Formel 1: Michael Schumacher:Auf der Suche nach dem ersten Gang

Michael Schumacher jagt seit seiner Rückkehr vergangenen Erfolgen hinterher - trotz einer ernüchternden Zwischenbilanz ist der siebenmalige Weltmeister begierig, seine Karriere fortzusetzen. Dabei verblüfft er vor dem Rennen am Nürburgring mit für ihn untypischen Eigenschaften.

René Hofmann

So ist das, selbst wenn Legenden aufeinandertreffen: Es gibt erst einmal Erklärungsbedarf. Michael Schumacher, 42, ist immer noch der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Historie. Die Nordschleife des Nürburgrings ist eine der legendärsten Rennstrecken. Und der Mercedes W196 im Stromlinienkleid, gemeinhin "Silberpfeil" genannt, ist der Rennwagen, mit dem die deutsche Firma den ersten Grand-Prix-Erfolg nach dem Zweiten Weltkrieg errang; 1954 in Reims war das, am riesigen Holzlenkrad saß Juan Manuel Fangio.

Formel 1 - GP Deutschland - Michael Schumacher

Locker, sachlich, selbstkritisch: Michael Schumacher ist milde gestimmt, obwohl längst nicht alles perfekt läuft.

(Foto: dpa)

Vor dem Großen Preis von Deutschland fanden die Drei nun zusammen. Sieben WM-Titel, 91 Grand-Prix- Siege - 290 PS, 680 kg Leergewicht - 20,832 Kilometer Asphalt. Bevor es auf die große Fahrt gehen konnte, stand aber erst einmal eine Einweisung in das kleine Einmaleins der Fahrkunst an, die ein so altes Gefährt erfordert. Ein Mechaniker wies Schumacher ein: "Der erste Gang ist links vorne." Der Routinier hörte es, knatterte vorsichtig davon - und kam begeistert zurück: "Endlich bin ich mal ein Siegerauto von Mercedes gefahren."

Eineinhalb Jahre ist es nun her, seit Michael Schumacher seine zweite Formel-1-Karriere startete. Das Projekt war auf drei Jahre angelegt. Das Rennen an diesem Sonntag auf dem Nürburgring (Qualifikation, Sa., 14 Uhr/Rennstart, So., 14 Uhr) markiert die Halbzeit der zweiten Saison und damit auch die Halbzeit der verabredeten Vertragsdauer. Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen.

Das bisher Erreichte blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Hinter den eigenen, aber auch hinter den in der Öffentlichkeit geweckten. Ein "Motorsport-Nationalteam" versprach Konzernlenker Dieter Zetsche, als er nach der Übernahme des Weltmeister-Rennstalls BrawnGP vor zwei Jahren im Firmenmuseum in Stuttgart sein neues Werksteam präsentierte. "Zusammen etwas Großes" aufbauen, das war das Ziel.

Die aktuelle WM-Statistik liest sich dagegen ernüchternd: In der Konstrukteurswertung kommt Mercedes mit 65 Punkten nur auf ein Fünftel von dem, was Spitzenreiter Red Bull gesammelt hat (328). Die Erfinder des Automobils, distanziert von einer österreichischen Getränkefirma - so sieht es aus. Bei den Fahrern rangiert Schumacher mit 28 Zählern nicht nur weit hinter dem WM-Führenden Sebastian Vettel (204), wie im vergangenen Jahr liegt er auch hinter seinem 16 Jahre jüngeren Teamkollegen Nico Rosberg (40 Punkte).

Gemessen an den Zahlen fällt Schumachers persönlich formulierte Bilanz überraschend milde aus: "Ich bin relativ zufrieden mit dem, was ich leisten und dem Team geben kann und wie ich mich vom letzten Jahr zu diesem entwickelt habe", sagt er. Und: "Mit Nico habe ich wahrscheinlich den stärksten Teamkollegen meiner aktiven Zeit."

