Ferrari in der Formel 1:Erholung für die italienische Rennseele

F1 Grand Prix of Styria

Schwupps, da war der Flügel hin: Charles Leclerc in der Boxengasse bei der Autoreparatur.

(Foto: Peter Fox/Getty Images)

Ferrari will beim zweiten Rennen in Österreich an die gute Leistung der Vorwoche anknüpfen. Das Auto erinnert noch immer an eine Wundertüte - aber es gibt Erfolgsmomente.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Zwei Rennen hintereinander auf einer Strecke, das hat im ersten Corona-Sommer 2020 der Formel 1 erst den Neustart in eine Saison ermöglicht, die es trotz aller Erschwernisse auf 17 Grand-Prix-Rennen gebracht hat. Auch in dieser Woche wird am Red-Bull-Ring wieder das Doppel ausgetragen. Damit sich auf der Strecke mit den wenigsten Kurven aller Strecken der achte und der neunte WM-Lauf nicht zu sehr ähneln, hatten die Macher zunächst überlegt, einmal gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. Doch das wäre wegen der Leitplanken und Auslaufzonen so schnell nicht zu bewerkstelligen gewesen, abgesehen von den erheblichen Zusatzkosten.

Damit sich das Feld beim Großen Preis von Österreich - zumindest in der Theorie - trotzdem anders schüttelt, bringt der Reifenausrüster Pirelli neue Mischungen in die Steiermark, auf die sich alle einstellen müssen. Ein aufwändiges Procedere mit ungewissem Ausgang. Am meisten gefürchtet von dem Team, das sich bei der ersten Auflage überraschend stark präsentierte: Ferrari.

Richtig, bei aller Zuspitzung der Weltmeisterschaft auf Red Bull Racing und Mercedes gibt es tatsächlich noch die Scuderia. Das gesamte Rennjahr soll der Regeneration gehören, fast lässt sich von Rekonvaleszenz sprechen. Denn das italienische Team hatte mit Platz sechs in der Endabrechnung der Konstrukteurs-WM die schlechteste Saison seit vier Jahrzehnten erlebt. Die Hoffnung in Maranello stirbt natürlich nie, aber die empfindsame italienische Rennseele hat tiefe Wunden davongetragen. Weshalb ein Rennen wie das vom vergangenen Wochenende Zuversicht bringt.

Der Monegasse Charles Leclerc, der sich früh den Frontflügel ruiniert hatte, fuhr von ganz hinten nach vorne auf Platz sieben - und wurde zum Mann des Tages gewählt. "Wäre die Kollision in der ersten Runde nicht gewesen, würde ich die Leistung als eines meiner besten Rennen in der Formel 1 einordnen", sagt Leclerc. Im Hinblick auf die Wiederholung an gleicher Stelle fragt er sich nur eines: "Es ist zum Teil das Resultat der harten Arbeit in der Fabrik. Aber zum Teil geht es sicher auch auf die Streckencharakteristik zurück. Wir müssen verstehen, was wir im Rennen richtig gemacht haben."

Ferrari in der Formel 1: Gilt als das größte Talent der "next generation" in der Formel 1: Ferraris Charles Leclerc.

Gilt als das größte Talent der "next generation" in der Formel 1: Ferraris Charles Leclerc.

(Foto: Andrej Isakovic/AFP)

Teamkollege Carlos Sainz junior, noch frisch im Team, pilotierte den SF 21 auf den sechsten Rang. Mit zusammen 14 Punkten als jüngster Wochenendausbeute liegt Ferrari auf Rang vier in der Mannschaftswertung, nur noch zwölf Zähler hinter McLaren. Jenem englischen Dinosaurier, der in den vergangenen Jahren ähnlich desaströse Zeiten wie Ferrari durchgemacht hatte - und jetzt unter dem deutschen Teamchef Andreas Seidl auf dem Sprung nach ganz oben ist. Platz drei ist praktisch die Meisterschaft der zweiten Liga in der Formel 1.

Ein radikaler Schnitt an der Rennstallspitze wie bei McLaren ist bei Ferrari bislang ausgeblieben, aber es hat sich dennoch etwas verändert. Mattia Binotto, 51, der sich als Team- und Technikchef in Personalunion versucht hatte, verlegt sich mehr aufs Management. An der Rennstrecke rückt mehr und mehr der sieben Jahre jüngere Laurent Mekies in den Fokus. Als Sportdirektor und damit Einsatzleiter treibt der Franzose anscheinend vieles in die richtige Richtung. Dennoch erinnert das Zwitterauto fürs Übergangsjahr manchmal immer noch an jene Wundertüte, die für Sebastian Vettel beim Abschied in Rot so viele unangenehme Überraschungen parat hatte.

Es hängt viel von den Reifen ab: Einmal durchdrehen und alles kann dahin sein

Tatsächlich ist gerade vieles, oft auch alles in der Formel 1, davon abhängig, wie sehr sich Auto und Fahrer auf die Reifen einstellen können. Und wie sehr die Pneus honorieren, welche Mühe sich die Ingenieure geben. Für die Piloten aber ist es am schwierigsten, die Kompromisslinie zwischen eigenem Ehrgeiz, einer sich bietenden Chance im Rennen und dem verlangten pfleglichen Umgang mit den Gummis zu finden. Einmal durchdrehen, im Wortsinn, und alles kann dahin sein.

Der Große Preis der Steiermark dient nicht nur als sportlicher Gradmesser, sondern auch als Stimmungsbarometer bei Ferrari. Für beide Fahrer war das Resultat ein Motivationsschub, nach dem punktlosen Debakel kurz zuvor in Frankreich: "Es war mein bislang komplettestes Rennen für Ferrari", sagt Sainz, der im Rennen zeitweise auf dem Niveau von Red Bull und Mercedes fuhr.

Am meisten beeindruckt hat den 26-Jährigen dabei die schnelle Aufarbeitung des Desasters von Le Castellet: "Noch am Sonntagabend hat das Team alle Kräfte gebündelt, neue Strategien erdacht und dann in jeder einzelnen Abteilung einen kurz-, mittel- und langfristigen Plan aufgestellt." Der Spanier, der extra in die Nähe der italienischen Rennfabrik gezogen ist, ist jetzt angekommen: "Das zu sehen, die Geschlossenheit zu spüren, war meine erste richtige Erfahrung als Ferrari-Fahrer."

Das grundsätzlich bessere Gefühl überwiegt auch beim 23 Jahre alten Leclerc, der neben Max Verstappen und George Russell immer noch als das größte Talent der "next generation" in der Formel 1 gilt: "Es ging immer nach vorne. In meine Rückspiegel habe ich gar nicht geschaut. Ich musste einige Überholmanöver durchziehen, die am Limit waren. Aber ich musste ja Risiken eingehen, um schnell Plätze gutzumachen." Das klingt fast wie eine hoffnungsfrohe Regieanweisung für den Rest des Jahres. Teamchef Binotto, im Zweckoptimismus geschult und im Zweifeln erfahren, will sich noch nicht auf WM-Rang drei konzentrieren. Er behauptet sogar: "Das ist überhaupt nicht wichtig für uns. Unser Ziel ist es, Fortschritte für das kommende Jahr zu machen und aus unseren Fehlern zu lernen."

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