Formel 1:Unterhaltsam wie Shakespeare

Formel 1: Dieses Motiv wird in diesem Jahr noch häufiger zu sehen sein: Lewis Hamilton (re.) und Max Verstappen auf dem Siegerpodium.

Dieses Motiv wird in diesem Jahr noch häufiger zu sehen sein: Lewis Hamilton (re.) und Max Verstappen auf dem Siegerpodium.

(Foto: Lars Baron/AFP)

Was die Testfahrten angedeutet haben, bestätigt sich beim ersten Rennen in Bahrain: Mercedes ist nicht mehr unverwundbar. Es könnte die spannendste Saison seit Jahren werden - auch dank Max Verstappen.

Kommentar von Philipp Schneider, Manama

"Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden als Eure Schulweisheit sich träumt." Hamlet, erster Akt, fünfte Szene. Oder hier, Hamlet, zweiter Akt: "Denn an sich ist nichts weder gut noch schlimm; das Denken macht es erst dazu." Das passt.

Die Regeln in der Formel 1 sollten nicht interpretierbar sein wie Werke von Shakespeare, das hat Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Saisonauftakt gefordert. Sie sollten klar und heilig sein. Wolff spricht so, weil es eine erheiternde Diskussion gibt über die rennentscheidende Szene in Bahrain: Kurz vor Schluss fing Max Verstappen im Red Bull noch Lewis Hamilton ab, geriet dabei aber mit allen vier Rädern außerhalb des zulässigen Bereichs. Also musste er die Position wieder zurückreichen an den Mercedes-Mann; das Überholen außerhalb der Strecke war dort nicht erlaubt. Das war auch kommuniziert worden in dem Briefing, das die Fahrer vor jedem Rennen erhalten.

Weil aber das Verlassen der Strecke an jener Stelle zuvor lange Zeit nicht geahndet wurde, solange dabei keiner überholt wurde, wähnte sich Wolff in Shakespeares doppelbödige Welt versetzt. Ironischerweise hatte Hamilton an der Stelle permanent abgekürzt und sich so einen Vorteil verschafft. Das wiederum hatte Red Bull den Rennkommissaren gepetzt, die daraufhin die Regeln verschärften und verfügten: Herrschaftszeiten! Alle Fahrer müssen zu jeder Zeit mit allen vier Rädern auf der Strecke bleiben! Und kurz darauf wird Verstappen bestraft, weil er die Piste verlässt.

Wie sagt Shakespeare? Erst das Denken macht alles gut oder schlimm.

Wolff geht es wohl auch ums Prinzip: Besser jetzt klare Regeln fordern, als dass Mercedes später selbst zum Opfer wird von Wischiwaschi. Aber was zeigt diese Debatte um einen einzelnen Paragrafen auch? Dass der Wettkampf an der Spitze in dieser Saison so hart geführt werden wird wie seit Jahren nicht. Für die Formel 1 ist das ein Segen.

Hätte Verstappen die Lücke gefunden, er wäre vorbei am siebenmaligen Weltmeister. Was die Testfahrten angedeutet haben, wurde in Bahrain bestätigt: Mercedes ist nach Jahren der Dominanz nicht mehr unverwundbar.

Die Rennautos sind im Grunde identisch mit denen des Vorjahres, die Teams müssen zwei Autos gleichzeitig bezahlen: das von diesem Jahr und jenes rundum neue, das ab 2022 nach einem völlig neuen Reglement entworfen wird. Verstappens Motorenkonstrukteur Honda hat den Stillstand genutzt, um endlich aufzuschließen - und dann wird Mercedes zusätzlich vom Zufall gebremst. Die aerodynamischen Änderungen des Unterbodens, die vor der Saison beschlossen wurden, um die Autos langsamer zu machen, schaden keinem so sehr wie dem Weltmeisterteam. Im Vorjahr lagen die Schwarzpfeile auf der Straße wie Sattelschlepper, nun zicken sie ein bisschen.

Und mitten rein in den neuen Dualismus spielt Verstappen, halb Fahrer, halb Politikum. Solange Hamilton seine Zukunft nicht über diese Saison hinaus plant, wird der 23-Jährige immer auch ein Kandidat bleiben für Mercedes. Vor sechs Jahren stürmte er in die Formel 1, mit 17 war er der jüngste Pilot der Historie, mit 18 jüngster Grand-Prix-Sieger. Seit sechs Jahren wird er gehandelt als Thronfolger Hamiltons. Aber Verstappen wird sich sagen: "Ein jedes Ding hat seine Zeit." Komödie der Irrungen, zweiter Akt, vierte Szene.

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