Sieben Kurven in der Formel 1:Verstappen rempelt sich um Kopf und Kragen

Der Niederländer startet mit dem stärksten Auto, doch er überdreht. Stattdessen gewinnt Hamilton - auch ohne seinen engsten Vertrauten. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Mexiko-Stadt

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Lewis Hamilton

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Quelle: AP

Der zehnte Sieg in der Saison, der 100. in der Geschichte der Silberpfeile in der Formel 1, was wäre das auch statistisch für ein schöner Rahmen gewesen, um im Autodromo Hermanos Rodriguez zum dritten Mal in Serie Weltmeister zu werden. Dass es noch nicht geklappt hat im viertletzten WM-Lauf ist nicht so schlimm für den Briten. Die Zeit spielt für ihn, schon am nächsten Wochenende in Austin hat er den nächsten Matchball. Er muss dazu nur den achten Platz holen, dann ist der einzig verbliebene mathematische Gegner Valtteri Bottas aus dem Rennen. Das erscheint unter normalen Umständen mehr als machbar.

Der Große Preis von Mexiko hat einmal mehr Hamiltons herausragende Qualität unter Beweis gestellt, auch Rennen zu gewinnen, bei denen er nicht im stärksten Auto sitzt und ihm die Umstände auch nicht in die Hände spielen. Es ist das, was man "Hammertime" nennt, diesmal war es die Ausdauerleistung, 47 von 71 Runden mit einem Satz harter Reifen durchzufahren und die Spitze zu verteidigen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff schrieb seinem Schützling schöne Sätze ins Reifezeugnis: "Wir wussten nicht, ob es reicht, es schien fast unmöglich. Aber ich habe komplettes Vertrauen in Lewis. Es ist eine Kombination von Talent und Erfahrung, die ihn zu einem wirklich großen Rennfahrer macht. Anscheinend besitzt er die großartige Fähigkeit, das Auto in kritischen Szenen in die richtige Position zu bringen." Champion-Tugenden eben.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Mexico

Quelle: Getty Images

Die Laune des Heppenheimers bessert sich, je länger die Saison dauert. Er ist wieder näher dran an Charles Leclerc, er fährt konstanter, noch nicht mit jener Souveränität wie während seiner vier WM-Triumphe, aber er spürt, dass vielleicht doch nochmal was geht mit ihm und Ferrari, irgendwann jedenfalls: "Dazu muss es nur Klick machen." Eine Motorsport-Begeisterung wie in Mexiko-Stadt wirkt da als Stimmungsverstärker: "Es ist großartig, an einem Ort zu fahren, an dem die Menschen lieben, was wir tun. Es ist schwer in Worten zu beschreiben, was man als Fahrer fühlt. Man darf angesichts der Kulisse, auf die man zurast, nur nicht das Einlenken in die Kurve vergessen."

Im viertletzten WM-Lauf war der Hesse ziemlich wach, bis auf jenen Moment am Start, als er Lewis Hamilton nach außen drückte, weil er ihn einfach nicht gesehen hatte. Die Aufmerksamkeit allerdings war hoch, als es um den ersten Boxenstopp ging. Vettel nahm, nachdem die Strategen seiner Scuderia nicht wirklich sicher wirkten, die Taktik selbst in die Hand. Er blieb einfach draußen, weil er spürte, dass die Reifen haltbarer waren als prognostiziert. Das rettete ihm den zweiten Rang. Die Überlegenheit der Mercedes-Theoretiker in dieser Saison kann er als der höchstbezahlteste Angestellte in Maranello natürlich nicht einfach so anerkennen: "Wir dachten, dass die harten Reifen bei Lewis nachlassen, was sie nie getan haben. Das hat uns überrascht. Sie waren schneller, sie waren mutiger, aber sie hatten auch Glück."

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Max Verstappen

F1 Grand Prix of Mexico

Quelle: Getty Images

Ach, wie schön wäre diese Headline für ihn gewesen: "Maxiko City". Nach der zweiten Pole-Position seiner Formel-1-Karriere stand dem dritten Sieg in Serie bei diesem Rennen nichts im Wege - außer der Niederländer selbst. Bei seinem Rundenrekord war der Red-Bull-Pilot nicht vom Gas gegangen, als Valtteri Bottas verunglückte. Darüber hätten die Rennkommissare vielleicht noch hinweggesehen, doch Verstappen redete sich bei der Pressekonferenz um Kopf und Kragen: "Mir war der Unfall bewusst. Aber ich habe nicht das Gaspedal gelupft." Dabei gelten doppelte gelbe Warnflaggen als Anweisung an die Fahrer, sich auf das Anhalten vorzubereiten. Kess interpretierte der 22-Jährige die Sicherheitsfrage auf eigene Art: "Ich glaube, dass wir wissen, was wir tun. Sonst wären wir keine Formel 1-Fahrer. In der Qualifikation gibt man Vollgas."

