Formel 1:Mercedes wagt den Neustart

Formel 1: Vor allem die neuen Seitenkästen fallen auf: Lewis Hamilton beim Training in seinem neuen Gefährt.

Vor allem die neuen Seitenkästen fallen auf: Lewis Hamilton beim Training in seinem neuen Gefährt.

(Foto: Olivier Chassignole/AFP)

Zum Start der Europa-Phase der Motorsportserie in Monaco soll ein stark verändertes Auto die Silberpfeile wieder zurück in die Erfolgsspur bringen. Fahrer Lewis Hamilton jedoch wirbt um Geduld.

Von Anna Dreher, Monte-Carlo

Bevor der 3,337 Kilometer lange Kurs von Monte-Carlo am Freitagmittag während des Freien Trainings vom Dröhnen der Formel 1 erfüllt wurde, stand noch die übliche Präsentation der Autos in der Boxengasse an. Mechaniker werkelten oder wärmten sich in der Garage auf, PS-Touristen bestaunten vor Absperrbändern die Hochgeschwindigkeitsmaschinen und ließen sich vor ihnen ablichten, Partner und Konkurrenten führten Gespräche, Wortfetzen in vielen Sprachen flogen durch die Luft, großer Trubel eben. Und vor allem die eine Garage wurde im Fürstentum zum Menschmagneten, belagert von Fotografen und Kamerateams: die von Mercedes, mit einem erneuerten Silberpfeil, der endlich wieder Erfolge bringen soll.

Was in der Sonne der Côte d'Azur glitzerte und von so vielen Augen genauer betrachtet wurde, hatte Mercedes bereits vergangene Woche in Imola präsentieren wollen. Für den Auftakt in die Europa-Phase der Saison (einzig unterbrochen von Kanada im Juni) hatte das Team ein umfassendes Upgrade-Paket angekündigt. Doch aufgrund der schweren Unwetter war der Große Preis der Emilia Romagna abgesagt worden - und die erneuerten Autos blieben in der Garage stehen. Abgesagtes Rennen, mehr Tage zum Tüfteln.

Nur wäre das Streckenprofil von Imola ideal gewesen, um wirkliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit zu gewinnen. Monte-Carlo hingegen ist ein langsamer, enger Stadtkurs, einzigartig im Kalender. Was hier passiert, hat kaum Allgemeingültigkeit. Er denke nicht, dass sie aus diesem Wochenende viel lernen werden, sagte Mercedes-Fahrer George Russell folgerichtig, zeigte sich aber überzeugt davon, dass es gut war, mit den Veränderungen nicht länger zu warten. Ein Rückbau auf die Vorgängerversion wäre zudem aufwendig gewesen: "Es wäre für uns alle ein demoralisierendes Wochenende gewesen, wenn wir gewusst hätten, dass wir Leistung ungenutzt liegen gelassen haben." Sein Kollege Lewis Hamilton hatte bereits davon gesprochen, dass er die Tage zähle, bis das Upgrade da sei.

Breitere Seitenkästen, überholte Technik: Bei Mercedes ist das Upgrade deutlich sichtbar

Mercedes ist nicht als einziges Team mit einem veränderten Auto nach Monaco gereist, hier aber waren die Eingriffe besonders umfassend und augenscheinlich. Das fällt vor allem bei den Seitenkästen auf, die nicht mehr so schmal gehalten sind und in ihrer vergrößerten Version mehr in die Richtung der Konkurrenz gehen. Die Karosserie ist verändert, das tiefgreifende Paket umfasst außerdem unter anderem noch eine neue Vorderradaufhängung sowie einen überholten Unterboden. Es ist ein Neustart. "Wir gehen hier den ersten Schritt in eine neue Entwicklungsrichtung", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Es wird kein Allheilmittel sein, meiner Erfahrung nach gibt es das in unserem Sport nicht. Wir hoffen, dass es den Fahrern eine stabilere und berechenbarere Plattform bietet."

