Formel 1:Beifahrer als Königsmacher

F1 Grand Prix of Mexico - Practice

Bunte Geschichte in Mexiko: Sergio Perez auf seiner Heimatstrecke in Mexiko.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Im spannenden WM-Endspurt wird die Rolle von Sergio Perez und Valtteri Bottas bei Red Bull und Mercedes deutlich aufgewertet. Vor dem Rennen in Mexiko ergibt sich dank Bottas eine interessante Konstellation.

Von Elmar Brümmer

Im besten Auto der Formel 1 sitzen, aber trotzdem nur zweite Wahl zu sein, das ist hart. Es ist freilich der Alltag für Sergio Perez, dem Mann hinter WM-Spitzenreiter Max Verstappen, und für Valtteri Bottas, den Teamkollegen von Lewis Hamilton. Doch im Endspurt einer Weltmeisterschaft, die zu den spannendsten des Jahrtausends zählt, wird die Rolle der Schattenmänner bei Red Bull Racing und im Werksteam von Mercedes deutlich aufgewertet: von Beifahrern zu Königsmachern.

Valtteri Bottas hat am Samstagabend im Autodromo Hermanos Rodriguez unverhofft den besten Job von allen gemacht und startet aus der Pole-Position in den Großen Preis von Mexiko - mit einem Vorsprung von 0,145 Sekunden auf Lewis Hamilton. Den beiden Mercedes-Fahrern ist damit in der Qualifikation im Zusammenspiel eine grandiose Trendwende gegen die hoch favorisierten Rennwagen von Red Bull gelungen. Max Verstappen musste sich mit einem aus der Balance geratenen Auto und nach einer Behinderung in der letzten Runde mit Rang drei zufriedengeben. Sein Adjudant Sergio Perez reihte sich ebenfalls nach einem Fehler nur als Vierter ein. Damit haben Hamilton und Bottas alle strategischen Optionen fürs Rennen. "Ich bin stolz auf ihn", sagte Hamilton.

Die beiden Männer, für die der Brasilianer Rubens Barrichello einmal die Schmäh-Berufsbezeichnung "1b-Fahrer" gewählt hat, kommen zur rechten Zeit wieder in Form: Bottas hat kürzlich in der Türkei seinen ersten Grand Prix seit einem Jahr gewonnen, Perez ist zuletzt in Austin zum zweiten Mal in Folge aufs Podium gefahren. Während die Leistungen des Finnen über die Saison hinweg so stark schwanken, dass sie regelmäßig durch übermäßiges Lob vom Kommandostand kompensiert werden mussten, emanzipiert sich der Mexikaner in kleinen Schritten.

Formel 1: Haben derzeit gute Gründe, mit dem Mexikaner Sergio Perez (mitte) zufrieden zu sein: die RedBull-Strippenzieher Christian Horner und Helmut Marko (rechts).

Haben derzeit gute Gründe, mit dem Mexikaner Sergio Perez (mitte) zufrieden zu sein: die RedBull-Strippenzieher Christian Horner und Helmut Marko (rechts).

(Foto: PEDRO PARDO/AFP)

"Was immer er zum Frühstück hatte, er sollte das weiterhin essen", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner über Perez, dessen Vertragsverlängerung im Frühsommer noch zur Debatte gestanden hatte. Inzwischen ist der 31-Jährige auch taktisch wichtig für Verstappens Titelchancen. Ob er nun wie in Istanbul Hamilton in einem Rad-an-Rad-Duell direkt hinter sich hält oder ob er Verstappen für siegreiche Boxenstopp-Varianten wie in Austin den Rücken frei hält, auf diese Konstanz kommt es jetzt an. Dann wird aus der Egoisten-Disziplin Formel 1 echter Mannschaftssport. In den letzten fünf Rennen kommt es auf die richtige Loyalität und Leistung gleichermaßen an. Deshalb ist es auch für die Führungskräfte keine einfache Balance: der Nebenmann sollte irgendwie bei Laune gehalten werden.

