Dieses Rennen, das stand schon fest, bevor die Ampeln des Autodromo Hermanos Rodriguez ausgingen, würde einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern der Formel 1 einnehmen. Ganz unabhängig davon, wer nach den 71 Runden auf dem Podium landen würde. Denn für Fernando Alonso war es ein Jubiläums-Grand-Prix in einer Dimension, die selbst ihn als abgebrühtes Alphatier des Motorsports beeindruckt haben dürfte. Der 43-Jährige ist nun der Fahrer mit den meisten Starts, stolze 400 an der Zahl, während derer er es 2005 und 2006 zum Weltmeister geschafft hat.
Er wurde gefeiert dafür in der Rennwoche von Mexiko, ihm selbst war dann aber schon bald nicht mehr nach Party zumute: Wegen Problemen an seinem Auto musste er nach 16 Runden seinen Aston Martin in der Garage abstellen und den mit Erinnerungsfotos vollgepackten Helm abziehen. „Wir müssen die Latte höher hängen und mehr Leistung zeigen. Aber ich denke, wir kommen stärker zurück und sind hungriger denn je“, sagte Alonso sofort kämpferisch. Und immerhin bekam er als Zuschauer ein unterhaltsames Rennen geliefert.
Formel 1 in Mexiko:Perez ahnt, dass das Ende naht
Vor seinem Heim-Grand-Prix in Mexiko dämmert es Sergio Perez, dass seine Zeit bei Red Bull bald enden könnte. Mit dem Auto kommt er schlechter zurecht als sein Teamkollege - der Neuseeländer Liam Lawson könnte ihn beerben.
Denn bis Carlos Sainz mit seinem Ferrari ein dominantes Wochenende mit dem Sieg krönte und 4,7 Sekunden hinter ihm Lando Norris im McLaren und Charles Leclerc im zweiten Ferrari über die Ziellinie fuhren, geschah eine Menge. Die Scuderia hat einmal mehr ihre wiederentdeckte Stärke bewiesen. In der Konstrukteurswertung liegt sie mit 537 Punkten nun hinter McLaren (566) und vor Red Bull (512). „Ich wollte das schaffen, ich habe es auch gebraucht für mich selbst“, sagte Sainz freudestrahlend. „Ich wollte noch mindestens einen Sieg, bevor ich Ferrari verlasse.“ Nächste Saison fährt der 30-Jährige bei Williams, weil Lewis Hamilton von Mercedes zu den Italienern kommt.
In der Weltmeisterschaftswertung der Fahrer konnte Norris als Zweiter den Rückstand auf Titelverteidiger Max Verstappen verkürzen, für den es an diesem Tag nur zu Platz sechs reichte: Er hat nun 315 Punkte gesammelt, Verstappen 362. Vier Rennen werden noch gefahren. Und die beiden waren neben den Ferrari-Piloten auch diejenigen, die am Sonntag besonders im Fokus standen. „Es war ein sehr hartes Rennen“, sagte Norris im Ziel. „Ich wollte so etwas nicht erwarten, denn ich respektiere Max sehr als Fahrer. Trotzdem habe ich so etwas erwartet.“ Vergangene Woche erst hatten sich die beiden in Austin einen harten Kampf geliefert. In den USA hatte Norris eine Zeitstrafe für das entscheidende Manöver gegen Verstappen kassiert und dadurch den dritten Platz an den Niederländer verloren. Diesmal hatte Verstappen das Nachsehen. Doch der Reihe nach.
„Dieser Typ ist gefährlich“, funkt Lando Norris seinem Kommandostand zu - und meint Kumpel Max Verstappen
Kaum hatte das 20. Rennen dieser Saison begonnen, wurde es auch schon unterbrochen. Sainz hatte den Start verloren, so sah es zumindest aus. Im dichten Gedränge wurde er im Duell mit dem zweitplatzierten Verstappen nach außen gedrückt, er musste die Abkürzung über die Wiese neben der Strecke nehmen. Weil Abkürzungen in der Formel 1 nicht erlaubt sind, gab er die Führung schnell wieder ab, um keine Strafe zu riskieren. Dadurch war Verstappen ganz vorn, hinter Sainz folgte Norris, dahinter Leclerc, verfolgt von den beiden Mercedes von George Russell und Lewis Hamilton. Im Tumult um die besten Positionen hatte es einen Crash gegeben: Yuki Tsunoda knallte in die Bande, Alex Albon stand ebenfalls am Streckenrand. Das Safety Car kam und versammelte 18 Autos hinter sich.
In der sechsten Runde waren die beiden Boliden geborgen, alle Trümmerteile aufgeräumt. Verstappen bretterte direkt weg, drei Runden konnte er die freie Sicht genießen. Dann holte Sainz auf der Geraden viel Schwung - und zog in der ersten Kurve mutig am Weltmeister vorbei. „Ich dachte mir, ich habe nichts zu verlieren“, kommentierte er die Szene später lächelnd. So einfach kann das sein, wenn man ein starkes Auto lenkt. Für Sainz ging es um den Sieg und Prestige, für Verstappen und Norris um relevante Punkte im Titelkampf. Entsprechend viel Würze ist in den vergangenen Wochen in die Freundschaft der beiden gekommen. Und entsprechend hart begegneten sie sich auch in Mexiko auf dem Kurs.
