Sieben Kurven in der Formel 1:Mit Niki-Kappen und Gedächtnishelmen

Beim Grand Prix in Monaco ehren Fahrer und Teams die verstorbene Legende. Hamilton beklagt sich über die Rennstrategie. Ein Mexikaner erlebt eine brenzlige Situation mit Streckenposten.

Von Philipp Schneider, Monte Carlo

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Niki Lauda

Monaco Grand Prix

Quelle: REUTERS

Die Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Niki Lauda wurde die ganze Woche lang gelebt und zelebriert in Monte Carlo. Zweimal hatte der dreimalige Weltmeister selbst das berühmteste Autorennen der Welt gewonnen. 1975 und 1976. Jeweils im Ferrari. Legendär ist sein Auftritt 1975 in der Fürstenloge. Bei der Pokalübergabe nahm Lauda die Hand von Fürstin Grace Kelly - und küsste die Fürstinnenhand entgegen der Etikette. Der Wirbel danach sei unglaublich gewesen, hat Lauda drei Jahrzehnte später erzählt. "Die Fürstin dagegen lächelte nur. Ich hatte ihren Handrücken ja nur leicht berührt!"

Am Sonntag trugen die Fahrer und Zuschauer rote Käppis zu Ehren Laudas. Auch die Silberpfeile sahen aus, als trügen sie rote Hütchen. Das Team von Mercedes, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Lauda war, hatte die Halo-Schutzbügel rot lackiert. Lewis Hamilton und Sebastian Vettel hatten Lauda-Gedächtnishelme auf dem Kopf - und dann wurde natürlich auch noch unheimlich viel geredet über den smarten Österreicher, der für die Formel 1 so etwas war wie eine Klammer, die alles zusammenhielt. Lauda war derjenige, der überlappte. Von der alten Formel 1 in die neue. Von Ferrari zu McLaren zu Mercedes. Lauda war die Konstante, auf die sich alle einigen konnten. Hamilton versicherte nach seinem Sieg, er werde zu Laudas Beerdigung reisen. Am Mittwoch wird Lauda im Wiener Stephansdom öffentlich aufgebahrt und danach im engsten Familienkreis beerdigt. Hamilton widmete Lauda seinen Sieg, seinen zähen Kampf auf kaputten Reifen. "Ich habe mit dem Spirit von Niki gekämpft", meinte er.

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Lewis Hamilton

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Quelle: AFP

Hätte es jemand gegeben, der am Sonntag nur dem Funkverkehr gelauscht und das Rennen ansonsten mit verschlossenen Augen verfolgt hätte, dem hätte der Tonfall von Lewis Hamilton suggerieren können, er führe dem Feld abgeschlagen hinterher. Oder er sei drauf und dran, den Abflug ins Hafenbecken zu machen wie einst Alberto Ascari im Jahr 1955. Hamiltons Gemecker im Dialog mit Renningenieur Peter Bonnington war jedenfalls der heimliche Hauptdarsteller des Rennens. Hamilton beklagte sich fast das ganze Rennen lang über die Team-Strategie bei seinem ersten und letztlich einzigen Boxenstopp. Während seine Verfolger Max Verstappen und Sebastian Vettel von Weich auf Hart wechselten, um bis zum Ende durchzufahren, schnallte Mercedes Hamilton die etwas weichere Medium-Mischung ans Auto. Hamilton maulte und jammerte über seine Reifen, die stärker abbauten als die seiner Verfolger. Und er rutschte und rutschte und rutschte.

Am Abend veröffentlichte Mercedes ein Video, in dem sich Mercedes-Ingenieur James Vowles rechtfertigte. "Nun, im Nachhinein ist es recht klar: Mit den härteren Reifen hätten wir dasselbe Ergebnis erzielt - nur mit weniger Stress", sagte er. "Wir wollten es ein bisschen spannend machen." Es ist ein lustiges Video, das Mercedes da veröffentlichte, zumal ja Hamilton selbst noch ins Bild stürmt, in der Hand eine Schampusflasche, mit der er Vowles vollspritzt. "Ihr habt mir diese Medium-Reifen für 68 Runden gegeben!", schimpft Hamilton und lacht. Eigentlich aber ist die Dominanz von Mercedes, in die nun ein bisschen künstliche Spannung gerührt wurde, selbstredend ganz und gar nicht lustig.

