Formel 1Alphatier mit Podcast-Talent

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Fordern und herausfordern: Max Verstappen (links) spricht beim Grand Prix von Kanada in Montreal mit Red-Bull-Renningenieur Gianpiero Lambiase.
Fordern und herausfordern: Max Verstappen (links) spricht beim Grand Prix von Kanada in Montreal mit Red-Bull-Renningenieur Gianpiero Lambiase. (Foto: Mark Thompson/Getty/AFP)

„Und dann haben wir noch den Max“: Formel-1-Weltmeister Verstappen schafft den Spagat zwischen Teamplay und gesundem Egoismus wie kein anderer Fahrer. Auch deshalb ist er in Barcelona wieder Favorit.

Von Elmar Brümmer, Barcelona

Mit der Rückkehr der Formel 1 an diesem Wochenende auf die klassischen europäischen Rennstrecken ist die Serie in der Pflicht zu beweisen, ob der Trend der spannenden, bisweilen dramatischen Rennen in Übersee anhält. Beginnend in Barcelona, folgen im Wochenrhythmus Spielberg und Silverstone. Dann wird sich auch zeigen, wie resistent Branchenführer Red Bull gegen die vielen kleinen Krisen der Vergangenheit ist. Die näher gerückte Konkurrenz rüstet jedenfalls technisch noch einmal gewaltig auf. Doch das beste Upgrade ist offenbar noch immer Max Verstappen selbst, er holt aus sich heraus, was das Auto gerade nicht hergibt, mit einer ziemlich niedrigen Fehlerquote. Obwohl es ein ungeheurer Kraftakt ist: Denn Rennwagen, die sich am Limit bewegen, sind am schwierigsten zu beherrschen.

Sechs der neun Rennen hat Verstappen gewonnen, das ist für seine Verhältnisse ordentlich, zwei Rekordsiegjahre nacheinander verwöhnen eben. Doch das Wertvolle daran sind nicht allein seine 194 Punkte und eine immer noch äußerst komfortable WM-Führung. Der Pilot ist deutlich besser in Form als sein Auto, sein technisches und fahrerisches Können überstrahlen die Schwächen des Rennwagens. „Und dann haben wir noch den Max“, so pflegt Red-Bull-Berater Helmut Marko seine Prognosen vor einem Grand Prix zu beenden. Die entscheidende menschliche Erfolgskomponente also – momentan fährt der dreimalige Champion in der Form seines Lebens.

Formel 1 in Kanada
:Verstappen zieht sich selbst aus der Krise

Beim Großen Preis der Kapriolen in Montréal profitiert Max Verstappen davon, dass die Konkurrenz noch keine konstanten Höchstleistungen abrufen kann. Aber die Titeljagd ist ein Vierkampf geworden: Mercedes meldet sich zurück.

Von Elmar Brümmer

Verstappen pflegt den Status als Nummer eins, für ihn ist es eine ganz natürliche Rangordnung, qua Leistung. Teamkollege Sergio Perez, der immer mal wieder für ein paar Wochen Ansprüche anmeldet, ist auf Dauer nicht schnell und konstant genug als Herausforderer. Der Mexikaner steckt derzeit in einer Sinnkrise, obwohl ihm eine vorzeitige Vertragsverlängerung zusätzliches Selbstvertrauen schenken sollte.

Nirgends sind die Verhältnisse so klar wie bei Red Bull, weshalb viele Konkurrenten dem großen Gegner den Fahrer mit der größten Stressresilienz neiden. Es wirkt sogar so, als wachse Verstappen unter Druck erst richtig über sich hinaus. Kein Wunder, dass sich alle bei Red Bull nach ihm richten, aber auch an ihm aufrichten. Die technische Krise mag dem Fahrer Probleme bereiten, sie sorgt aber auch dafür, dass sein Marktwert noch höher wird, weil er zeigen kann, was er mehr und besser kann als andere.

Von den ambitionierten Rennställen hat nur Aston Martin in Fernando Alonso einen ähnlich unumstrittenen Anführer

Wie gern würde ihn Mercedes deshalb als Führungspersönlichkeit verpflichten. Von den ambitionierten Rennställen hat allein Aston Martin in Fernando Alonso einen ähnlich unumstrittenen Anführer. Der Spanier stammt noch aus einer Zeit, als sich viele Rennställe auf ein Alphatier ausgerichtet hatten: Das Paradebeispiel waren Ferrari und Michael Schumacher. Bei Mercedes waren die Verhältnisse auch lange klar, aber Lewis Hamilton hadert zu sehr mit seiner eigenen Form, um seinen Landsmann George Russell in Schach zu halten. So gibt es bei den Silberpfeilen keinen, der momentan den entscheidenden Impuls auf dem Weg zurück an die Spitze geben kann, was das Unterfangen schwieriger macht.

In Hamiltons künftiger Heimat bei Ferrari verhält es sich ähnlich. Charles Leclerc leistet sich immer noch zu viele Fehler. Der scheidende Carlos Sainz junior ist auch nicht verlässlich stark genug. Die Gleichberechtigung lässt sich nach außen hin natürlich prima verkaufen, ob sie in diesem Sport aber tatsächlich die beste Lösung ist, scheint fraglich. McLaren schwört bei seinem Neuaufbau dennoch auf das duale System und ist mit den Talenten Lando Norris, 24, und Oscar Piastri, 23, vielleicht am besten aufgestellt für die Zukunft. Zwei in etwa gleichstarke Fahrer – man erinnere sich an Senna/Prost oder Hamilton/Rosberg –, das mündet meistens in einen Rosenkrieg. Die Konzentration auf einen Fahrer macht am meisten Sinn, wenn einer deutlich überlegen ist und damit eine natürliche Autorität besitzt.

Max Verstappen hat kein großes Problem, Rennen mit sich selbst zu fahren. Sein Alltag lautet: fordern und herausfordern. In voller Fahrt diskutiert er Strategien und technische Probleme mit seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase, die Mitschnitte sind der beste Podcast, den es im Fahrerlager gibt. So aber signalisiert der 26-Jährige ganz nebenbei, wie sehr ihm Wohl und Wehe der ganzen Mannschaft am Herzen liegen. Die Annahme, dass die Formel 1 eine Einzelsportart ist, gilt nur für die wenigen Rennkilometer. Ansonsten arbeiten bis zu 2000 Menschen in einem Rennstall für den Erfolg am Wochenende. Diesen Gegensatz zwischen Teamplay und gesundem Egoismus können nur die Besten ausbalancieren, und sind dabei echte Mannschaftskapitäne. Einer gegen alle, einer für alle. Das gilt in Barcelona auch wieder für Max Verstappen.

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