Mit nur drei Plätzen Rückversetzung in der Startaufstellung kam er sogar noch glimpflich davon. Aus der Rückkehr in den Rüpelmodus in seinem 99. Grand Prix wurde schnell auch der Rempelmodus. Von Rang vier aus geriet er erst Lewis Hamilton in die Quere, dann Valtteri Bottas, der ihm den Hinterreifen aufschlitzte. Neubeginn von ganz hinten, am Ende blieb ein enttäuschender sechster Rang in dem für die dünne Luft Mexikos am besten abgestimmten Auto. Sich selbst belasten ist das eine, selbst zur Belastung zu werden das andere. Die Top-Piloten höhnen, dass sie immer dann, wenn sie die Startnummer 33 sehen, einen Sicherheitsabstand halten. Lewis Hamilton gestand freimütig: "Ich hatte schon so eine Ahnung, dass er mich irgendwann torpedieren wird. Es gibt kluge Fahrer, sehr kluge und einige verhalten sich dumm..."

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Peter Bonnington

Motorsports FIA Formula One World Championship WM Weltmeisterschaft 2018 Grand Prix of Spain Pete; Peter Bonnington Hamilton Mercedes

Quelle: imago/HochZwei

Na also, Rennfahrer, die von Berufswegen zu einer gewissen Egomanie neigen, sind doch beziehungsfähig. Sogar dauerhaft. Seit sieben Jahren heißt der Mann an der Seite des bald sechsfachen Formel-1-Weltmeisters Peter Bonnington. "Er ist mein Vertrauter Nummer eins, noch nie hatte ich eine so lange Verbindung mit einem Techniker", sagt Hamilton. Der Renningenieur tüftelt das Set-Up aus, kennt die Vorlieben des Fahrers, ist wie ein Marionettenspieler. Vor allem aber der Mann, dessen Stimme über Boxenfunk einen Fahrer beruhigen oder aufstacheln kann. Ausgerechnet jetzt aber musste der Brite passen, wegen einer Operation in England bleiben.

"Er ist im Geiste mit uns hier", redete sich Hamilton seine Aufregung klein, der Partner schickte per Mobiltelefon zur weiteren Beruhigung vor dem Rennen per SMS seine Einschätzungen. Nachgerückt war Performance-Ingenieur Marcus Dudley, und manchmal wusste man nicht, ob er oder Hamilton nervöser war, nachdem die Taktiker entschieden hatten, Hamilton 47 der 71 Runden mit einem Satz Reifen durchfahren zu lassen. Dudleys Erleichterung entlud sich in einem langezogenen "Yeeeeeessssssssssss" nach der Zieldurchfahrt: "Was für ein Rennen, was für ein Job!" Hamilton dankte allen, aber besonders einem: "Dieser Sieg ist für Bono!" Ein weiterer Beweis dafür, wie ausgeglichen stark der Mannschafts-Weltmeister Mercedes ist.

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Renault

F1 Grand Prix of Hungary - Qualifying

Quelle: Lars Baron/Getty Images

Es ist einer der kuriosesten Fälle in der reichhaltigen Historie der technischen Tricksereien in der Formel 1, der dem Renault-Werksteam zum Verhängnis geworden ist. Ein sich selbst verstellendes, und damit unerlaubtes Bremsbalance-System an den Rennwagen von Nico Hülkenberg und Daniel Ricciardo brachte den beiden die nachträgliche Disqualifikation beim Rennen in Japan ein. Denn laut Formel-1-Regeln muss ein Fahrer das Auto ohne jede fremde Hilfe steuern. Die Franzosen gaben das Hilfsmittel zu, aber nicht das Fehlverhalten. Sauer war Teamchef Cyril Abiteboul vor allem wegen der Verrohung der Sitten in der Königsklasse, Renault war vom Konkurrenten Racing Point angeschwärzt worden. Man vermutete als Informantin eine Ingenieurin, die erst kürzlich von Renault zu Racing Point gewechselt war.

