Sieben Kurven in der Formel 1:Vettel zwingt seinen Willen auf

Formula 1 2021: Monaco GP CIRCUIT DE MONACO, MONACO - MAY 23: Sebastian Vettel, Aston Martin AMR21, leads Sergio Perez,
(Foto: Andy Hon/Motorsport Images/imago)

Der Aston-Martin-Pilot fühlt sich wohl in Monaco. Lewis Hamilton schiebt Frust und Mick Schumacher gelingt das einzige richtige Überholmanöver. Die Höhepunkte des F1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Charles Leclerc

Formula 1 2021: Monaco GP CIRCUIT DE MONACO, MONACO - MAY 22: The car of Charles Leclerc, Ferrari SF21, is craned away
(Foto: Glenn Dunbar/Motorsport Images/imago)

Die Worte aus dem Tunnel klingen erst jämmerlich, aber sie werden immer schneller und lauter: "No, no, no, no, noooo!" Es ist die Fahrt, von der Charles Leclerc von Samstag auf Sonntag geträumt haben muss. Großer Preis von Monaco, und er als einziger echter Monegasse im Feld auf dem Weg zur Pole-Position. Dann holt ihn das ein, was schon seit dem ersten Training das Ferrari-Problem war: "Jungs, es ist das Getriebe!" Ganz unschuldig an der defekten linken Antriebswelle ist der 23-Jährige nicht gewesen, nachdem er kurz vor Ende des Qualifyings sein rotes Auto in die Leitplanken gesetzt und für einen Abbruch der Session gesorgt hatte.

Erst zweidreiviertel Stunden vor dem Start am Sonntag meldete Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, dass alles in Ordnung sei am Auto. Kein Getriebewechsel, keine Strafversetzung. Richtig abnehmen wollte ihm das schon vor Leclercs Hilferuf aus dem Dunkel keiner im Fahrerlager. Und sein Schützling, der bei allen seinen Starts noch nie in Monaco ins Ziel gekommen war, wird nun wohl doch an einen Fluch glauben. Minutenlang noch saß er nach der Nachricht "Finito" wie paralysiert im havarierten Auto: "Leider muss ich mich wohl an dieses Gefühl hier gewöhnen. Es tut mir vor allem leid für das Team. Es ist eine Schande für alle."

Max Verstappen

Großer Preis von Monaco
(Foto: Luca Bruno/dpa)

Erster, gleich zweimal, was für ein Gefühl. Noch nie hat Max Verstappen in seiner Wahlheimat Monaco auf dem Podest gestanden, diesmal aber gleich ganz oben. Er musste dazu nur an der leer gebliebenen Startbox von Charles Leclerc vorbeifahren, leicht nach innen drücken, damit Valtteri Bottas nicht durchschlüpft - und dann die restlichen 77,7 Runden konzentriert bleiben. Kampflinie, das ist seine Natur, so hat ihn sein Vater sozialisiert. Als Lohn gibt es nicht nur Komplimente von Red-Bull-Teamchef Christian Horner und den unvermeidlichen Schmatz von der posierenden Gefährtin Kelly Piquet - sondern auch zum allerersten Mal in seiner Karriere die Spitzenreiterposition in der Weltmeisterschaft. 105 zu 101 Punkte, das ist knapp. Aber reicht, um die Sticheleien vor dem Rennen aus dem Hamilton-Lager zu kontern. Und zwar mit der klassisch-lässigen Ansage: "Ich bevorzuge es, meine Antworten auf der Strecke zu geben. Wir haben weniger Fehler gemacht, deswegen sind wir vorn. Und ich hoffe, dass das über die Saison hinweg so bleibt." Da träumt einer ganz real vom Machtwechsel. Zumal Kollege Sergio Perez von Startplatz neun auf fünf springen konnte, das zeigt auch das Potenzial des Autos. Mercedes hat einen ernsthaften Rivalen bekommen.

