Formel 1:Lewis Hamilton und die Macht des Momentums

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Lewis Hamilton beim Großen Preis von Ungarn. (Foto: Laszlo Balogh/dpa)
  • Schon fünf Mal hat in dieser Formel-1-Saison die WM-Führung gewechselt.
  • Im letzten Rennen vor der Sommerpause in Ungarn baute Lewis Hamilton seinen Vorsprung auf Sebastian Vettel auf 24 Punkte aus.
  • In der zweiten Saisonhälfte könnte es wieder mehr auf die Piloten ankommen als auf die Autos.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Die Handbewegungen sind das wichtigste Indiz, wie es um die Machtverhältnisse in der Formel 1 gerade bestellt ist. Lewis Hamilton, der Führende der WM-Wertung, kann es sich beim Großen Preis von Ungarn angesichts von 17 Sekunden Vorsprung leisten, seinen Mercedes mit einer Hand über die Ziellinie zu lenken. Als er seinen Wagen im Parc fermé am Hungaroring einparkt, stößt keine Faust aus dem Cockpit heraus, nur zwei behandschuhte Finger schieben sich über den Rand, spreizen sich und formen gut sichtbar für die Ferrari-Piloten Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen ein V, das Zeichen für Victory - Sieg. Es steht für die Magie des Moments, die Macht des Momentums.

Der Titelverteidiger, der in den letzten fünf Rennen dreimal triumphiert hat, wird sich in der nun folgenden Sommerpause nicht auf die faule Haut legen. Noch auf dem Siegerpodium kündigt er an: "Ich bin nicht der Typ für den Strand. Ich werde lieber mein Training für die zweite Hälfte intensivieren." Er forderte sein Team auf: "Ich hoffe, dass wir nach der Pause noch mehr Druck machen können." Der intensivste Sommer der Formel-1-Geschichte ist dabei der Gradmesser.

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Hamilton hat innerhalb von drei Wochen aus acht Punkten Rückstand in der Weltmeisterschaft mit zwei unverhofften Siegen nacheinander 24 Zähler Vorsprung vor Sebastian Vettel gemacht. Ferrari mag, wo auch immer, 38 zusätzliche PS gefunden haben, aber Hamilton setzt auf seinen eigenen Antrieb. In ihm schlummert neben einer Menge fahrerischen Talents und taktischer Intuition vor allem jene Fähigkeit, die einen Champion von anderen Rennfahrern unterscheidet: genau jenen Punkt zu treffen, an dem sich das Schicksal aus eigener Kraft bestimmen lässt. Der Regen beim Endspurt in Hockenheim und der Wolkenbruch im Qualifying von Ungarn spülten ihm die Chance in die Hände, trotz Ferraris Überlegenheit zweimal die Maximalpunktzahl herauszuholen. Was das für die zweite Saisonhälfte bedeutet, die für gewöhnlich Hamiltons stärkere ist?

"Wir haben insgesamt gesehen den besseren Job gemacht", sagt Lewis Hamilton

Das müssen eher Ferrari und Sebastian Vettel beantworten. Der Heppenheimer, der von Platz vier gestartet war und dem trotz eines Boxenstoppfehlers am Ende mit Rang zwei noch die größtmögliche Schadensbegrenzung gelang, mag gar nicht auf die Details eingehen. Er flüchtet sich in die Zuversicht: "Die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen, in den letzten beiden Rennen habe ich mir keinen großen Gefallen getan. Wichtig ist für uns jetzt, dass wir nach der Pause zu unserer Stärke aus dem Winter und zu Saisonbeginn zurückkehren." Am Anfang des Rennjahres hatte Ferrari gezeigt, wie sich der Titelverteidiger Mercedes schlagen lässt - indem jede taktische und technische Schwäche der Silberpfeile gnadenlos ausgenutzt wurde. Exakt das macht momentan Mercedes. "Wir wissen, dass Ferrari im Augenblick das höhere Tempo hat. Aber wir haben insgesamt gesehen den besseren Job gemacht. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir immer dann zur Stelle sind, wenn sie schwächeln", sagt Hamilton.

Sebastian Vettel weiß, dass er im aktuellen WM-Duell alles hat, was es zum ersehnten ersten Titelgewinn mit Ferrari braucht, und dass es nur sicherzustellen gilt, dass die Stärke in den letzten neun Rennen von Ende August bis Ende November nicht verloren geht, so wie im vergangenen Herbst. "Wir haben ein schnelles Auto, auch wenn wir nicht dominant sind. Der Speed ist meiner Meinung nach vergleichbar. Aber entscheidend ist, dass wir diesmal dabei sind und in der zweiten Hälfte nicht zurückfallen. Im letzten Jahr waren wir nicht konkurrenzfähig genug. Jetzt wissen wir, dass unser Auto schneller werden kann, wenn wir eine Schippe drauflegen." Im Vorjahr war Sebastian Vettel mit einem 14-Punkte-Vorsprung in die Ferien gefahren und hatte sich am Ende mit 46 Zählern Unterschied geschlagen geben müssen. Schon um gar keine bösen Erinnerungen aufkommen zu lassen, will er die aktuelle Situation nicht mit 2017 vergleichen.

Das Duell wird noch intensiver werden, nicht bloß auf der technischen Seite. Mercedes hat ein Power-Upgrade angekündigt, auch Ferrari hat eins in der Hinterhand. Das könnte sich neutralisieren. Dann kommt es wieder mehr auf die Männer an als auf die Maschinen, es kommen jetzt auch wieder ein paar Fahrerstrecken. Dem mentalen Schlagabtausch ist der Heppenheimer bisher immer ausgewichen, aus gutem Grund. Das ist nicht sein Ding, er ist in vielem ganz anders als sein britischer Gegenspieler, aber der Ehrgeiz ist beider größte Eitelkeit. Hamilton ist ein Meister der Selbstmotivation und der Demotivation des Gegners. Er macht die Tatsache, dass die grundsätzliche Mercedes-Überlegenheit dahin ist, zu einem zusätzlichen Antriebsfaktor. Auffällig oft in den letzten Wochen hat der 33-Jährige von seiner Jugend im Rennkart gesprochen, als er den größten Spaß seiner Karriere hatte, weil er immer der Außenseiter war. Sich trotz der WM-Führung und des aktuellen Höhenflugs diese Rolle einzureden, ist sein mentaler Trick.

Dass die Kräfteverhältnisse in diesem Jahr schneller und häufiger wechseln, weiß auch der WM-Führende. Einer Achterbahnfahrt glich der erste Teil des Jahres. Hamilton gab sich zwar immer selbstbewusst, war aber tendenziell deutlich schlechter gelaunt als gewohnt. Fünfmal hat bisher die Führung gewechselt, das strapaziert natürlich. Sebastian Vettel hingegen präsentiert sich zugeknöpfter, was mit einer größeren Gelassenheit gleichgesetzt wird. Es entspricht aber auch der Maxime des verstorbenen Ferrari-Chefs Sergio Marchionne, der seiner Scuderia befohlen hatte, sich stärker auf sich selbst zu besinnen. Selbst wenn es Zweifel geben sollte, zeigen darf sie in der bereits jetzt zugespitzten Situation keiner. Zuversicht will vorgelebt sein. "Konstanz ist der Schlüssel", weiß Vettel.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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