Formel 1:Charles Leclerc wird den Fluch los

Lesezeit: 4 Min.

"Keine Worte können beschreiben, wie ich mich fühle", sagt Charles Leclerc nach seinem ersten Monaco-Sieg. (Foto: Benoit Tessier/Reuters)

Das Rennen in Monaco beginnt mit einem spektakulären Unfall, dann gewinnt der Monegasse erstmals seinen Heim-Grand-Prix. Max Verstappen erlebt dagegen einen Nachmittag zum Vergessen.

Von Anna Dreher, Monte-Carlo

In den letzten Minuten mag Charles Leclerc diesen Gedanken langsam zugelassen haben, den er zuvor Runde um Runde hinter die hohe Konzentration geschoben hatte. Aber inzwischen war aus dem minimalen Vorsprung auf Oscar Piastri im McLaren eine komfortable Führung von mehr als sieben Sekunden gewachsen. Von hinten drohte keine Gefahr. Leclerc durfte sich jetzt nur keinen Fehler erlauben - und sein Ferrari bitte, bitte keine Faxen machen. Nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel. Und dann hatte er es tatsächlich geschafft.

"Jaaa! Jaaa! Jaaaa!", rief Leclerc, die Stimme gefüllt von Emotionalität. Dem Klang nach liefen ihm dabei hinter dem Visier Freudentränen die Wangen herunter. "Heute wird eine große Nacht, ihr bleibt besser hier", gab er per Funk erste Party-Anweisungen, bevor er, vielleicht so euphorisch wie nie, vom Auto zu seinen Mechanikern sprang: "Keine Worte können beschreiben, wie ich mich fühle. Ich habe mehr an meinen Vater gedacht als an mein Fahren. Es ist unglaublich." Sein Vater war 2017 verstorben.

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Nach so vielen Anläufen hatte der 26-Jährige geschafft, was ihm lange unmöglich erschienen war: den Großen Preis von Monaco, sein Heimrennen, zu gewinnen. Damit ist er hinter Max Verstappen (169 Punkte) nun mit 138 Zählern Zweiter in der Gesamtwertung, Lando Norris folgt auf Platz drei (113). Zum dritten Mal war Leclerc auf den Straßen, die er seit seiner Kindheit kennt, von der vordersten Position gestartet. Aber nach ernüchternden Erfahrungen bremste er sich in jeglicher Euphorie. 2021 fiel sein Ferrari auf dem Weg zum Start aus, 2022 landete Leclerc nach einem Strategiefehler auf Rang vier. Jetzt holte er sich vor Piastri und seinem Teamkollegen Carlos Sainz endlich seinen Sieg beim Rennen, das wahrlich spektakulär begann.

Nach dem frühen Unfall ist Streckenabschnitt ein Bild des Chaos

Gerade einmal 56 Sekunden waren nach dem Start vergangen, da wurde schon die rote Flagge als Zeichen des Abbruchs geschwenkt. Leclerc war von der Pole Position gut weggekommen und konnte sich schon erste Hoffnung machen, endlich den Fluch loszuwerden, der in Monaco auf ihm zu liegen schien. Während Leclerc damit beschäftigt war, sich Piastri im McLaren vom Leibe zu halten, kam der drittplatzierte Sainz aufgrund eines Reifenschadens nach einem Kontakt in der ersten Kurve von der Strecke ab und stand in der Rue Sainte-Devote: gelbe Flagge, jedoch nur kurz.

Denn im Kampf um die Positionen erwischte es im hinteren Teil des Feldes Sergio Pérez. Er fuhr mittig, was Kevin Magnussen als Einladung zum Überholen verstand. Der Däne wollte mit seinem Haas rechts vorbei, erwischte dabei aber das hintere rechte Rad des Red Bulls und schob das Auto nicht nur an, er initiierte eine Drehung. Pérez donnerte erst nach rechts gegen die Bande, dann nach links, wieder nach rechts und wirbelte dabei wie ein wilder Kreisel um die eigene Achse. Dadurch wiederum wurde auch Nico Hülkenberg, der im zweiten Haas links vorbei wollte, abgedrängt.

