Formel 1:Mit der Nettigkeit ist es vorbei

F1 Grand Prix of Russia

Die Hand auf der Schulter, eine Geste des Respekts? Die Formel-1-Führenden Valtteri Bottas (li.) und Lewis Hamilton sind nun Konkurrenten.

(Foto: Charles Coates/Getty Images)
  • Am Sonntag steht das nächste Formel-1-Rennen in Barcelona an - und da krachte es vor drei Jahren bei Mercedes.
  • Auch diesmal sind im Team zwei starke Fahrer mit großem Vorsprung. Es könnte wieder richtig Streit geben.
  • Lewis Hamilton und Valtteri Bottas beschwichtigen, doch die Teamleitung sagt: "Wir müssen aufpassen."

Von Philipp Schneider, Barcelona

Irritiert sieht Sebastian Vettel nicht aus. Er überlegt. Interessante Frage. Was denn wohl der gewöhnliche Straßenverkehrsteilnehmer lernen könne von den Fahrern der Formel 1?

Hm, sagt Vettel, also: Offensichtlich würden er und seine Rennfahrerkollegen allzeit so schnell fahren wie möglich. Insofern tauge ihr Verhalten wohl schlecht als Vorbild. Neben Vettel sitzt der Spanier Carlos Sainz. Auf der Straße, sagt Sainz, dürfe man sich niemals wie ein Idiot verhalten. Man müsse stets alle Verkehrsteilnehmer respektieren. Und immer den Anschnallgurt tragen! Neben Sainz wartet Valtteri Bottas, der Mercedes-Fahrer aus Finnland, der nach vier gefahrenen Rennen die WM-Wertung anführt, mit einem Punkt Vorsprung vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Bottas hatte ein bisschen mehr Zeit, um über eine Antwort nachzudenken. Und wenn Bottas eine gute Idee hat, nehmen seine himmelblauen Augen noch an Umfang zu. "Wir haben ja nie Handys in den Autos!", sagt Bottas. "Das ist etwas, das man von uns lernen kann."

"F1 drivers advocate for Road Safety", heißt die Kampagne, mit der sich die Formel 1 an der fünften Aktionswoche der Vereinten Nationen zur Erhöhung der globalen Verkehrssicherheit beteiligt. Im Vorfeld haben die Fahrer ein Video über Fairness gedreht. Und nun gaben sie auf der Pressekonferenz vor dem Grand Prix in Spanien brav Ratschläge zur Verbesserung der Sicherheit auf den Landstraßen dieser Welt. Reiner Zufall selbstredend, dass die Aktionswoche zeitlich mit dem Rennen auf dem Circuit de Catalunya zusammenfällt. Einer Rennstrecke, auf der das Überholen sehr schwierig ist. Und auf der sich vor drei Jahren ein sagenhaft sinnloser Crash ereignete, an den sich Toto Wolff, der Teamchef von Mercedes, in diesen Tagen wieder erinnert fühlte.

Als Hamilton und Rosberg sich von der Strecke räumten

Damals räumten sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg in der ersten Runde von der Strecke, drehten mit ihren Silberpfeilen Kreise im Kiesbett und fielen aus. Es war der Auftakt einer Saison, in der aus den einstigen Teamkollegen Feinde wurden. Einem Jahr, in dem sich Rosberg und Hamilton bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi mit allen Mitteln bekriegten, die einem Rennfahrer gegeben sind. Noch auf den letzten Kilometern der Saison versuchte Hamilton Rosbergs Weltmeisterschaft zu verhindern, indem er absichtlich langsam fuhr, um seinen Stallrivalen in die Fänge der Verfolger zu treiben. Grob unsportlich war das. Und auch noch vergebens.

Lange her, findet Lewis Hamilton. Am Donnerstag sitzt er im Motorhome von Mercedes und hält Hof. Trotz sommerlicher Temperaturen um die 20 Grad trägt er auf dem Kopf eine schwarze Wollmütze, mit der es sich am Polarkreis für eine Weile überleben ließe. "Drei Jahre ist das her. Ich bin seitdem dank meiner Erfahrungen sehr gewachsen", sagt Hamilton. "Ich bin sowohl außerhalb als auch innerhalb des Autos eine viel stärkere Person als ich es damals war." Gewiss. Dennoch: "Es erinnert mich schon ein bisschen an diese Situation", sagt Wolff. Er meint die Rosberg-Hamilton-Situation. Noch sei das Betragen seiner führenden Angestellten zwar tadellos. "Da laufen kaum Spielchen im Hintergrund, darüber bin ich sehr froh." Aber es sei auch so: "Wir müssen aufpassen, weil wir schon einmal eine Beziehung in die Brüche gehen sahen", sagt Wolff.

"Mein Selbstvertrauen ist intakt"

Es bedarf zweier Zutaten, ehe in der Formel 1 aus Garagennachbarn enthemmte Krieger werden. Erstens muss ein Team der Konkurrenz so weit enteilt sein, dass ohnehin klar ist, dass einer seiner zwei Piloten die Weltmeisterschaft gewinnen wird. Nach vier Doppelerfolgen in Serie, was es in der Geschichte der Formel 1 nie zuvor gegeben hat, und einem Rückstand des WM-Dritten Vettel auf Bottas von 35 Punkten, könnte das Rennen in Barcelona für die Scuderia Ferrari schon eine Vorentscheidung im negativen Sinne bedeuten. Weil deren Teamchef Mattia Binotto dies weiß, hat er seinen Piloten schon in Spanien die ursprünglich erst für das übernächste Rennen in Montréal geplante Ausbaustufe des Motors in die Autos schrauben lassen. Und zweitens müssen die Piloten in etwa gleich schnell sein, was auf die Bottas-Hamilton-Situation des Jahres 2019 ebenfalls zutrifft.

In zwei von vier Rennen hat der freundliche Mann aus Nastola bei Lahti, der gewiss kein Hasardeur ist wie Rosberg, dem fünfmaligen Weltmeister den Sieg weggeschnappt. Am Freitag in Barcelona war er in beiden Trainings der Schnellste. Nun kündigt er abseits des üblichen Geredes darüber, dass der Erfolg des Teams über allem stehe, zumindest mal an: "Mein Selbstvertrauen ist intakt. Ich möchte einfach so weitermachen."

Intern habe man sich bei Mercedes auf Regeln geeinigt, sagt Hamilton. Deren Inhalt sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Übrigens genau wie die sicher spannenden Details der alten Geschichten zwischen ihm und Rosberg. Was vor drei Jahren vorgefallen sei, verrate er "vielleicht mal, wenn ich ein Buch schreibe". Zur Interpretation seines Verhältnisses zu Bottas tauge dieser Roman nicht: "Erwartet nicht die Wiederholung dessen, was ihr in der Vergangenheit gesehen habt."

Was man in der jüngsten Vergangenheit gesehen hat, beim Sieg von Bottas in Baku nämlich, wird sich wohl auch nicht wiederholen. In Aserbaidschan kämpften Hamilton und Bottas vor der ersten Kurve Rad an Rad, ehe Hamilton zurücksteckte, um ja keinen Unfall zu riskieren. In Baku, sagt Hamilton, sei er "zu nett" gewesen.

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