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Sergio Perez

F1 Grand Prix of Monaco

Quelle: Getty Images

In der elften Runde rückte das Safety Car aus, um den Streckenposten die nötige Zeit zu verschaffen, den Asphalt von den Reifenteilen zu befreien, die der Ferrari von Charles Lecerc hinterlassen hatte. Die Fahrer nutzten diesen Moment zum Reifentausch. Auch Sergio Pérez. Als der Mexikaner nach seinem Besuch an der Box und noch während der Safety-Car-Phase zurück auf die Strecke fuhr, da kreuzten plötzlich zwei der fleißigen Streckenposten direkt vor seinem Wagen die Fahrbahn. Perez bremste hart und wich gerade noch aus. "Mann, was ist nur los mit diesen Marshals?", funkte Perez: "Ich hätte die fast getötet!" Dann fragte er sogleich nach, ob mit den Marshals alles okay sei. Sein Team gab Entwarnung. Nach dem Rennen schrieb der Mexikaner auf Twitter: "Nach diesem Vorfall bin ich sehr froh, wie der Tag zu Ende gegangen ist: dass wir alle sicher und wohlbehalten zurück nach Hause gehen können zu unseren Familien." Perez war 13. geworden im Rennen, aber das Ergebnis war ihm in diesem Moment ziemlich egal.

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Charles Leclerc

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Quelle: AP

Der Grand Prix in Monaco ist für Charles Leclerc ein besonderer. Er ist dort schließlich geboren und aufgewachsen. In einem Appartement oberhalb der Start-und Ziel-Geraden. Von dort konnte er schon als kleiner Junge auch auf die enge Kurve blicken, die sich wie eine Boa Constrictor um eine kleine Bar windet, in der Leclerc am Sonntag alles riskierte, was ein Rennfahrer in Monte Carlos riskieren kann. Er musste viel riskieren, weil er von Startplatz 15 ins Rennen rollte und es sich bei der Hafenrundfahrt so gut wie gar nicht überholen lässt. Zweimal probierte es Leclerc trotzdem. In der Rascasse. Erst überholte er Romain Grosjean. Eine Runde später versuchte er es bei Niko Hülkenberg, was misslang. Er touchierte mit seinem Ferrari die Leitplanke, demolierte sich den Hinterreifen. Das Gummi hing in Fetzen, demolierte so auch den Unterboden seines Wagens, den Leclerc ein paar Runden später abstellen musste.

Es war für ihn das frustrierende Ende eines enervierenden Wochenendes. Verloren wurde Leclercs Rennen am Samstag. Nicht von ihm. Sondern von der Scuderia Ferrari. Der 21-Jährige hatte im letzten Training vor seinem Heim-Grand-Prix sogar die Bestzeit vorgelegt und nun also lief in Monte Carlo der erste Teil der Qualifikation. Fünf Fahrer scheiden nach dieser Q1 genannten Veranstaltung aus, 15 dürfen weiterfahren. Der erste Teil ist für die führenden Teams und die besten Fahrer eigentlich kein Wettbewerb, der sie fordert. Er ist ein Wettbewerb, durch den sie halt durchmüssen. Für Leclerc geriet er allerdings zum Wettbewerb, nach dem er raus war. Er war nicht raus, weil er zu langsam gefahren war. Er war raus, weil ihn Ferrari, weil ihn die schlauen Strategen der Scuderia, nicht noch ein weiteres Mal auf die Strecke geschickt hatten. Weil sie dachten, seine Rundenzeit würde genügen, um sicher mitfahren zu dürfen im Q2. Nun, sie genügte nicht. "Natürlich können die Menschen sagen: Solche Fehler dürfen Ferrari nicht passieren", sagte Teamchef Mattia Binotto am Samstag. Damit hatte er nicht ganz Unrecht. "Doch wir sind in der Lage, dass wir aufholen müssen. Um das zu tun, müssen wir Risiken eingehen." Damit bewies er geradezu einen prophetischen Ausblick auf das Rennen Leclercs am nächsten Tag.

