Mick Schumacher:Der Plan geht perfekt auf

FILE PHOTO: Italian premium sports car maker Ferrari celebrates 90 years of its racing team at Milan's Duomo square

Mick Schumacher braucht so schnell wie möglich ein Auto, damit die Schumachers den nun weltweiten Markt zurückerobern.

(Foto: REUTERS)

Fährt er wirklich bald in der Formel 1? Mick Schumacher testet den Wagen, der 2021 seiner sein könnte - und redet schon genauso wie sein berühmter Vater.

Von Philipp Schneider

La Pista di Fiorano. Einer der verschwiegensten, mythenumrankten Orte des Motorsports. Eingebettet am Ortsrand von Maranello, hat diese unauffällige Strecke vor allem Liebhaber unter denjenigen, die Geschichten suchen, die geflüstert werden, wenn die Motoren schweigen. Mick Schumacher weiß seit vielen Jahren um die Bedeutung dieses Ortes. Er ist dort hineingewachsen. Wie in den anschmeichelnden Formel-1-Sitz, der schon im Vorjahr angefertigt wurde für ihn. Als er in Bahrain erstmals in einem Auto der Königsklasse testen durfte. Weil schon da absehbar war, dass dieser junge Rennfahrer viel zu gut und schnell ist, um seiner Bestimmung davonzufahren.

Als Kind hat Mick Schumacher oft auf den Tribünen gesessen in Fiorano, hat seinem Vater beim Proben zugeschaut. Wie er um die Strecke schoss. In seinem Ferrari F2004, einem der besten Rennwagen aller Zeiten. Und wie er darin einen Rundenrekord aufstellte von 55 Sekunden und 999 Tausendsteln. Eine Zeit aus der Ära der wummernden Saugmotoren, die ziemlich sicher unerreicht bleiben wird.

Würde Enzo Ferrari noch leben, er hätte am Mittwoch zwei der 28 roten Fensterläden an der Front seines umgebauten Bauernhauses geöffnet, um das er die Rennstrecke in Fiorano eigens errichten ließ, damit er von morgens bis abends die roten Renner sehen und hören konnte. Eine ruhige Wohnlage war nicht so seine Sache. Und dann hätte Ferrari voller Neugier über die Piazza Michael Schumacher geblickt, bis zu den Garagen, wo Mick Schumacher in den wohl letzten Ferrari kletterte, der Enzo Ferrari noch Freude bereitet hätte.

Schumacher spulte hochgradig seriös seine Runden ab

Der Sohn des Rekordweltmeisters stieg in den SF71H aus dem Jahr 2018, mit dem Sebastian Vettel Zweiter wurde hinter Lewis Hamilton: ein Kraftpaket, ein Fabrikat aus den besseren Tagen der Scuderia, mit dem Vettel in Spa aus der Senke der Eau Rouge hinaufgeschossen war, als reite er eine Mondrakete. Was für eine Umstellung für den 21 Jahre alten Formel-2-Piloten! Die Formel-1-Autos haben erheblich mehr Leistung, viel effizientere Bremsen. Und wer die sensible Servolenkung anpackt wie im Opel Kadett, der macht den Abflug schneller als er denkt. Aber nicht Mick Schumacher. Er spulte hochgradig seriös seine Runden ab. Und als er nach der bestandenen Generalprobe aus dem Wagen gestiegen war, da trug er eine mindestens ebenso abgeklärte Analyse vor: "Ich fand, ich konnte heute ans Limit gehen."

Ans Limit gehen. Es war sein Vater, der diese drei Worte Anfang des Jahrtausends bei seinen Wettfahrten in die deutschen Wohnzimmer trug und dort so populär machte wie die Erkennungsmelodie des Tatorts. Wer ans Limit denkt, dem steigt noch heute Schumacher in den Sinn und nicht etwa Reinhold Messner, der das wohl gerne hätte. Und jetzt steht da 20 Jahre später der Sohn und redet genauso. Eigentlich ist es kaum auszuhalten: Mick Schumacher ist der menschgewordene Beleg dafür, dass ein Plan exakt so aufgehen kann, wie er mal gefasst wurde.

Er sagt: "Ich habe heute sehr viel lernen können für meinen Einsatz auf dem Nürburgring." Und: "Ich habe jetzt ein sehr klares Bild davon, wie ich zu fahren habe." Wer schon einmal die Chance hatte, mit diesem gedanklich so aufgeräumten Rennfahrer zu sprechen, der ahnt: Er meint das exakt so! Er hat ein klares Bild von dem Auto, das er seit ein paar Stunden kennt.

Wer Mick Schumacher heißt, hat schnell keine Kindheit mehr

Nun ließe sich argumentieren, am Mittwoch auf der Pista di Fiorano habe die Ausbildung Schumachers geendet. In der kommenden Woche, wenn er am Nürburgring erstmals in einem Freitagstraining der Formel 1 sein Fahrgeschick beweisen soll, beginne der nächste, ein ernsterer Lebensabschnitt seiner Karriere. Das wäre aber zu kurz gegriffen. Denn der Ernst begann schon in jenem Moment für ihn, als er den Tarnnamen ablegte musste, den ihm seine Eltern als junger Go-Kart-Fahrer gaben.

Als Mick Betsch war er unterwegs, unter dem Mädchennamen seiner Mutter. Später fuhr er auch als Mick Junior. Wer Mick Betsch heißt, kann eine Kindheit erleben wie Mick Betsch. Wer Mick Schumacher heißt, hat schnell keine Kindheit mehr. Er wird von der Öffentlichkeit vorher zwangsveraltert ins Erwachsenendasein. Wird ständig verglichen, stets beäugt. Bekommt die immer gleichen, verdammten Fragen gestellt. Aber die Sache hat für Mick Schumacher doch etwas Gutes: Wer wie er einen lockerleichten Umgang damit für sich findet, ständig mit dem überlebensgroßen Vater konfrontiert zu werden, der fliegt aus keiner Kurve dieser Welt mehr. Ross Brawn, der frühere Ferrari-Ingenieur und Vertraute seines Vaters, sagte nun: "Gewiss, dieser Name öffnet bestimmte Türen. Aber gleichzeitig stehst du mehr unter Beobachtung."

Schumachers Weg in die Formel 1 war schon absehbar, bevor er zum Führenden des Klassements in der Formel 2 aufstieg, der Vorschule der Königsklasse. Vermarkter Bernie Ecclestone, der alte Zampano, der bald 90 wird, besorgte seinem Vater nach dessen erster Fahrt so schnell wie möglich ein besseres Auto, verpflanzte ihn aus dem Jordan in einen Benetton, weil er den deutschen Markt erobern wollte. Und Mick Schumacher braucht so schnell wie möglich ein Auto, damit die Schumachers den nun weltweiten Markt zurückerobern.

An seinem Namen aber liegt es nicht, dass er am Nürburgring testen darf im Alfa Romeo, neben Haas eines der Kundenteams von Ferrari. Der Rennstall aus Hinwil im Zürcher Oberland besetzt traditionell ein Cockpit mit einem Nachwuchspiloten Ferraris. 2021 räumt bei Alfa Antonio Giovinazzi seinen Sitz. Der ist zwar Italiener, aber kein sonderlich schneller. Sein Cockpit wird an den Briten Callum Ilott, den Russen Robert Schwarzman - oder an Schumacher gehen. Alle drei werden ausgebildet in Ferraris Akademie. Ilott und Schwarzman haben aber weniger Punkte als Schumacher. Und vor der Villa von Enzo Ferrari ist keine Piazza nach ihren Vätern benannt.

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