In den jüngsten zwei Rennen, in Silverstone und in Valencia, brachte ihn jeweils eine Kollision mit einem Rivalen um eine bessere Platzierung. Weil er zuletzt häufiger aneckte, kursieren im Fahrerlager bereits muntere Spekulationen, woran das liegen könnte - von scherzhaft ("Alters-Fehlsichtigkeit?") bis technisch einfühlsam ("Ist er die Länge der neuen Autos schlicht nicht gewohnt?").

Souverän und selbstkritisch

Der einstige Vorausfahrer selbst erklärt es anders: "Ich bin die ganze Zeit in Zweikämpfe verwickelt, muss mich nach vorne kämpfen. Wie sagt man so schön: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Bei mir sind es halt Frontflügel." Ein souveräner Umgang mit eigenen Fehlern - das ist neu. In seiner ersten Formel-1-Zeit ist Michael Schumacher das selten gelungen. Damals wollte er mit dem markanten Kinn immer durch jede Wand. Inzwischen sieht es so aus, als habe er ein bisschen Geduld gelernt.

Mercedes Formula One driver Schumacher of Germany leaves his car during a practice session for the German F1 Grand Prix at the Nuerburgring circuit

Geduldig im Cockpit: Früher war Schumacher nur mit Siegen zufriedenzustellen - heute fährt er hinterher und ist trotzdem glücklich.

(Foto: REUTERS)

Dass er sich den Neustart in Silber anders vorgestellt hat, gibt er zu: "Ich hatte die Vorstellung, gleich um die Meisterschaft kämpfen zu können. Das war eine Fehlanalyse meinerseits, aber auch von manch anderem im Team." Am generellen Ziel aber habe sich nichts geändert: "Wir sind nicht da, um Plätze zu füllen, sondern um Weltmeister zu werden", sagt er. Sehr gut möglich nur, dass dies länger dauern könne als die ursprünglich veranschlagten 36 Monate. Auch, wenn er eine eindeutige Antwort verweigert und nur grinsend sagt: "War mir klar, dass die Frage kommt" - alle Indizien sig-nalisieren: Er ist nicht nur bereit, trotz einer Ausstiegsoption auch 2012 für Mercedes zu fahren. Denkbar ist sogar eine Kontraktverlängerung über das Lebensalter von 43 hinaus.

Testfahrten gibt es kaum noch. Das Verhältnis zwischen Arbeits- und Freizeit, das Schumacher mittlerweile wichtig ist, stimmt. Warum also nicht weiterfahren? "Ich fühle mich gut. Ich habe nach wie vor Motivation und Spaß. Und ich habe im Moment nicht das Gefühl, dass das Alter so agiert, dass ich auf dem absteigenden Ast bin. Im Gegenteil", sagt Schumacher. Es klingt fast wie eine Passage aus einer Bewerbung.

Woran es liegt, dass er hinterherjagt, beschreibt er mit der nüchternen Diktion eines gelernten Automechanikers: Der Schwerpunkt seines Rennwagens sitzt etwas zu hoch, die Maschine neigt dazu, die neuen Einheitsreifen nicht behutsam zu behandeln. Hinzu kamen zu Saisonbeginn aerodynamische Probleme. "Inzwischen haben wir die aussortiert", sagt Schumacher, aber die Kapazitäten seien noch nicht groß genug, um Ursachenforschung und Entwicklung gleichzeitig zu betreiben. Mit dem Auto, das er aktuell bewegt, Siege zu erwarten, sei "schwachsinnig". So klare Worte waren auch nicht immer seine Sache.

Für Altersmilde gibt es wirklich keinerlei Anzeichen, auch wenn sich in seinem Haar inzwischen durchaus einige Härchen ausmachen lassen, die in einer Farbe schimmern, die an den berühmten Ton der legendären Mercedes-Rennwagen aus den fünfziger Jahren erinnern: ein ganz helles Silber.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: