Sieben Kurven zur Formel 1:Bottas flucht und fordert Hamilton heraus

Der Finne kündigt einen Zweikampf mit seinem Teamkollegen an, Ferrari stellt sich unangenehme Fragen und Greta Thunberg ist Thema bei Mercedes. Die Geschichten des Formel-1-Wochenendes.

Von Philipp Schneider, Melbourne

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of Australia

Quelle: Getty Images

Was für eine schöne Pointe gleich zu Beginn der Formel-1-Saison: Da reden im Vorfeld alle über den drohenden Stallkrieg zwischen Sebastian Vettel und seinem selbstbewussten neuen Teamkollegen Charles Leclerc bei Ferrari. Und was passiert? Leclerc bleibt brav hinter dem viermaligen Weltmeister aus Heppenheim, obwohl er ihn hätte überholen können. Für ein freches Überholmanöver sorgt dafür Valtteri Bottas, der bei Mercedes gleich vor der ersten Kurve an Lewis Hamilton vorbeirollt. Dann sichert er sich nicht nur den Rennsieg, sondern auch noch die schnellste Rennrunde, für die es neuerdings einen Extrapunkt in der Gesamtwertung gibt. Muss Hamilton künftig Bottas mehr fürchten als Vettel? Bottas, der sich im Winter wilde Bartstoppel hat wachsen lassen, meint es in diesem Jahr zumindest ernst. "Wir starten alle mit null Punkten in eine neue Saison. Wir sind alle hier, um zu fighten. Lewis und ich wollen kämpfen diese Saison. Gegeneinander und gegen alle anderen", hat er nach seinem erst vierten Grand-Prix-Sieg angekündigt. Und mit seinen Kritikern, denen aufgefallen war, dass er im Vorjahr kein einziges Rennen gewonnen hatte, rechnete er mit Hilfe seines Funkgeräts auch noch ab. "To whom it may concern: fuck you!", funkte er. Das war eine gelungene Mischung aus gehobenem und sehr niedrigem Englisch.

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Australia

Quelle: Getty Images

Der fünfmalige Weltmeister hat eine rätselhafte Darbietung geboten am ersten Rennwochenende des Jahres. Erst dominerte er sämtliche Trainingssessions und auch die Qualifikation. Dann verschlief er den Rennstart und musste sich schon vor der ersten Kurve von Teamkollege Bottas überholen lassen. Nachdem er dann von seinem Team auch noch vor Bottas zum Reifenwechsel gerufen worden war, um die Strategie von Ferrari zu kontern, fuhr er auf frischen Reifen langsamer als der Finne auf alten. Über Funk klagte er, die abbauenden Reifen seien der Grund. In der anschließenden Pressekonferenz relativierte er die Aussage wieder. Sebastian Vettel hatte noch eine andere Theorie für die Schleichfahrt des Engländers. "Ich weiß nicht, was Lewis da gemacht hat. Vielleicht war er gelangweilt, weil er den Start verloren hat." Denkbar wäre das. Ansonsten sorgte Hamilton mit der Geschichte für großes Interesse, dass er vor dem Rennen gerne surfen gegangen wäre. Allerdings habe er keinen Strand gefunden, vor dem keine Haifische schwimmen. Und alle Australier, bei denen er sich nach haifreien Gewässern erkundigt habe, hätten erwidert, er solle sich nicht so anstellen und den Haien im Notfall einfach ins Gesicht schlagen. Hamilton findet: "Die Australier sind ein bisschen crazy, was?"

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Mattia Binotto

F1 Grand Prix of Australia - Practice

Quelle: Getty Images

Der neue Ferrari-Chef scheint innerlich meisterhaft austariert zu sein. Als schnellstes Team der Vorbereitung in Barcelona reiste die Scuderia nach Melbourne. Dann fiel sie tief, als klar wurde, dass Sebastian Vettels Dienstwagen im Rennen nicht konkurrenzfähig war. Nur als Vierter kam er ins Ziel. Mit 35 Sekunden Rückstand auf den Red Bull von Max Verstappen - und fast eine Minute nach Valtteri Bottas. "Was wir heute gesehen haben, das war nicht das wirkliche Potenzial unserer Autos", sagte Binotto nach dem Rennen, den Satz wiederholte er immer wieder. Er sah so aus, als glaube er da ganz fest dran, trank Kaffee, scherzte mit seinen Mitarbeitern, klopfte seinen Fahrern tröstend auf die Schulter. Kann schon sein, dass Ferrari einfach einen schlechten Tag erwischte. Kann sein, dass sie ihr Fahrzeug einfach nur falsch abgestimmt hatten. Sehr falsch. Kann ebenfalls sein, dass der Kurs im Albert Park sehr speziell ist, er hat als nicht permanente Rennstrecke einen sehr welligen Untergrund. Auch war die Außentemperatur deutlich höher als noch in Barcelona. Kann übrigens auch sein, dass der Ferrari einfach deutlich langsamer ist als der Mercedes.

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Robert Kubica

Formel 1: Grand Prix von Australien

Quelle: dpa

Wer in der Formel 1 überrundet wird, der sieht am Straßenrand blaue Flaggen. Am Sonntag hatten die Marshalls gut zu tun, die für dieses erste Rennen von Robert Kubica nach mehr als acht Jahren eingeteilt worden waren. Sie winkten wie verrückt mit ihren Fahnen, was aber nicht nur an Kubica lag, der dreimal überrundet wurde. Auch dessen Teamkollege George Russell wurde zweimal überrundet. Der Williams FW42, der Russell und Kubica als Dienstwagen zugeteilt worden war, ist eine Fehlkonstruktion. Das ahnte man schon bei den Testfahrten in Barcelona, bei denen der Wagen drei Tage zu spät losfuhr, weil er nicht fertig war. Seit Melbourne weiß man es mit Gewissheit. Etwas "Fundamentales" stimmt mit ihm nicht, sagt Russell. So geriet Kubicas Comeback in der Formel 1 zu einer frustrierenden Angelegenheit. Nach seinem Rallye-Unfall 2011 ist die Beweglichkeit des einzigen Fahrers, der jemals in einem BMW ein Formel-1-Rennen gewinnen konnte, eingeschränkt. Kubicas linker Arm muss für den rechten mitlenken. Im Training fuhr Kubica gegen die Boxenmauer. Im Rennen verlor er nach dem Start den Frontflügel, später auch noch einen Spiegel. Hauptsache Kubica fährt wieder mit.

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Charlie Whiting

F1 Grand Prix of Australia

Quelle: Getty Images

Manchen kam es beim Rennstart so vor, als wäre die Startampel ungewöhnlich schnell erloschen. Zum ersten Mal seit 22 Jahren oblag die Verantwortung für die Anlage jemand anderem als Charlie Whiting. Der langjährige Rennleiter war am Donnerstagmorgen tot in seinem Hotelzimmer in Melbourne gefunden worden. Lungenembolie. Die Nachricht erreichte das Fahrerlager und war danach Thema in jeder Fragerunde. Es gab eine Schweigeminute, ein Gruppenbild. Auf jedem Helm, an jedem Auto waren Aufkleber angebracht mit der Aufschrift "Thank you Charlie". Es gibt nicht viele Menschen in der Formel 1, über die jeder nur Positives zu berichten weiß. "Sein Erbe wird ewig nachwirken", schrieb die Fahrer-Gewerkschaft GPDA in einem Statement. Alle Piloten hätten Whiting bewundert und ihm vertraut. "Er war ein echter Racer", hat Sebastian Vettel gesagt. Charlie Whiting war derjenige, der alle Regeln kannte, sie überwachte, auslegte und erklärte. Er startete nicht nur die Rennen, er entschied auch, ob sie unterbrochen oder abgebrochen werden mussten. Und er kannte die technischen Details eines jeden Autos. Seine Aufgaben übernahm in Melbourne zunächst vorübergehend der Australier Michael Masi, bislang Renndirektor von Formel 2, Formel 3 und Formel E. Er bediente auch die schnell erlischende Ampel.

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Red Bull

F1 Grand Prix of Australia

Quelle: Getty Images

Es läuft endlich mal wieder bei Red Bull. Das liegt nicht unwesentlich an Honda, dem neuen Motorenlieferanten der Limonadentruppe. Ausgerechnet die Japaner, die maßgeblich mitgeholfen haben, Fernando Alonso aus der Formel 1 zu vertreiben, indem sie ihm in dessen Zeit bei McLaren langsame, qualmende und streikende Aggregate im Auto verbauten. Jetzt ist Alonso weg und die Honda-Motoren laufen wie am Schnürchen. Bei Red Bull, nicht bei McLaren. Der dritte Platz von Max Verstappen am Sonntag war das erste Podium des japanischen Herstellers in der Ära der Hybridmotoren seit 2014. "Das Positivste an diesem Wochenende ist, dass von Motorenseite her alles tadellos funktioniert. Wir sind powerseitig nahe an Mercedes dran", sagte Red-Bull-Berater Helmut Marko der SZ. Max Verstappen war am Sonntag so schnell, dass er erst Vettel überholte, und noch zumindest aufschließen konnte auf Hamilton. Zum Überholen hatte es aber nicht gereicht. Nahe dran an Mercedes ist nicht dran an Mercedes. In den vergangenen Jahren war der stets der Motor der limitierende Faktor bei Red Bull. Das Chassis war immer gut. Diesmal gibt es "Schwachpunkte im Chassis, von denen wir hoffen, dass wir sie bis zum Beginn der Saison in Europa wettmachen können", sagt Marko.

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Greta Thunberg und Toto Wolff

F1 Grand Prix of Australia - Practice

Quelle: Getty Images

Ob sie im Haus von Toto Wolff regelmäßig über Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg sprechen, die Klimaaktivistin aus Schweden? Der Motorsportchef von Mercedes hat am Freitag in Melbourne erzählt, dass seine zwei Kinder aus erster Ehe am selben Tag daheim die Schule geschwänzt haben, um sich an den Protesten vieler junger Menschen für mehr Klimaschutz zu beteiligen, den Thunberg initiiert hat. Wer sich nun schön ausmalte, wie Wolff daheim am Esstisch in Erklärungsnöte gerät, weil er sich ja doch irgendwie am sinnbefreitem Schadstoffausstoß der Formel 1 beteiligt, der sah sich enttäuscht. Wolff konterte den Vorwurf mit dem beliebten Argument, die hohe Effizienz der Motoren und die hochentwickelten Systeme zur Energierückgewinnung in den Autos würden auch in Serienautos Verwendung finden. Und überhaupt: Die Emissionen großer Containerschiffe, der weltweite Flugverkehr, das Plastik in den Meeren, das alles sei viel schlimmer als die Formel 1. Wer wollte, konnte sich nun ausmalen, wie Wolffs Kinder daheim am Tisch mit einer Reihe von Gegenargumenten kontern. Und sich darauf die ganze Familie argumentativ im Kreis dreht. Ähnlich wie in der Formel 1.

© Sz.de/schm/schma
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