Legendär: das Scharmützel zwischen Häkkinen und Coulthard

Ebenso legendär wie bezeichnend für das fragile Verhältnis zwischen der Nummer Eins und der Nummer Zwei in einem Rennstall ist die Geschichte von Mika Häkkinen und David Coulthard bei McLaren-Mercedes. Beim Saisonstart 1998 in Melbourne kommt der Finne zum Reifenwechsel an die Box, aber die Mechaniker fehlen. Das Team nimmt die Panne auf sich, aber Häkkinen hat die Führung an Coulthard verloren. Der soll sie jetzt auf Geheiß des Kommandostands wieder hergeben. Will er aber nicht: "Für mich sah das so aus wie ein Fehler von Mika." Der Schotte fordert frech das Preisgeld für den Sieg, wenn er sich wieder zurückfallen lassen soll. Erst als ihm das zugesichert wird, lässt er Häkkinen vorbei.

Ähnlich schwer haben solche Teamorder-Aktionen auch Rubens Barrichello an der Seite von Michael Schumacher bei Ferrari genommen, oder der Australier Mark Webber im internen Duell mit Sebastian Vettel während der ersten Red-Bull-Hochphase. Sie fügten sich der Teamräson, wenn überhaupt, nur unter Zwang. Dass sich die beiden Deutschen gegen ihre Gegner jeweils durchsetzen konnten, hatte aber klar mit deren sportlicher Überlegenheit zu tun. Bei Verstappen und Hamilton ist dieses Mehr an Leistung ebenfalls gegeben. Klare Verhältnisse, aber trotzdem eine gewisse Abhängigkeit.

Eine deutliche Überlegenheit und klare Rangordnung ist die beste Voraussetzung dafür, dass Teamkollegen miteinander klarkommen

Beispiel Valtteri Bottas: der Finne kommt in den fünf gemeinsamen Mercedes-Jahren auf nur etwa 70 Prozent der Punkte, die Hamilton geholt hat. Eine deutliche Überlegenheit und klare Rangordnung ist die beste Voraussetzung dafür, dass Teamkollegen miteinander klarkommen. Kein Wunder, dass Hamilton davon schwärmt, dass Bottas der beste Partner sei, den er je hatte. Der Rekordweltmeister meint das nicht mal zynisch, es geht dabei immer auch um die Vertrauensfrage. Valtteri Bottas ist kein Revoluzzer, er frisst den Frust eher in sich rein als der mehrfach von Hamilton gedemütigte Nico Rosberg.

Trotzdem hat der Nordländer von der Rolle als "Wingman" jetzt die Nase voll. Der 32-Jährige wechselt im kommenden Jahr zum Schweizer Rennstall Alfa Romeo, wo er selbst für eine Leader-Rolle vorgesehen ist. Bottas führt übrigens im direkten Stellvertreter-Duell gegen Perez momentan mit 35 Zählern Vorsprung und ist WM-Dritter.

Die Mexikaner hegen den Traum von ersten Heimsieg

Während Bottas schon vom Naturell her eher unauffällig, aber meist höchst effizient reagiert, gibt sich Perez mehr der Leidenschaft hin - das Nord-Süd-Klischee greift bei den beiden Assistenten. Allerdings ist der Mexikaner nicht mehr so unberechenbar wie in seinen Anfangsjahren. In seiner mittlerweile elften Formel-1-Saison hatte er zunächst Verstappens Fahrzeugabstimmung einfach übernommen. Doch es war, als würde er gegen einen unsichtbaren Auto-Piloten fahren, zu unterschiedlich waren die Fahrstile. Jetzt verfolgt er eine andere Linie: "Ich will auf Dauer mehr mein eigenes Ding machen." Da sich dieser Strategiewechsel im richtigen Moment auch in Resultate niederschlägt, lassen ihn die Ingenieure gewähren.

Auch mit Startplatz vier kann Sergio Perez davon träumen, was noch keinem Mexikaner gelungen ist - einen Großen Preis im eigenen Land zu gewinnen. Möglich dürfte das allerdings nur werden, wenn zugleich Verstappen keine Chance mehr auf den Erfolg haben sollte. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Teamkollegen wäre eine interessante Probe aufs Exempel, ob der von Perez formulierte Mannschaftsgeist auch im Ernstfall gilt: "Ich fahre immer für meinen Rennstall, und Max ist Teil davon. Jeder im Team will, dass er gewinnt, denn das kommt uns allen zu Gute. Dafür geben wir alles."

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