Sebastian Vettel

Formula 1 2021: Monaco GP CIRCUIT DE MONACO, MONACO - MAY 20: Sebastian Vettel, Aston Martin AMR21 during the Monaco GP
(Foto: Jerry Andre/Motorsport Images/imago)

Bei Zuschauermitbestimmung muss man immer etwas vorsichtig sein, wie der Eurovision Song Contest gerade wieder gezeigt hat. Beim Großen Preis von Monaco aber lagen die Fans durchaus richtig, die Ehre wurde Sebastian Vettel zuteil. Der war bis Pfingsten zwar schon viermaliger Weltmeister, aber in seiner ersten Saison für Aston Martin in vier Rennen auch punktlos geblieben. Monte Carlo aber ist eine Fahrerpiste, da witterte er seine Chance. Die Straßen liegen ihm mehr als das restliche Ambiente des Fürstentums: "Auf einer Strecke wie dieser braucht man Vertrauen." In sich - und ins Auto. Vettel-Logik: "Es muss das machen, was der Fahrer will."

Auf der Fahrt zu seinem fünften Platz ließ er sogar Champion Lewis Hamilton hinter sich, machte gegenüber der Qualifikation zwei Plätze gut. Kollege Lance Stroll kam als Achter auch in die Punkte. "Wir haben wirklich darauf gewartet, das war ganz wichtig für das Team. Irgendwie wussten wir, dass man in Monaco mehr rausholen kann als üblich. Wenn du rausfährst und gleich ein gutes Gefühl hast, kannst du darauf aufbauen." Vielleicht lag es ja auch einer besonderen Glücksbringerin - Serena Williams war Boxengast von Aston Martin.

Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Monaco
(Foto: Mark Thompson/Getty)

Welche ist die Farbe des Frustes? Lewis Hamilton hat für das Heimspiel an seinem Wahlwohnsitz eine Kollektion ganz in Lila entworfen, während der Trainingssessions in seinem Apartment trug er einen Blaumann, im schwarzen Rennanzug startete der Weltmeister dann als Siebter - und kam nach 78 Runden auch auf diesem Platz ins Ziel. Immerhin ein Extra-Punkt für die schnellste Rennrunde, aber das ist ein schwacher Trost für die verlorene WM-Führung. Geplant war, dass der Brite Reifen spart, später als die anderen reinkommt und so Plätze gutmacht. Stattdessen ging er als Erster an die Box, verlor zwei Plätze und tobte über den Boxenfunk.

Sein Mercedes ging wohl in der Tat schlechter mit den Reifen um als die anderen Autos, dazu kommt die Länge des Autos - Monte Carlos enge Straßen sind - wie die von Singapur im Herbst - das schlechteste Terrain für die Champs. Erklären kann sich das Hamilton sonst nicht. Aber trotzdem ist da eine Unruhe zu spüren. Diese würde der Brite gerne in Motivation umwandeln: "Dieses Team hat schon oft bewiesen, aus solchen Situationen gestärkt hervorgehen zu können. Es wird nicht mit dem Finger aufeinander gezeigt. Wir müssen nur wieder Fuß fassen und ruhig bleiben. Uns erwartet noch ein langer Weg im WM-Kampf." Auch Teamchef Toto Wolff spricht davon, die Niederlage mit Fassung tragen zu wollen: "Alle sind gleich frustriert. Wir müssen uns sammeln, denn unsere Mentalität ist es, Probleme zu lösen. Das Spiel hat sich gedreht, jetzt sind wir wieder die Jäger."

Lando Norris

F1 Grand Prix of Monaco
(Foto: Pool/Getty)

