Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Monte Carlo:Unruhe um Leclerc vor dem Start

Ein Unfall als Unsicherheitsfaktor: Erst kurz vor dem Großen Preis von Monaco gibt Ferrari Entwarnung - Charles Leclerc kann von ganz vorne starten. Endet seine Pechsträhne im Heimrennen?

Von Anna Dreher, Monte Carlo

Er hätte nur noch wenige Sekunden durchhalten müssen. Am Schwimmbad vorbeifahren, seinen Ferrari durch die Rascasse-Kurve manövrieren und dann in die Boxengasse einbiegen. Charles Leclerc war in der Qualifikation zum Großen Preis von Monaco so schnell gefahren wie kein anderer. Aber auf seiner letzten Runde blieb er in der Schwimmbad-Schikane mit seinem rechten Vorderreifen an einer Leitplanke hängen und knallte geradewegs in die nächste Bande. Zuerst rechts vorne, dann auch noch mit dem Heck. Und nun war die entscheidende Frage: Wie groß ist der Schaden?

Mit gesenktem Kopf lief der 23 Jahre alte Formel-1-Pilot eine jener Straßen entlang, die er gut kennt, weil er in Monte Carlo geboren wurde und aufgewachsen ist. Gerade hatte er seinen bisher größten Erfolg auf seiner Heimstrecke eingefahren. Noch nie hatte er es hier in der Formel 1 in den letzten Qualifikationsdurchgang geschafft, bei dem die besten Startplätze für das Rennen am Sonntag (15 Uhr, Sky) vergeben werden. Noch nie hat er hier die Zielflagge gesehen. Und nun, endlich, die Pole Position - für ihn und für Ferrari die erste seit Mexiko im Oktober 2019. Damit ist er in der Formel-1-Weltmeisterschaft zudem der erste Monegasse, dem dies auf dem 3,337 Kilometer langen Circuit gelungen ist.

Ob es dabei bleiben wird, war jedoch auch Stunden nach dem Qualifying noch nicht klar. Vor allem ein möglicher Getriebewechsel bereitete ihm nach seinem Crash Sorgen. Laut der Regularien des Automobilweltverbandes Fia würde das eine Strafversetzung um fünf Plätze nach hinten bedeuten, weil ein solcher Tausch erst nach sechs Rennen in Serie erlaubt ist. "Ich habe gemischte Gefühle, weil ich durch den Unfall nicht weiß, von wo ich starten werde", sagte Leclerc in der Boxengasse. "Ich hoffe, der Schaden ist nicht so groß, dass ich hinten starten muss. Wenn es bei der Pole bleibt, bin ich glücklich." Erst rund drei Stunden vor dem Start gab Ferrari schließlich Entwarnung: Keine Defekte am Getriebe, Leclerc behält die so wichtige Pole Position.

Der WM-Führende Lewis Hamilton wird Siebter - und ist frustriert

Eine Rückversetzung hätte seine Siegchancen auf dem überholunfreundlichen, engen Stadtkurs deutlich verschlechtert. In den vergangenen elf Grand Prix an der Côte d'Azur siegte achtmal derjenige, der von ganz vorne gestartet war. Ferrari ließ sich also Zeit mit der Analyse des Schadens. Am Samstagabend teilte das Team mit, dass erst am Sonntag endgültig darüber entschieden werde. Immerhin stand schon fest, dass eine erste Untersuchung keine "ernsthaften Schäden" am Getriebe ergeben habe.

Hinter Leclerc wird Max Verstappen im Red Bull als Zweiter vor Valtteri Bottas im Mercedes starten. Die ersten drei Piloten trennten nur Zehntelsekunden. Und womöglich hätte der Niederländer Leclercs Bestzeit sogar noch unterboten, doch durch dessen Unfall endete die für Verstappen entscheidende Session verfrüht.

Der WM-Führende und siebenmalige Weltmeister Lewis Hamilton landete auf Rang sieben - was die Spannung im Titelkampf zwischen ihm und Verstappen aufrechterhalten dürfte. "Das ist natürlich frustrierend", sagte Hamilton, der Probleme mit den Reifen seines Mercedes hatte. "Es gibt Dinge, die getan hätten werden sollen und nicht getan wurden. Ich will hier nicht zu kritisch mit dem Team sein, aber hinter verschlossenen Türen werde ich das. Wir müssen härter arbeiten." Aston-Martin-Pilot Vettel reihte sich hinter ihm zu seinem zweiten Top-Ten-Startplatz dieser Saison ein.

Für Ferrari war das vorläufige Ergebnis der Qualifikation, abgesehen von der Unsicherheit um das Ausmaß der Reparaturen am SF21, ein Grund zur Freude. Denn Leclercs Teamkollege Carlos Sainz wurde Vierter. So gut war die stolze Scuderia, für die 2020 katastrophal verlaufen war, schon lange nicht mehr. "Es ist eine große Überraschung für uns alle, auf der Pole Position und Platz vier zu stehen", sagte Leclerc am Samstag, der spürbar unruhig war ob der ausstehenden Schadensdiagnose. "Es ist eine Schande, dass ich in der Mauer gelandet bin. Ich war sehr emotional nach dem zweiten Training mit der Aussicht auf die Pole Position hier." Und fast schon annehmend, dass noch alles schiefgehen würde, mahnte er: "Ich hatte hier immer Pech, also abwarten."

Für Mick Schumacher verlief der Samstag zeitversetzt ähnlich. Zwei Minuten bevor das abschließende Training am Vormittag ohnehin vorbei gewesen wäre, lenkte der 22-Jährige seinen Haas am Casino vorbei, verlor die Kontrolle und landete in der Leitplanke. Am Donnerstag schon war er in dieser Passage an die Begrenzung geschlagen, hatte dabei das rechte Hinterrad beschädigt und ebenfalls für ein verfrühtes Trainingsende gesorgt.

Die Mechaniker konnten sein demoliertes Auto in den zwei Stunden bis zur Qualifikation nicht reparieren. Dabei lief es gerade so gut. Bis ihm sein bisher größter Fehler in der Formel 1 unterlief, war er Vierzehnter. Wegen eines Getriebewechsels wurde er - wie Leclerc lange auch für sich befürchtete - von der Fia um fünf Plätze nach hinten versetzt. Ohne Qualifikationsergebnis war die letzte Parkbucht aber ohnehin für Schumacher vorgesehen. "Vielleicht war ich etwas zu selbstbewusst beim Ausreizen des Limits", sagte er. "Aber es ist noch nichts verloren. Ein Rennen wie das von Monaco ist speziell, weil alles passieren kann." Darauf hoffen am Sonntag viele.

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