Ja, das war mal ein Rennwagen: Der Red Bull von Sergio Pérez muss nach dem Unfall von einem Kran abtransportiert werden. (Foto: Clive Rose/Getty Images)

Der Streckenabschnitt bot ein Bild des Chaos. Der Asphalt war übersät von Autoteilen. Der Red Bull von Pérez war völlig hinüber und zu einer Miniatur geschrumpft. Monocoque und Heck waren an dem Wrack noch erkennbar, nur das rechte Hinterrad hatte sich nicht von seiner ursprünglichen Position gelöst. Die Haas standen sich mit ein paar Metern Abstand gegenüber, der VF-24 von Hülkenberg wurde mit einem Kran abtransportiert, wie später auch der Red Bull. "Verdammt, das war unnötig", sagte Hülkenberg via Funk, und später im Fahrerlager: "Das direkt nach 500 Metern ist frustrierend und schade."

Weltmeister Verstappen erlebt das Rennen aus ungewohnter Perspektive

Das Rennen ging nach erledigten Bergungsarbeiten und Reparaturen der Leitplanken mit einem stehenden Start um 15.44 Uhr weiter - ohne Pérez, Hülkenberg, Magnussen und Esteban Ocon. Der Alpine des Franzosen war von seinem Teamkollegen Pierre Gasly angehoben worden, das Heck ragte meterhoch in die Luft. Ocon war schon bald ohne Overall zu sehen, der Schaden war zu groß. Die anderen nutzten die Pause für einen Reifenwechsel, bevor sie aus der Boxengasse zurück zum Start rollten. Die Reihenfolge vorn lautete: Leclerc, Piastri, Sainz, Lando Norris, George Russell, Max Verstappen. Versuch Nummer zwei, ohne Zwischenfall.

Leclerc hatte Piastri als eng an ihm klebenden Verfolger hinter sich, Sainz hielt ebenfalls den Anschluss, Norris folgte mit etwas mehr Abstand. Dahinter klaffte eine immer größer werdende Lücke, bis Russell und Verstappen zu sehen waren. Eine ungewöhnliche Perspektive für den eigentlich dominierenden Weltmeister. Von den bisherigen sieben Grand Prix hat er fünf gewonnen. "Das Auto ist hier wie ein Gokart", berichtete er nach der Qualifikation. "Es springt herum, absorbiert keine Kerbs, keine Bodenwellen." Der Vorsprung auf die Konkurrenz sei lange so groß gewesen, dass das Problem kaschiert werden konnte. Nun haben vor allem Ferrari und McLaren aufgeholt, hinzu kamen laut Verstappen die Besonderheiten des Stadtkurses: "Diese Strecke ist das Wort-Case-Szenario für unser Auto."

Piastri kam zwischendurch bis auf 0,2 Sekunden an Leclerc ran - jedoch nie an ihm vorbei. Die Ferrari und die zum Gedenken an den vor 30 Jahren verstorbenen Monaco-Spezialisten Ayrton Senna sonderlackierten McLaren fuhren ein Rennen im Rennen. Nach der Hälfte der Gesamtdistanz betrug der Abstand von Mercedes-Pilot Russell auf das gelb-rote Quartett mehr als 20 Sekunden. Und von hinten drohte nur bedingt Gefahr, Verstappen kreiste fast zwei Sekunden dahinter und fand selbst: "Das ist langweilig. Ich hätte mein Kopfkissen mitbringen sollen." Später kam er nah ran - aber nicht vorbei. Lance Stroll verlor in der 50. Runde noch ein Rad, ohne Folgen. Er kam an die Box, bekam einen neuen Reifen aufgezogen und fuhr weiter.

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