Formel 1:Und sonntags wird gewonnen
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Max Verstappen siegt auch in Monza. Es ist sein zehnter Triumph in Serie, damit übertrifft er Sebastian Vettels Rekord. Ferrari bleibt nur Rang drei - zeigt aber beim Heimspiel immerhin großen Kampfgeist.
Von Elmar Brümmer, Monza
Es klang fast geschäftsmäßig, wie der zehnte Sieg von Max Verstappen in Folge quittiert wurde. "Du hast es geschafft", funkte sein Renningenieur Gianpiero Lambiase ins Cockpit. Zurück kam: "Nicht schlecht." Der Niederländer hat nun Sebastian Vettels Rekord übertroffen, und das mitten im aufgeheizten Autodromo Nazionale in Monza, wo Ferrari die bisher beste Siegchance in dieser Saison hatte. Immerhin, der von der Pole-Position gestartete Carlos Sainz wurde hinter Sergio Perez im zweiten Red-Bull-Rennwagen Dritter. Verstappens Teamchef Christian Horner wies dann fernmündlich auf die Dimension dieses Rennnachmittags hin: "Du hast Formel-1-Geschichte geschrieben!"
Selten hat eine Nationalhymne vor einem Formel-1-Rennen so gut gepasst wie diesmal, wird doch in Il Canto degli Italiani die Frage gestellt: Wo ist der Sieg? Der Ferrari von Carlos Sainz junior stand auf der Pole-Position, das zweite Auto aus Maranello mit Charles Leclerc auf Rang drei, im Boliden dazwischen saß Weltmeister Max Verstappen. Auf den Tribünen in Monza hatten sie gleich zwei riesige herzförmige Fahnen entrollt, diese Leidenschaft und ein eigens für das Tempodrom im Königlichen Park entwickelter Mini-Heckflügel sollten als Booster wirken. Ein Heim-Sieg als Wiedergutmachung für eine Saison mit mehr Ab als Auf. Sainz nahm den dramatischen Qualifikationserfolg mit nur 13 Tausendstel Vorsprung nicht bloß als leicht verspätetes Geschenk zum 29. Geburtstag, seine Motivation lautete vielmehr: "Ich fühle eine Verantwortung für das ganze Land. Träumen darf ich doch, denn im Rennen ist alles möglich!"
Auch die Historie machte Mut: 1988, als McLaren auf dem Weg zu einer makellosen Saison war, hatte ein Doppelerfolg von Ferrari die Rekordjagd beendet. Und dass nach Charles Leclercs Monza-Triumph 2019 kein Sieger in Monza den Erfolg im darauffolgenden Jahr wiederholen konnte, sollte auch ein gutes Omen sein - im letzten September hatte Max Verstappen erstmals in Italien gewonnen.
So ist er dann am Sonntag auch losgefahren, mit 20 Minuten Verspätung, nachdem in der Einführungsrunde der Alpha Tauri von Yuki Tsunoda auf dem Grünstreifen ausgerollt war. "Vamos, Carlos" ist sein Mantra, und er hatte auch die schnellste Reaktion am Start.
Rad an Rad: So ausdauernd wie Sainz war lange keiner mehr auf Augenhöhe mit Verstappen
In Monza komprimieren sich Wohl und Wehe in einem entscheidenden Moment: Erste Runde, erster halber Kilometer, erste Kurve. In der Schikane war Verstappen mit dem auf die lange Distanz abgestimmten Red Bull schon gleichauf, aber einen Weltmeister-Bonus gab es diesmal nicht. Sainz fuhr stur Kampflinie und kam als Erster aus dem Geschlängel heraus. Das war keine übertriebene Härte, sondern eine klare Botschaft. Verstappen wiederum machte einen intelligenten Rückzieher, er wusste jetzt, dass er sich den Spitzenreiter zurechtlegen musste, denn auf den langen Geraden zogen die Ferrari immer wieder davon. Zweimal wehrte er den Angreifer ab, hielt weiter tapfer dagegen. Verstappen maulte über Funk: "Das war schmutzig", Sainz lobte sich selbst: "Guter move!"
Rad an Rad und bei Höchstgeschwindigkeit ging der Zweikampf weiter, so ausdauernd war schon lang niemand mehr auf Augenhöhe mit Verstappen. Von wegen Formel Langeweile. Mehr als die beiden brauchte es eigentlich nicht für ein enorm spannendes Rennen. 14 Runden in Lauerstellung, und mit einem immer nervöser werdenden Sainz, der in der Dauerverteidigung seine Reifen zunehmend ruiniert. Gäbe es die Helmvisiere nicht, hätte man Verstappen wohl grinsen sehen. Er wusste, dass sein Plan bald aufgehen würde, die Box gab den höchsten Motoren-Modus frei: Attacke! Im 15. Umlauf war er dann endlich vor der Schikane auf Tuchfühlung mit Sainz, der unter dem Dauerdruck zerbrach und sich verbremste. Verstappen, der schon gleichauf war, schoss vorbei am Gegner mit den stehenden Rädern und fuhr in den folgenden fünf Runden fünf Sekunden Vorsprung heraus.
Für Sainz ging der Kampf trotzdem weiter, denn Scuderia-Liebling Charles Leclerc wollte nicht einsehen, warum er den Teamkollegen, der sich nach der Demütigung durch Verstappen erst wieder sammeln musste, nicht angreifen durfte: "Ich bin schneller!" Zwei stolze Dickköpfe gegeneinander, das konnte kein gutes Ende nehmen. Denn durch das interne Hin und Her hatte sich Sergio Perez im zweiten Red Bull-Rennwagen wieder heransaugen können. Nach Rennhalbzeit endete der erste Angriff fast im Kiesbett, aber seine Klage über Leclercs Härte verpuffte beim Renningenieur: "Du bist so viel schneller, den holst du dir noch." Einen Umlauf später sah es dann tatsächlich kinderleicht aus. Deshalb waren sie beim so überlegenen britisch-österreichischen Rennstall trotz des samstäglichen Ferrari-Schocks so gelassen geblieben, sie hatten das Auto von Anfang an auf die lange Distanz abgestimmt - denn gewonnen wird sonntags.
Während der Spitzenreiter einsam dem nächsten Eintrag ins Rekordbuch entgegen fuhr, wurde der Kampf um die Podiumsplätze wieder enger. Zwischen Sainz, Perez und Leclerc lagen jeweils weniger als eine Sekunde. Sechs Runden vor Schluss kam es zu einer kleinen Berührung zwischen Sainz und Perez, der Mexikaner musste den Notausgang in der Schikane nehmen, nachdem der Vordermann ihm wieder keinen Platz gelassen hatte. Die Wut trieb Perez an, Sainz war nur noch Dritter. Damit kam auch neue Härte ins interne Ferrari-Duell, die beiden warfen sich fast gegenseitig raus, als Leclerc den Sprung aufs Podium erzwingen wollte. Vom Kommandostand wurden die Streithähne nicht gebremst. Gewagte Bremsmanöver, rauchende Reifen, eine Frage der Nerven.
Den Sieg ist Ferrari Italien erneut schuldig geblieben, aber über den Kampfgeist kann sich wirklich keiner beklagen.