In der zehnten Runde wollte Norris vorbei am Red Bull. Verstappen hatte zuvor über Batterieprobleme geklagt. Er wusste also, dass es seinem Auto an Power fehlte. Der Zweikampf eskalierte in den Kurven vier und sieben. Erst drückte Verstappen seinen Kontrahenten als Verteidigungsmanöver von der Strecke. Trotzdem schob Norris sich vorbei. Das konnte der ehrgeizige Verstappen natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Beim Konter schob der Niederländer den McLaren wieder zur Seite, diesmal gerieten beide Autos in die Auslaufzone. Lachender Gewinner in dieser Szene war Leclerc, der nun mit Sainz eine vergnügte Ferrari-Doppelspitze bildete. Dann ging der Funkverkehr los.
Verstappen wird auch für das zweite Manöver mit zehn Sekunden bestraft. „Das ist so dumm“, entfährt es dem Weltmeister
„Ich war den ganzen Weg durch die Kurve vorne! Dieser Typ ist gefährlich“, sagte Norris seinem Kommandostand: „Ich habe nur versucht, einen Unfall zu vermeiden.“ Verstappen fuhr hart, als WM-Führender hätte er sich einen Unfall beider Wagen besser leisten können als sein Titelkonkurrent. Dieses Risiko ging er ein. Für seine Kompromisslosigkeit ist der 27-Jährige bekannt, auch diese hat ihn zum dreimaligen Weltmeister gemacht. Für Norris war die Sache hingegen mehr als hartes Racing. Die Regelhüter schauten sich die Szenen an, bis zur Bekanntgabe verging etwas Zeit. Dann kam die Mitteilung des Automobilweltverbands Fia: zehn Strafsekunden an Verstappen für das Manöver in Kurve vier. Während die Info kam, sagte McLaren-Boss Zak Brown im Sender Sky: „Das ist lächerlich, er hat jetzt die Strafe bekommen, die überfällig war. Es gibt irgendwo eine Grenze, irgendwann wird es gefährlich und unsportlich.“
Verstappen, der zuletzt ein angespanntes Verhältnis zum Weltverband Fia pflegte, reagierte entsprechend sarkastisch: „Verdammt, das ist doch mal beeindruckend.“ Bald danach meldete sich seine Box wieder per Funk bei ihm mit einem Update: Auch für das Manöver in Kurve sieben hatten ihm die Stewarts eine Strafe aufgebrummt, nochmals zehn Sekunden. „Das ist so dumm“, entfuhr es Verstappen. Später gab er noch zu Protokoll: „20 Sekunden ist ganz schön viel. Aber das größte Problem heute und meine größte Sorge insgesamt ist die Rennpace.“ Nach 27 Umläufen bog er an die Box. Nun lautete die Reihenfolge: Sainz, Leclerc, Norris, dahinter die Mercedes' von George Russell und Lewis Hamilton. Die Abstände waren so groß, dass hier erst einmal nichts passierte.
Wie bei der Box von Red Bull. Denn die Mechaniker standen zwar dicht am Wagen von Verstappen - allerdings wie zu Salzsäulen erstarrt. Denn 20 Sekunden mussten ablaufen, ehe sie die Reifen wechseln durften. Sie beeilten sich, aber das half nicht viel: Als Verstappen auf die Strecke zurückkam, war er nur noch Fünfzehnter. Eine Position vor Teamkollege Sergio Perez, dessen Heimrennen miserabel gelaufen war.
Ein Fahrer nach dem anderen ließ sich frische Pneus aufziehen, an der Reihenfolge der Spitze änderte das zunächst nichts. Als Leclerc in Runde 32 in der Box war, hatte Sainz satte 31 Sekunden Vorsprung auf den Monegassen. Eine Runde später bog auch Sainz ab, die Führung behielt er vor Leclerc und Norris. Weiter hinten arbeitete sich Verstappen emsig und sicher mit einer großen Portion Wut im Bauch nach vorn, nach 35 Runden hatte er es bis auf Platz neun geschafft. Auch Norris arbeitete sich nach vorn, immer näher kam er an den Ferrari von Leclerc ran - bis er in der 62. Runde geradezu an ihm klebte und ihn am Ende beim Abbiegen auf die Start-Ziel-Gerade überholte. Leclerc hatte am Kurvenausgang das Heck verloren, dadurch kam er von der Strecke ab und ruckelte links davon weiter. Der Grand Prix hätte hier kurz vor Schluss für ihn vorbei sein können - doch er behielt die Kontrolle und rundete das Ferrari-Feier-Wochenende ab. Der einzige Deutsche Nico Hülkenberg wurde Neunter.