Bereits bei der Vorstellung des Wagens im Februar hatte Wolff gemeint, dass das gezeigte Auto sich bald verändern werde, bei den darauf folgenden Testfahrten in Bahrain dürfte sich bei Mercedes der Eindruck gefestigt haben, dass ein Kurswechsel nötig sein würde. Beim Saisonauftakt schließlich wurde dieser bestätigt. Wolff kündigte an: "Wir werden das Auto auf den Kopf stellen", Hamilton konstatierte: "Das Auto ist nicht lebendig genug. Wir waren nicht mal in der Nähe der Red Bulls." Die hatten mit deutlichem Abstand einen Doppelerfolg eingefahren - und damit direkt das Statement gesetzt, dass es auch in dieser Saison sehr schwierig werden dürfte, sie zu schlagen. Von fünf Rennen hat Red Bull fünf gewonnen und mit 224 Punkten in der Gesamtwertung ordentlich Puffer auf Aston Martin (102) und Mercedes (96) aufgebaut.

Formel 1: "Das Auto ist nicht lebendig genug. Wir waren nicht mal in der Nähe der Red Bulls", befand der ehemalige Weltmeister Lewis Hamilton zu seinem aktuellen Mercedes-Boliden.

"Das Auto ist nicht lebendig genug. Wir waren nicht mal in der Nähe der Red Bulls", befand der ehemalige Weltmeister Lewis Hamilton zu seinem aktuellen Mercedes-Boliden.

(Foto: Motorsport Images/Imago)

Seit der Einführung der Hybrid-Motoren-Generation 2014 hatte Mercedes dominiert und Jahr für Jahr in der Fahrer- wie auch in der Konstrukteurswertung den Weltmeistertitel gewonnen. Bis mit dem umstrittenen Abschlussrennen 2021 Max Verstappen und Red Bull den Platz an der Spitze übernahmen. In dem Jahr gewann Mercedes zwar noch als Team. 2022 brachte das veränderte Reglement jedoch einen Machtwechsel, seither grübeln sie in der Fabrik in Brackley, wie sie wieder in die Spur kommen können. Eine große Herausforderung, zusätzlich erschwert durch die Budget-Obergrenze.

Schon das schlanke Vorgängermodell W13 bereitete Probleme, beim W14 lag die Schwierigkeit für Mercedes darin, zu verstehen, warum das Auto in gewisser Weise unberechenbar geworden ist. Gute Sessions haben sich mit schwierigen abgewechselt. Das bisher beste Ergebnis war Platz zwei von Lewis Hamilton in Australien.

Ob die Maßnahmen wirklich etwas bringen, zeigt sich wohl erst nächste Woche in Barcelona

Wie viel nun die Überarbeitung wirklich bringt und mit wie viel mehr Vertrauen die beiden Piloten damit auf die Strecke gehen können, wird sich in Monaco andeuten, wirklich zeigen aber erst eine Woche später in Barcelona. Aerodynamisch, hieß es, sei im Simulator bereits ein Fortschritt zu spüren gewesen. Aber Hamilton warnte schon mal vor: "Ich muss sagen, dass diese Änderung uns nicht vor Red Bull bringen wird. Wir werden ihnen auch nicht wirklich auf den Fersen sein, aber es bringt uns auf eine Flugbahn, um sie zu einzuholen, hoffentlich."

Der 38-Jährige hat das Ziel, zum achten Mal Weltmeister und damit alleiniger Rekordhalter vor Michael Schumacher zu werden. Dass ihm Mercedes dafür nicht den passenden Dienstwagen stellen kann, brachte Gerüchte auf, Hamilton würde zu Ferrari wechseln. Sein Vertrag läuft aus, das nährte die Spekulationen. Doch seine Chancen wären bei der Scuderia gerade auch nicht besser, die viertplatzierten Italiener straucheln ebenfalls. Ferrari und Hamilton dementierten nun, Gespräche zwischen Wolff und seinem Management würden laufen, sagte er: "Ich fokussiere mich darauf, mitzuhelfen, das Auto schneller zu machen."

Was zusätzliche Energie bringen würde, wäre ein Erfolgserlebnis am Sonntag (15 Uhr, Sky). Lewis Hamilton hält in Monaco den Streckenrekord und ist mit drei Siegen der beste Fahrer im aktuellen Feld. Zuletzt war er hier 2019 der Schnellste, nach der Corona-Pause dann: Max Verstappen und Sergio Perez, beide im Red Bull.

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