Formel 1: Nick Heidfeld:In der Spur

Nick Heidfeld könnte nach seinem dritten Platz in Sepang zu jenen Piloten gehören, die diese Formel-1-Saison entscheidend prägen. Er scheint im elften Jahr endlich das passende Team gefunden zu haben.

Jürgen Schmieder

Als am Freitag das freie Training auf der Formel-1-Strecke in Shanghai begann, da konnte man auf den Tribünen Menschen entdecken, die spanische Fahnen schwenkten und ihren Oberkörper so bemalt hatten, dass "Alonso" zu lesen war. Andere hatten Banner gemalt, auf denen "Lewis Hamilton" stand - und als Sebstian Vettel vom Fahrerlager hinüber zur Boxengasse wanderte, da kreischten die chinesischen Mädchen, als wäre Justin Bieber oder zumindest Bill Kaulitz eingetroffen.

Formel 1: Nick Heidfeld: Neben der Spur: Nick Heidfeld beim Training in China

Neben der Spur: Nick Heidfeld beim Training in China

(Foto: AP)

Nick Heidfeld dagegen konnte seine Garage ohne Geschrei betreten und ohne die Aufforderung, doch bitte mindestens 1000 Autogramme zu schreiben. Er wird kaum beachtet, dieser Nick Heidfeld - und doch könnte er zu jenen Piloten gehören, die diese Formel-1-Saison prägen. Der dritte Platz seines Kollegen Witali Petrow beim Auftaktrennen in Melbourne zeigte, dass Lotus ein durchaus konkurrenzfähiges Auto gebaut hat. Und der dritte Platz von Heidfeld in Sepang zeigte, dass der 33-Jährige ein durchaus konkurrenzfähiger Pilot ist.

Heidfeld hält einen skurrilen Rekord in der Formel 1: Er ist der Fahrer, der am häufigsten nach einem Rennen auf dem Podium stand - ohne jemals einen Grand Prix zu gewinnen. 13 Mal durfte er Champagner verspritzen, den Siegerpokal während der elf Jahre, die er nun in der Königsklasse aktiv ist, aber noch nie in Empfang nehmen.

Dieser Makel, noch kein Rennen gewonnen zu haben, begründet das Image, das Heidfeld mit sich herumtragen muss: Er gilt als überaus talentierter Fahrer und vor allem als einer, der die technischen Aspekte eines Formel-1-Fahrzeugs versteht - er gilt jedoch auch als zurückhaltender Zauderer und nicht als aggressiver Siegertyp. "Ich will nicht sagen, dass man einen Stempel kriegt, das wäre zu viel. Aber man hat irgendwann einen gewissen Ruf. Den zu ändern ist sehr schwierig", sagte Heidfeld kürzlich in einem Interview mit der FAZ.

In der vergangenen Saison war er zuerst Testfahrer bei Mercedes gewesen, dann beim Reifenhersteller Pirelli - ehe er fünf Rennen für das Sauber-Team absolvierte. Er sollte zu Mercedes zurückkehren, doch durch den Ausfall von Robert Kubica durfte er zunächst Testfahrten absolvieren und wurde dann von Lotus als Ersatzfahrer für Kubica unter Vertrag genommen.

Es ist bislang eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Heidfeld und Lotus. Der Pilot trägt zwar seit Beginn seiner Karriere den Spitznamen "Quick Nick", doch wäre angesichst seiner Fähigkeiten auch der Beiname "Tech-Nick" denkbar. Heidfeld gilt als Fahrer, der sensibel mit einem Rennwagen umgehen und durch seine präzisen Angaben dazu beitragen kann, ein Formel-1-Auto schneller und zuverlässiger zu machen. Lotus ist ein Rennstall, bei dem sich Heidfeld einbringen darf.

Chance aufs Podium

Der Rennstall überraschte die Konkurrenz vor der Saison mit einer innovativen Auspuffanlage, auch zum zweiten Rennen brachte Lotus ein Upgrade mit. "Wir machen in Shanghai keinen so großen Schritt. Aber ich denke, dass unser Auto auf dieser Strecke gut ist, denn wir haben einen guten Topspeed", sagt Heidfeld, der an der Weiterentwicklung des Autos stets beteiligt ist.

"Lotus ist extrem offen. Ideen von mir und konstruktive Kritik werden gerne aufgenommen. Das ist bei keinem anderen Team so extrem gewesen", sagt er. Die beiden dritten Plätze bei den ersten beiden Rennen seien kein Zufall gewesen, vielmehr sei das Renault-Team auf Augenhöhe mit Ferrari - nur Red Bull und McLaren seien derzeit schneller unterwegs. "Das ist natürlich ein tolles Ziel und eine tolle Motivation, wenn man gegen Ferrari kämpft."

Freilich kämpft Heidfeld auch um seinen Verbleib in der Formel 1. Die Genesung von Robert Kubica nach dessen schwerem Rallye-Unfall verläuft den Ärzten zufolge zwar überraschend gut, doch ist nicht abzusehen, ob er in dieser Saison noch ein Rennen wird bestreiten können. Deshalb hat Heidfeld, der beim Rennen in Sepang das Logo von Kubica auf seinem Helm trug, nun eine Saison lang Zeit, sein Image zu korrigieren und bei einem Team, das konkurrenzfähig erscheint, regelmäßig zu punkten und vielleicht gar zu siegen.

"Wenn die Chance da ist und die anderen kleinere Probleme haben, waren wir in den ersten beiden Rennen in der Position, diese zu nutzen. Das werden wir weiter versuchen", sagt Heidfeld. "Auf der anderen Seite ist es aber auch offensichtlich, dass besonders Red Bull, aber auch McLaren noch ein gutes Stück vor uns sind. Aus eigener Kraft fahren wir da nicht mal eben auf den ersten Platz."

Heidfeld hofft dazu auf die Unterstützung der Fans. "Ich denke auch, dass es für sie etwas Besonderes ist, wenn sie Leute mit blonden Haaren sehen. Also glaube ich, dass sie mich mögen", sagt er. Damit auch jeder Zuschauer mitbekommt, dass er dabei ist beim Großen Preis von China an diesem Wochenende, setzte er seinen Lotus-Dienstwagen in beiden Trainingseinheiten spektakulär ins Kiesbett und demolierte jeweils seinen Frontflügel.

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