Nicht einmal die Hälfte der 77 Runden war absolviert, als das Formel-1-Rennen in Monte Carlo erneut unterbrochen werden musste. Rote Flagge, zum zweiten Mal. Spätestens jetzt war klar, dass dieser Sonntag in der Geschichte des Grand Prix von Monaco einen besonderen Platz einnehmen würde. Kameras waren auf Mick Schumacher gerichtet, der durch die Boxengasse lief. Und dass er das überhaupt tat, sorgte für viel Erleichterung. Der 23-Jährige war in der 27. Runde heftig verunfallt, der Anblick der Bilder weckte schlimmste Befürchtungen: Sein Auto war in zwei Stücke zerteilt worden, überall lagen Trümmer, Rauch stieg auf.
Auf der Schwimmbad-Passage hatte Schumacher die Kontrolle über des Heck seines Wagens verloren, der sich mehrmals schnell drehte, bevor er in die Bande krachte und auseinander brach. Es dauerte, bis er aus dem Cockpit kletterte und erst einmal fassungslos auf das Wrack blickte. "Ich bin okay, ich verstehe es nur nicht", funkte er nach seinem zweiten schweren Unfall in dieser Saison. Ende März in Saudi-Arabien war er in der Qualifikation mit mehr als 200 km/h in die Streckenbegrenzung gedonnert. "Es waren schwierige Bedingungen, leider bin ich etwas zu weit aus der Kurve gekommen", sagte er. "Ich habe mich verschätzt."
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Der Vertrag mit der Traditionsstrecke läuft aus, das diesjährige Rennen könnte das vorerst letzte am Jachthafen sein. Andere Standorte bieten zwar nicht denselben Glamour, aber viel mehr Geld - die Fahrer wollen, dass der Kurs im Programm bleibt.
Fast 20 Minuten dauerte es, bis die Unfallstelle aufgeräumt und freigegeben wurde. Um 17.15 Uhr wurde das Rennen fortgesetzt, das Feld fuhr zunächst hinter dem Safety Car los, dann gab es einen rollenden Start. Sergio Perez im Red Bull führte vor Ferrari-Pilot Carlos Sainz, seinem Teamkollegen Max Verstappen und Charles Leclerc im zweiten roten Wagen. Die vier lieferten sich eine enge Verfolgungsjagd. Runde um Runde, während der Countdown ablief: Maximal zwei Stunden netto darf ein Rennen noch dauern. Aber Perez behauptete sich. Um 18 Uhr - nach nur 64 von 77 Runden und einem ungewöhnlichen Renntag - stand der Mexikaner als Sieger fest, vor Sainz und Verstappen. "Monaco zu gewinnen, damit wird ein Traum wahr", sagte der 32-Jährige. "Das ist einfach unglaublich und so ein großer Tag für mich." Für den Red-Bull-Piloten ist es der dritte Sieg in seiner Formel-1-Karriere. Verstappen baute seine WM-Führung gegenüber Leclerc auf neun Punkte aus.
Pünktlich zum Start kommt der große Regen
Als die Autos am Sonntagmittag auf der engen Startgeraden geparkt waren und noch nichts zu ahnen war von dem turbulenten Verlauf, tummelten sich die Mechaniker und jede Menge Prominente. Ganz, wie es sich für einen Glamour-Grand-Prix gehört. Was weniger ins Bild passte, waren die dunklen Wolken am Himmel. Wenige Minuten bevor das Rennen hätte losgehen sollen, fing es an zu nieseln. "Starker Regen erwartet", knarzte es durch den Funk. Und dann trat nach heißen und sonnigen Tagen an der Côte d'Azur tatsächlich ein, was prognostiziert worden war: Regen, Regen, Regen. Über den Cockpits wurden Schirme aufgespannt, die Reifen in Schutzhüllen gepackt und die Fahrer warteten, während das Wasser heftig auf den Asphalt prasselte.
Die Formationsrunde vor dem Start sollte zunächst um 15.09 Uhr statt um 15 Uhr beginnen. Doch die Rennleitung gab kurz nach der ersten Mitteilung bekannt, dass es 15.16 Uhr werden würde. Zudem werde das Feld hinter dem Safety Car fahren und auf Reifen für extreme Nässe wechseln, die laut Angaben von Hersteller Pirelli bis zu 85 Liter Wasser pro Sekunde bei 300 km/h verdrängen können. Die im Training gemessenen 54 Grad Asphalttemperatur fielen auf 33 Grad. "Worauf warten sie? Dass es ganz trocken wird?", fragte Weltmeister Verstappen, der hinter Leclerc, Sainz und Perez als Vierter startete.