Dritter im Rennen, Dritter in der WM, und bester Brite im Rennen, das passiert ja auch nicht so häufig. McLaren weiß um den Glücksgriff mit dem Millionärssöhnchen, und hat in der letzten Woche erst den Vertrag mit dem 23-Jährigen verlängert, gleich um ein paar Jahre. Norris ist ein unterhaltsamer Kerl, er beschäftigt ein eigenes Social-Media-Team, ist ganz prima auch im Sim-Racing, also in der Rennsimulation, aber stark auch in echt. Erst recht, wenn eine Boy-Group wie in Monte Carlo auf dem Podium steht, von reichlich weiblichen Fans verfolgt und bejubelt. Die Champagner-Orgie vor den Augen des Fürsten war sehenswert. Carlos Sainz, der Zweite im Ferrari, ist ohnehin sein Kumpel. Für den Sohn des ehemaligen Rallye-Champions war es im fünften Rennen die erste Podiumsplatzierung für Ferrari. Die Medienrunden mit den beiden, auch mit dem Altersgenossen Verstappen, sind häufig besonders lustig. Eine jüngere Podiumsbesetzung hat es nur einmal in über 70 Jahren Formel 1 gegeben, was dem Spanier Sainz angelastet wurde - der ist schon 26: "Schnitt versaut!"

Valtteri Bottas

BOTTAS Valtteri (fin), Mercedes AMG F1 GP W12 E Performance, portrait during the 2021 Formula One World Championship, WM
(Foto: Florent Gooden/PanoramiC/imago)

Das Einzige, was dem Finnen richtig gelungen ist am Sonntag, waren die Pfannkuchen zum Frühstück. Seine Aufgabe, Red Bull möglichst viele Punkte wegzunehmen, konnte er nicht wie geplant erfüllen. Am Start kam er zwar gut weg, dann aber nicht Verstappen hinterher. "Zeig uns, welches Tempo in dir steckt", feuerte ihn der Kommandostand an - der 31-Jährige kämpft schließlich um eine Vertragsverlängerung. Das richtige Drama spielte sich aber in der 29. Runde beim Boxenstopp ab. Die Stoppuhr lief schon im zweistelligen Sekundenbereich, da war das rechte Vorderrad am Mercedes immer noch nicht runter. Ein Schlagschrauber hatte durchgedreht, die Radmutter war nicht mehr runterzubekommen, offenbar war das Auto einen Tick zu weit vorn geparkt worden.

"Ich konnte es einfach nicht glauben, als ich beim Boxenstopp im Auto saß. Das ist natürlich eine riesige Enttäuschung und wir müssen daraus lernen, damit es nie wieder vorkommt. Unsere Stopps waren in diesem Jahr nicht gerade unsere Stärke, dafür gibt es keinen Schuldigen, wir müssen uns einfach als Team steigern", fordert der enttäuschte Bottas. Red Bull führt jetzt in der Konstrukteurs-WM knapp mit 149 zu 148 vor Mercedes. Kein guter Auftakt für die Phase der Saison, in der Bottas für sich beschlossen hatte, egoistischer zu werden. Selten ist seine Körperhaltung mit der von Lewis Hamilton zu vergleichen, diesmal schon - beide schlichen gleichermaßen mit hängenden Köpfen aus der Boxengasse davon.

Mic Schumacher

F1 Grand Prix of Monaco
(Foto: Bryn Lennon/Getty)

Haas-Teamchef Günther Steiner, der wortgewaltige Hauptakteur der Netflix-Serie "Drive to survive", hat für seinen Monaco-Debütanten nur einen kurzen Rat: "Bleib' weg von den Barrieren." Das klappte schon am ersten Trainingstag nicht richtig, und in der Abschluss-Session vor der Qualifikation demolierte der Deutsche nach einer starken Runde seinen Haas-Ferrari dann erst richtig: "Vielleicht war ich etwas zu selbstbewusst beim Ausreizen des Limits." Das Qualifying fiel für Schumacher Junior flach, dafür schnappte er sich gleich in der ersten Runde seinen russischen Teamkollegen Nikita Mazepin. Das einzige richtige Überholmanöver des Tages auf der Piste, auch noch im In-Fight in der engsten Kurve. Alles wiedergutgemacht, bis der Benzindruck Probleme machte. Schumacher musste seinen Rivalen auf Geheiß der Box wieder vorbeilassen. Als sein Auto wieder rund lief und er besser war als Mazepin, verlangte er die gleiche Geste - die ihm aber verweigert wurde. Vater Mazepin ist nicht umsonst der größte Geldgeber des kleinsten Rennstalls im Feld.

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