwas abgenutzt hat.

Hülkenberg macht auch über Boxenfunk keinen Hehl daraus, wie sehr es ihn nervt, dass es nicht richtig vorwärts geht. Im Prinzip durchlebt er die Phase von Ferrari und Sebastian Vettel, nur eine Ebene tiefer. Alles wäre da, aber es greift irgendwie nicht richtig. Technische Pannen und persönliche Fehler multiplizieren sich, Renault ist gerade nur Sechster der Konstrukteurs-WM, das mit den gleichen Motoren aus Viry-Chatillon startende Kundenteam McLaren hingegen Vierter.

Und der Vertrag des Fahrers, den sie Hulk rufen, läuft zum Saisonende aus. Wird sich der vierfache Weltmeister Alain Prost, dem sie jetzt mehr Macht gegeben haben, für ihn aussprechen? Oder sichert sich die Equipe lieber die Dienste des französischen Talents Esteban Ocon? Nico Hülkenberg hat keine richtige Antwort darauf, jedenfalls keine öffentliche. "Wir sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben und können nicht voll zufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben", sagt der Fahrer selbstkritisch. Trotzdem rechnet er mit einer Vertragsverlängerung. In Hockenheim sagte er, wohlgemerkt vor seinem Crash: "Derzeit ist nichts in Stein gemeißelt, aber ich denke, dass ich ziemlich wahrscheinlich bleibe." Teamchef Cyril Abiteboul, der selbst gehörig unter Druck steht, klagt nach der Enttäuschung von Hockenheim im Fachblatt Autohebdo: "Immer, wenn Nico kurz davor ist, Großes zu erreichen, entgleitet es ihm. Er sabotiert sich selbst." Zur Zukunft des deutschen Rennfahrers sagt er nur, dass man alle Optionen prüfe. Den Rücken stärken klingt anders.

© SZ vom 04.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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