Tatsächlich aber hatte der Video-Beweis gegriffen, allerdings ein unfreiwilliger. Bei einem Werbefilmtag vor der Saison war Ricciardo mit einer GoPro-Kamera auf dem Helm unterwegs gewesen, die Bilder vom Lenkrad-Display lieferte. Dort war wohl gestochen scharf zu sehen, dass Ricciardo auf der ganzen Runde nicht einmal den Schalter für die Balancekorrektur berührte. Daraufhin studierten die Ingenieure auch die Bordkamera-Aufnahmen während der Rennen, die für alle Teams zugänglich sind. Siehe da, auch dort keine typischen Handbewegungen. Erwischt! Der peinliche Vorfall kommt zur Unzeit, denn gerade jetzt überprüft die neue Renault-Vorstandschaft das Formel-1-Engagement. Auf juristische Schlagzeilen reagiert man im französischen Staatskonzern gerade besonders empfindlich - auch, weil die sportlichen schon so lange ausbleiben.

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Mexiko

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Quelle: AFP

Große Nachrichten seien das für sein Land gewesen, sagt der Rennfahrer Sergio Perez, dass die Formel 1 den Gastspielkontrakt im Autodromo Hermanos Rodriguez um drei Jahre verlängert habe. Noch bessere Nachrichten sind es aber für den 29-jährigen Piloten von Racing Point selbst - um einen Lokalmatador zu haben, wurde auch sein Vertrag verlängert. Das Rennen in Mexiko, seit 2015 wieder im Kalender, wird regelmäßig zum beliebtesten Rennen der Saison gewählt. Außerdem ist es wie am Sonntag, als Perez einen wirklich starken siebten Platz herausfahren konnte, meistens mit 140 000 Zuschauern ausverkauft. "Best of the rest" zu sein, war für Perez wie ein Sieg, und in der riesigen Arena erhöhten sich die Dezibel des Jubels deshalb nochmal gewaltig.

Die Stimmung ist sogar mitreißender als in Monza, auch wenn die DJs und das Bier aus Holland importiert werden. Trotzdem stand der Gran Premio zusammen mit Barcelona und Hockenheim auf der Kippe, denn in der Formel 1 wiegt die Höhe der Antrittsgelder deutlich schwerer als die Höhe der Rennstrecke, in der Mexiko-Stadt mit 2250 Metern über Null konkurrenzlos vorn gelegen hätte. Der Staat aber wollte keine Zuschüsse mehr geben. Trotzdem hat Bürgermeisterin Claudia Sheinbaum es geschafft, was im Badischen offenbar nicht möglich war: ein Finanzierungsmodell zu schaffen, in dem private Investoren den Anteil der öffentlichen Hand übernehmen. Besonders wichtig bei dem Deal, der den Verbleib im Rennkalender bis 2022 sichert: die Eintrittspreise müssen nicht erhöht werden.

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of Mexico

Quelle: Getty Images

Schwarze Sichtblenden vor dem Garagentor, ein ebenso dunkles Tuch über dem sonst so glänzenden Silberpfeil, vom Chauffeur ist auch nichts zu sehen, er allerdings befindet sich zu dieser Zeit am Vorabend des mexikanischen Grand Prix in einem rein weißen Raum, dem Streckenhospital, um das schmerzende rechte Knie untersuchen zu lassen. Alles keine guten Vorboten, um den ersten Matchball von Lewis Hamilton richtig abzuschmettern. Der Finne hatte mit seinem heftigen Qualifikationscrash und dem daraus resultierenden sechsten Startplatz schon am Samstag praktisch alle Chancen eingebüßt, den Rückstand von 64 Punkten auf die Nummer eins im Team und der WM-Wertung etwas zu verringern. (Er hat sich erhöht, auf 74 Zähler).

Gleiche Chancen für beide Fahrer hat Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ausgelobt, aber Stallorder wäre ohnehin nicht nötig gewesen. Bei seiner Fahrt auf den sehr ordentlichen dritten Rang im Rennen hat Bottas bewiesen, warum er ein sehr guter zweiter Mann ist. Die Meisterleistung gebührte den Mercedes-Mechanikern, die in Rekordzeit ein ungewöhnlich stark zerstörtes wieder hinbekamen. Dieser Enthusiasmus wollte nicht so recht auf den Chauffeur übergreifen, der eher lethargisch hinnahm, wie seine kleine Chance auf den Titelgewinn zu einer klitzekleinen geschrumpft ist.

© SZ.de/jki
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