Der Regen ließ keinesfalls nach, aber wie angekündigt setzte sich die Karawane hinter dem Safety Car trotzdem in Bewegung. In manchen Abschnitten wirbelten die Autos dichte Gischt hinter sich auf. "Es regnet wie verrückt", gab Leclerc durch. Und kaum war das Aufwärmen absolviert, schwenkten die Streckenposten rote Flaggen: Abbruch um 15.20 Uhr. Bei diesen Bedingungen durch die Häuserschluchten zu fahren, war zu riskant. Die Wagen wurden in der Boxengasse abgestellt, die Piloten stiegen aus, auf den Tribünen brachten sich einige Zuschauer ins Trockene. "Ich glaube, ich bin noch nie so nass geworden in einem Formel-1-Auto", sagte Schumacher und lachte.
Die Veranstaltungszeit in der Formel 1 ist nun auf drei Stunden begrenzt
Wie lange gewartet werden würde, wusste niemand. Was aber unabhängig davon sicher war: das Ende. Beim Grand Prix in Spa 2021 hatte Starkregen zu einem äußerst chaotischen und skurrilen Rennen geführt, das spät startete und nach insgesamt drei gefahrenen Runden hinter dem Safety Car wieder vorbei war. Aus dieser Erfahrung wurde die Veranstaltungszeit auf maximal drei, die Rennzeit auf maximal zwei Stunden begrenzt. Am Sonntag in Monaco hatte die Formationsrunde um 15.16 Uhr den Countdown gestartet, der also spätestens um 18.16 Uhr ablief. Sollte das Rennen da nicht beendet sein, würde die bis dahin absolvierte Rundenzahl gewertet und bei weniger als 75 Prozent der Distanz eine reduzierte Punktzahl vergeben.
Dann kam das Update: Um 16.05 Uhr würde es einen weiteren Versuch geben, hinter dem Safety Car. Und tatsächlich, die Boliden rollten aus der Boxengasse. Die Strecke war noch immer nass, der Regen aber hatte aufgehört. Kaum lief die erste Runde, landete Nicholas Latifi in der berühmten Kurve hinter dem Grand Hotel in der Bande, gelbe Flagge, doch er konnte weiterfahren. Ab der zweiten Runde gab es einen rollenden Start. Leclerc an der Spitze gab Gas, die Gischt war teils immer noch enorm, die Autos schlidderten bisweilen, aber es konnte gefahren werden.
Nach und nach bogen die Fahrer ab und ließen sich Intermediates aufziehen, die auf nasser wie trockener Strecke funktionieren. Die Ferrari zeigten die Stärke ihrer Autos wieder mal: Selbst mit den Nassreifen fuhren sie schneller als alle anderen. Manch eine Berührung mit der Leitplanke konnte gerade so verhindert werden. Red Bull holte Perez nach 16 Runden rein. Ferrari reagierte unmittelbar. Nach dem Wechsel jedoch kam Leclerc hinter dem Mexikaner auf den Kurs zurück.
Ferrari vermasselt es an der Box
Der Asphalt trocknete weiter ab. Und dann vermasselte Ferrari sich vollends ein Erfolgserlebnis. In der 21. Runde rief die Scuderia Sainz und Leclerc an die Box, um dann bei Letzterem hektisch zu widerrufen: "Bleib draußen! Bleib draußen!" Aber es war zu spät. Kaum war der Stopp von Sainz beendet, schoss Leclerc in die Haltebucht. Der Monegasse war völlig außer sich, was er in sein Mikrofon schrie, musste oft überpiept werden. Bei keinem seiner bisherigen Formel-1-Starts in seiner Heimat hatte es der 24-Jährige ins Ziel geschafft, von einem Fluch war längst die Rede. Und nun das! "Das war heute eine verdammte Katastrophe", sagte er später. "Der Sieg lag klar in unserer Hand, wir hatten die Leistung, wir hatten alles. Ich verstehe einfach die Anweisung nicht und brauche Erklärungen." Kurz danach holte Red Bull beide Fahrer rein, Perez kam vor Sainz zurück, Verstappen zog an Leclerc vorbei. "Wir haben heute Fehler gemacht", sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.
Nach dem Unfall von Mick Schumacher und der Fortsetzung des Grand Prix um 17.15 Uhr wurde alsbald der Countdown eingeleitet. Runde um Runde bemühte Perez sich, möglichst keine Fehler zu machen und dabei den immer wieder dicht auffahrenden Sainz in Schach zu halten. Zehn Minuten noch. Perez, Sainz, Verstappen und Leclec lagen dicht aneinander, doch das Finale dieses ereignisreichen Tages wurde zu einer Prozession.