Formel 1 in Mexiko:Perez ahnt, dass das Ende naht

Lesezeit: 4 Min.

„Man vergisst leicht, wie schön es zu Hause ist“: Sergio Perez. (Foto: Jared C. Tilton/Getty)

Vor seinem Heim-Grand-Prix in Mexiko dämmert es Sergio Perez, dass seine Zeit bei Red Bull bald enden könnte. Mit dem Auto kommt er schlechter zurecht als sein Teamkollege - der Neuseeländer Liam Lawson könnte ihn beerben.

Von Elmar Brümmer

Eine bessere Bühne als das Autodromo Hermanos Rodriguez gibt es in der ganzen Formel 1 nicht, sorry Las Vegas. Am Ende jeder Runde biegen die Formel-1-Rennwagen in das Foro Sol ein, ein Baseballstadion mit steilen Rängen. An die 40 000 Fans übertönen den Motorensound, das Temperament der mexikanischen Zuschauer greift auf die Formel 1 über. Durchs Fahrerlager ziehen Mariachi-Bands, riesige Totenschädel aus Pappmaché huldigen dem Día de Muertos, für den 20. WM-Lauf ist ganz generell das Motto F1esta ausgerufen worden.

Der passende Rahmen also für Fernando Alonso, der am Sonntag zum 400. Mal an einem Grand Prix teilnehmen wird. Und für Sergio Perez das schönste Ereignis des Jahres. „Wir sind so viel in aller Welt unterwegs, das ganze Jahr über, da vergisst man leicht, wie schön es zu Hause ist“, sagt der Mexikaner in Diensten von Red Bull Racing. Er versucht die Anspannung tapfer wegzulächeln, aber wenn er sich unbeobachtet fühlt, knetet Perez nervös die Hände, blickt dabei grüblerisch zu Boden. Eine Vorahnung, dass es sein letzter Aufritt vor eigenem Publikum sein könnte?

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Leichtes Unwohlsein befreit den Jubilar Alonso davon, über die Zahl 400 zu sprechen. Nicht, weil sie ihn alt aussehen lässt, sondern weil der ehemalige große Gegenspieler von Michael Schumacher niemals ein Rennen fahren würde, nur um teilzunehmen. Der Grundsatz des Spaniers ist der: „Ich würde lieber die Hälfte dieser 400 Rennen fahren und dafür noch eine Meisterschaft oder mehr Rennen gewinnen.“ Dem dritten Titel jagt er seit 2006 hinterher, er hegt die leise Hoffnung, dass sich daran mit Stardesigner Adrian Newey in den kommenden beiden Jahren noch etwas ändern könnte. Nach wie vor gilt er als eines der großen Alphatiere auf und neben der Strecke. Doch die laufende Saison im Aston Martin ist ein Albtraum, er ist lediglich Neunter mit 62 Punkten.

„Sein Problem ist die Inkonstanz", grantelt Red Bulls Boss

Vergleichsweise ähnlich mies läuft das Rennjahr für Sergio Perez. Der stand letztmals im April auf dem Podium, kommt bislang auf 150 Punkte. Zum Vergleich: Max Verstappen hat 204 mehr auf dem Konto, obwohl das Auto des Weltmeisters ebenso unbalanciert und launisch ist. „Sein Problem ist die Inkonstanz, die Lücke zu Max bei den Rundenzeiten war recht groß“, grantelt Red Bulls oberster Personalsachbearbeiter Helmut Marko. So lässt sich eine Form- und Identitätskrise auch umschreiben.

Perez weiß genau, dass er seinem Arbeitgeber damit den lukrativen Konstrukteurstitel kosten dürfte, McLaren und Ferrari sind ausgeglichen stärker besetzt. An der Formkrise hat nicht mal der Zweijahresvertrag, den Checo im Sommer überraschend angeboten bekommen hatte, etwas ändern können. Jetzt ist das Motivationsmanagement im Getränkerennstall umgeschwenkt: Perez wird durch potenzielle Nachfolger, die sich im Juniorteam der Racing Bulls warmfahren dürfen, unter Druck gesetzt.

„Schrecklich“, sagt Sergio Perez selbst über die Leiden, die bei ihm bislang kein Ende nehmen wollen. In Mexiko-Stadt bilanziert er, dass es wirklich gut angefangen habe, es dann aber sehr, sehr schwierig geworden sei. Er beschwört die Hoffnung: „Wenn ich ein starkes Ergebnis einfahre, kann das meine Saison noch einmal massiv verändern.“ Doch dann wird er sentimental, als ob schon alles vorbei wäre: „Der Moment, als ich mit meinem Sohn hier auf dem Podium stand, wird mir für immer in Erinnerung bleiben.“ Er träumt davon, das Kunststück von 2021 und 2022, als er jeweils Dritter wurde, an diesem Wochenende zu wiederholen.

Ein Rücktritt wäre die eleganteste Lösung für beide Seiten

Seit dem letzten Rennen vor Wochenfrist in Austin, als er sich als Achter ins Ziel geschleppt hat, gewinnen die Gerüchte an Nahrung, dass der 34-Jährige seinen Rücktritt erklären könnte. Es wäre die eleganteste Lösung für beide Seiten. Das Team könnte den Neuaufbau vorantreiben, Perez würde sein Gesicht wahren, ohne die Schmach einer Entlassung zu erleiden. Es ist ja nicht nur so, dass der Rennfahrer technisch nicht klarkommt, auch sonst ergibt sich aus der jahrelangen Reibung zwischen Team und Fahrer nicht die nötige menschliche Wärme.

Der Neuseeländer Liam Lawson, 22, gilt als Kandidat für das zweite Cockpit neben Max Verstappen. Vielleicht sogar nicht erst im nächsten Jahr, sondern schon bald. Lawson war zuletzt in Texas wegen Motorenstrafen vom 19. Rang losgefahren, am Ende wurde er Neunter hinter Perez, in einem deutlich schlechteren Auto. Das erhöht den Druck natürlich. Und auch der Japaner Yuki Tsunoda, der schon länger auf eine Beförderung lauert, macht Perez aus der Ferne das Leben schwer. Er weiß die Macht des Honda-Konzerns in seinem Rücken.

Sergio Perez versucht die für ihn missliche Situation mit Tapferkeit zu kompensieren: „Ich werde alles tun, um mein Land am Sonntag zum Lächeln zu bringen.“ Die Rücktrittsgerüchte versucht er mit aller Vehemenz zu kontern, zu der er vor dem 277. Rennen seiner Karriere noch fähig ist. In den sozialen Medien hat er einen Ausschnitt aus dem Hollywood-Film „Wolf of Wall Street“ gepostet, in dem Leonardo DiCaprio seiner zweifelnden Belegschaft kämpferisch entgegen brüllt: „Ich gehe verdammt noch mal nicht weg!“

Fernando Alonso, der in seiner langen Karriere auch eine Menge unglücklicher Cockpit-Erlebnisse, heftiger Konfrontationen und Krisen mit seinen Rennställen gesammelt hat, mag sich lieber nicht mehr erinnern, auch an die Kontroversen nicht. Der Sport sei viel zu schnell, um zurückzublicken. Für ein letztes Rennen, wann immer das sein wird, vermutlich später als bei Perez, hat der 43-Jährige bereits den perfekten Plan: Es soll ein Go-Kart-Rennen sein, und die drei Fahrer, die er als Gegner einladen würde, sind Max Verstappen, Lewis Hamilton und Rallye-Champion Sébastien Ogier.

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