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Sebastian Vettel

Formel 1: Grand Prix von Monaco

Quelle: dpa

Sebastian Vettel war nicht unzufrieden nach dem Rennen, das durfte man ihm nachsehen. Er war ja endlich mal wieder Zweiter geworden, es war für ihn das beste Ergebnis seit dem Rennen in Abu Dhabi, dem Saisonfinale 2018. Andererseits war es auch so, dass Vettel wohl niemals Zweiter geworden wäre, hätte es nicht eine Kollision zwischen Max Verstappen und Valtteri Bottas gegeben. Während der Safety-Car-Phase. In der Boxengasse. Nach seinem Reifentausch fuhr der Niederländer just in dem Moment wieder los, als Bottas an seiner Box vorbeirollte. Verstappen drückte Bottas in die Mauer, was aus Sicht von Vettel eine grandiose Kausalität hervorbrachte. Verstappen erhielt eine Fünf-Sekunden-Strafe, was ihn in der Endabrechnung von Platz zwei auf Platz vier zurückbeorderte. Und Bottas demolierte das Manöver den Reifen, weswegen er abermals halten und sich hinter Vettel einsortieren musste. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir ein Geschenk erhalten haben", sagte Vettel. In den letzten Runden, als Vettel hinter Verstappen und Hamilton durch das Fürstentum rollte, da hat er sich für einen Moment noch einmal Hoffnung gemacht, dieses Rennen könnte eine segensreiche Wendung für ihn nehmen. Hamiltons Reifen, die einer weicheren Mischung entsprachen als jene von Verstappen und Vettel, waren längst aufgedunsen wie Brötchen in einer warmen Badewanne. "Eigentlich wollte ich Lewis und Max in einen Fehler hetzen", erzählte Vettel. Als Verstappen zwei Runden vor Schluss Hamiltons Hinterreifen touchierte, "da schoss mir durch den Kopf: Vielleicht habe ich Glück und ich gewinn das Ding noch!". Es wäre ein Geschenk mit umwickelter rosaroter Schleife gewesen. Aber das gab es dann nicht für Vettel.

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Interessantes Plakat

Formel 1 Plakat Grimaldi Leclerc

Quelle: Philipp Schneider

Ist sicher gut gemeint, die Kampagne. Rund um den Hafen hängen in Monte Carlo Plakate. Auf ihnen ist der gebürtige Monegasse und Ferrari-Pilot Charles Leclerc zu sehen. Neben ihm steht Charlène Lynette Grimaldi, die Fürstin von Monaco. Die Fürstin hat die Arme verschränkt und schaut den Betrachter sehr vorwurfsvoll an. Außerdem zu sehen: ein Straßenschild, das einen Übergang für Fußgänger markiert. Leclerc zeigt mit einem seiner Zeigefinger auf das Schild, er blickt dabei nicht vorwurfsvoll. Eher unbeteiligt. Als hätte man ihn einfach ungefragt vor dieses Schild und neben die Fürstin geschoben. Oben drüber steht: "Achtet auf Fußgänger". Schön und gut, denkt der Betrachter, jeder Autofahrer sollte auf Fußgänger achten. Aber warum erzählen das einem ausgerechnet eine Grimaldi, die längst nicht mehr selber Auto fährt, sondern sich chauffieren lässt, und ein Formel-1-Rennfahrer? Macht der Metzger Werbung für Tofu?

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Toto Wolff

Monaco Grand Prix

Quelle: REUTERS

Hat eine schwere Woche hinter sich. Niki Laudas Tod hat ihn zwar nicht überraschend getroffen, dafür aber mit ungeahnter Härte. Er fühle sich "wie ein Zombi", hat Wolff in Monte Carlo erzählt, ihm seien in den vergangenen 48 Stunden beim Anblick der Lauda-Gedächtnisbildergalerie, die im Motorhome von Mercedes in dieser Woche in Endlosschleife lief, jede halbe Stunde die Tränen gekommen. Lauda war Wolffs Geschäftspartner, Wolff hält 30 Prozent der Anteile am Rennstall, Lauda zehn. Wolff ist Teamchef bei Mercedes, Lauda war Aufsichtsratsvorsitzender. Und Wolff war derjenige in Laudas Leben, den dieser als "Halbfreund" bezeichnete. Vor zwei Jahren habe er neben Lauda im Flugzeug gesessen, auf der Rückreise aus Suzuka. "Als wir in der Luft sind, sehe ich, dass er eine Träne in seinem Auge hat. Ich sagte ihm: 'Niki, jetzt wirst du auch noch emotional auf die alten Tage. Es geht wirklich bergab'. Er sagte dann: 'Du weißt, ich habe ja keine Freunde. Aber wenn es sowas wie einen Halbfreund gibt, dann bist du ein Halbfreund'." Es sei nun keine leichte Situation, zum Rennfahren überzugehen, sagte Wolff. "Ganz besonders in Monaco mit der großen Medienpräsenz und vor Ihnen allen zu stehen, die Emotionen im Griff zu haben und über einen Freund zu reden."

© SZ.de/chge
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