Formel 1: Max Mosley geht:Die Reizfigur geht

Nach zwei Jahrzehnten tritt Max Mosley als Formel-1-Lenker ab. Den Zweikampf um seine Nachfolge kämpfen ein Italiener und ein Finne.

René Hofmann

Der Motorsport hat das Leben von Max Mosley stark geprägt. Das ist aktenkundig. Als im Juli vergangenen Jahres vor dem High Court in London der Fall Mosley gegen News Group Newspapers Limited verhandelt wurde, versuchten die Anwälte des Medienunternehmens zu belegen, dass der Präsident des Automobilweltverbandes Fia in privaten Rollenspielen mit mehreren Frauen Szenen nachgespielt hatte, die die Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Die Zeitung News of the World hatte das behauptet, nachdem ihr ein illegal entstandenes Video zugespielt worden war.

Formel 1: Max Mosley geht: Letzter großer Auftritt: Max Mosley verabschiedet sich in den Ruhestand.

Letzter großer Auftritt: Max Mosley verabschiedet sich in den Ruhestand.

(Foto: Foto: dpa)

Wenn die Behauptung gestimmt hätte, wäre das ein Politikum gewesen. Max Mosley ist der Sohn von Oswald Mosley, dem einstigen Führer der britischen Faschisten, der in einem Geschichts-Magazin der BBC vor wenigen Jahren als eine der schlimmsten Figuren des 20.Jahrhunderts bezeichnet wurde. Auf dem Video, so steht es unter Punkt 67 in den Prozessakten, ist zu hören, wie eine der Frauen einen zweideutigen Satz ruft. Unter Punkt 68 steht, dass Mosley im Prozess angegeben habe, diese Bemerkung nicht vernommen zu haben - und dass dies auch gut nachvollziehbar sei. Er habe nicht mehr die besten Ohren und müsse Hörgeräte tragen.

Der Richter glaubte dem Mann, der in den vergangenen Jahrzehnten viel Zeit an lauten Rennstrecken verbrachte, und urteilte: Die Veröffentlichungen seien falsch und illegal gewesen. Als symbolische Kompensation musste die Zeitung 60000 Pfund (damals 70000 Euro) Schmerzensgeld zahlen - in der britischen Pressehistorie eine Rekordsumme.

Doppelpass mit Ecclestone

Seit Anfang der neunziger Jahre stand Mosley dem Automobilweltverband Fia vor. In der Zeit erlebte er viele Anfeindungen und Prozesse. Die Europäische Union rügte die Art, wie Mosley die lukrativste Rennserie des Verbandes, die Formel 1, im Zusammenspiel mit seinem Weggefährten Bernie Ecclestone lange vermarktete: auf Zuruf. Als das Verdikt erging, das sei mit dem modernen Wettbewerbsrecht nicht zu vereinbaren, griff Ecclestone zu einem Trick: Für eine Gegenleistung, die weit unter dem Marktwert lag, ließ er sich die Vermarktungsrechte gleich für hundert Jahre übertragen - bei einem so langen Zeitraum gilt ein Vertrag als symbolisch. Mosley hat zwar oft bestritten, dass der Deal in seinem Sinne gewesen sei, aber sein Handeln stand dazu im Widerspruch: Auch nach dem für die Fia schlechten Geschäft kam er meist gut mit Ecclestone aus. Noch im Jahr 2006 sagte er dem Fachmagazin auto, motor und sport: "Wenn ich mal von einem Bus überfahren würde und meine Familie Probleme hätte, dann würde ich ihr raten, zu Bernie zu gehen." Ecclestone erwiderte auf die Frage, ob die beiden befreundet seien: "Ich würde Max einen Blankoscheck geben. Damit ist die Frage beantwortet."

Die in der Formel 1 engagierten Autokonzerne und Teams haben oft versucht, das mächtige Duo zu sprengen. Wenn Ecclestones Geschäft ins Stocken geriet, war es für Mosley ein Leichtes, es mit neuen Regeln wieder in Schwung zu bringen. In keiner anderen Sportart hat es je ein so perfektes Doppelpass-Spiel zwischen Vermarkter und Regelhüter gegeben. Die beiden Briten haben die Serie geprägt. Im Guten wie im weniger Guten.

Todt oder Vatanen

Unter ihrer Führung stieg die Serie zum weltweiten Spektakel auf. Dabei ging es aber keineswegs transparent und so gut wie nie demokratisch zu. So blieb der Eindruck, die Fia urteile unter Mosley gerne in Gutsherrenart. 2007 musste McLaren-Mercedes wegen Spionage bei Ferrari 100 Millionen Dollar Strafe zahlen, Renault blieb kurz darauf in einem ähnlichen Fall ungeschoren. In diesem Sommer kam es zur Rebellion. Als acht Formel-1-Teams mit einer Konkurrenzserie drohten, kam heraus, dass Mosley Ferrari bei Regelfragen jahrelang vertraglich ein Vetorecht garantiert hatte. Ein Machtkampf brach los, den Mosley verlor. Der 69-Jährige willigte ein, nicht erneut als Fia-Präsident zu kandidieren. An diesem Freitag wird in Paris sein Nachfolger gewählt. Der 63 Jahre alte Franzose Jean Todt tritt gegen den 57-jährigen Finnen Ari Vatanen an. Todt gilt als Favorit. Auf den Nachfolger warten große Aufgaben. Vor allem das Klima in der Organisation muss sich wandeln. "Es herrscht ein Regime der Angst", sagt ein einflussreicher Kopf eines großen Teams, "wenn ich sage würde, was ich wirklich denke, müssten wir unsere Firma gleich morgen zusperren." Unumstritten ist nur eine Leistung Mosleys: sein Einsatz für die Sicherheit. Nach dem Tod von Ayrton Senna 1994 setzte er Crashtests und größere Auslaufzonen durch. Seitdem ist kein Pilot mehr bei einem Formel-1-Rennen gestorben.

Mosley wird im Fia-Senat bleiben. Mit seiner Leidenschaft für private Rollenspiele geht er inzwischen offen und locker um. Als die britischen Journalisten ihm beim Italien-Grand-Prix zum Abschied eine Peitsche schenkten, bedankte er sich artig für das Präsent. Auch im Namen der Frauen.

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