Sieben Kurven in der Formel 1:"Ich kann meinen ersten Sieg nicht wirklich genießen"

Charles Leclerc widmet seinen Triumph in Belgien seinem verstorbenen Freund Anthoine Hubert. Schon seinen Patenonkel verlor er auf der Rennstrecke.

Von Anna Dreher, Spa-Franchorchamps

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Charles Leclerc

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Quelle: AFP

Der erste Sieg in der Formel 1, davon hat Charles Leclerc seit seiner Kindheit geträumt. Am Sonntag aber, als es endlich so weit war und er im Ferrari vor den Mercedes-Fahrern Lewis Hamilton und Valtteri Bottas über die Ziellinie fuhr, erlebte er einen emotionalen Tag mit sehr unterschiedlichen Gefühlen. Am Samstag war auf der Strecke in Spa-Francorchamps der 22 Jahre alte Formel-2-Fahrer Anthoine Hubert an den Folgen eines dramatischen Unfalls verstorben. Der Franzose war ein Freund von Leclerc, den er aus seinen Anfängen im Motorsport kannte. "Es war ein sehr schwieriges Wochenende. Wir haben einen Freund verloren und ich widme ihm meinen ersten Sieg", sagte Leclerc. "Ich kann meinen ersten Sieg nicht wirklich genießen, aber es wird definitiv eine Erinnerung sein, die ich für immer wahre."

Es ist bereits das zweite Mal, dass Leclerc auf der Rennstrecke einen Freund verliert. 2015 verstarb sein Patenonkel Jules Bianchi nach langem künstlichen Koma an den Folgen eines Unfalls. 2014 war er beim Formel-1-Rennen im japanischen Suzuka mit einem Kran kollidiert. Im Sommer 2017 war Leclercs Vater nach Krankheit gestorben. Damals gewann der heute 21-Jährige drei Tage später das Formel-2-Rennen in Baku und sagte darüber: "Er hätte gewollt, dass ich das Rennen für ihn gewinne. Daher war ich sehr glücklich, dass ich ihn so würdigen konnte." In Spa ist Leclerc das nun wieder gelungen.

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Lewis Hamilton

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Quelle: AFP

Das Rennen in Belgien markierte das Ende der vierwöchigen Sommerpause der Formel 1. Eine Zeit, in der es mal nicht so sehr um das beste Setup des Wagens, Rundenzeiten und Punkte für die Weltmeisterschaft geht. Lewis Hamilton hatte sich im Urlaub für Basketball spielen, am Strand liegen und unbeschwert bei seiner Familie sein entschieden. Was natürlich leichter ist, wenn man die Gesamtwertung als fünfmaliger Weltmeister der Formel 1 erneut mit komfortablen Abstand nach acht Siegen in zwölf Rennen anführt. "Für mich ging es viel darum, die Batterien aufzuladen. Ich habe auch viel gelesen", sagte der 34-Jährige während des Wochenendes in Spa-Francorchamps, der nun auch Mitbesitzer eines veganen Burgerrestaurants ist.

Dass der Vertrag seines Teamkollegen Valtteri Bottas verlängert wurde, während er unter Palmen lag, machte ihm die Pause noch angenehmer - mit dem Finnen versteht sich Hamilton, von ihm fürchtet er keine Revolution. Da kamen natürlich Erinnerungen an die Kämpfe auf und abseits der Strecke mit dem Deutschen Nico Rosberg auf, mit dem Hamilton bis zu dessen Karriereende 2016 bei Mercedes fuhr. "Stellen Sie sich das so vor, als säße jemand mit Ihnen am Schreibtisch, von dem sie das nicht wollen", verglich also der tiefenentspannte Hamilton. "Und dann kommt jemand, mit dem sie befreundet sind." Am Sonntag saß Hamilton nach dem Rennen zwar mit Leuten auf dem Podium, die er mag (Bottas und Charles Leclerc). Aber nicht auf seinem Lieblingsplatz. Hamilton hätte am liebsten Saisonsieg Nummer neun eingefahren, freute sich als Zweitplatzierter aber dennoch für Leclerc, der sein erstes Formel-1-Rennen gewonnen hatte. Die Gesamtwertung führt Hamilton ja immer noch ungefährdet an.

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Max Verstappen

Großer Preis von Belgien

Quelle: dpa

Die Zuschauerränge sind auch auf dem Circuit de Spa-Francorchamps ein Meer aus Orange gewesen. Die niederländischen Motorsportfans sind in Max-Mania ausgebrochen und wenn ihr Rennfahrer dann auch noch im Nachbarland Belgien ins Auto steigt, kommen sie erst recht. Für Verstappen, 21, war es ein Heim-Grand-Prix in seinem Geburtsland, bevor die Formel 1 2020 in Zandfoort tatsächlich wieder in den Niederlanden ihre Runden dreht. Einige von den Fans bekamen Verstappen dann am Sonntag beim Rennen aber nur im Vorfeld, auf den großen Leinwänden und bei der Fahrerparade im Oldtimer zu sehen - denn Verstappen flog nach nur wenigen hundert Metern früh raus.

Beim Start wollte der von Platz fünf Gestartete mit seinem Red Bull auf der engen La-Source-Kurve die Innenseite entlang, Kimi Räikkönen im Alfa Romeo hatte jedoch nicht mit ihm gerechnet, lenkte ein und die beiden Rennwagen gerieten aneinander. Das Dienstfahrzeug von Räikkönen hob auf der rechten Seite gar in die Luft ab. Beide fuhren weiter, bei der Kollision brach jedoch die Vorderradaufhängung des Red Bull und als Verstappen in die nächste Kurve Eau Rouge lenken wollte, schlug er stattdessen frontal in die Reifenstapel. "Ein schlechter Start natürlich. Ich glaube, Kimi hat mich nicht gesehen. Am Ende ist es egal", sagte Verstappen, der unverletzt blieb. "Sowas kann passieren in der ersten Kurve."

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Sebastian Vettel

Großer Preis von Belgien

Quelle: dpa

Sebastian Vettel hatte es sehr eilig. Nach dem Großen Preis von Belgien war für den 32 Jahre alten Hessen wie üblich ein Plätzchen neben seinem Teamkollegen und Rennsieger Charles Leclerc bei der Pressekonferenz von Ferrari vorgesehen. Stattdessen saß dort Scuderia-Teamchef Mattia Binotti. Vettel habe schnell weggemusst, sagte dieser, und die meisten Fragen heute würde ja wahrscheinlich ohnehin Leclerc bekommen. Aber natürlich hätte es auch Fragen an den viermaligen Weltmeister gegeben. Das Rennen in Spa hatte verheißungsvoll für ihn begonnen: Platz zwei in der Startaufstellung auf jener Strecke, wo er vergangenes Jahr seinen bislang letzten Sieg feiern konnte und auf der er auch am Sonntag trotz der Angriffe von Lewis Hamilton im Mercedes lange seine Position hielt.

Als ihm dann aber in der zweiten Hälfte des 44 Runden umfassenden Rennens trotz frühen Reifenwechsels eine Ein-Stopp-Strategie per Funk durchgegeben wurde und er antwortete "die Reifen halten nicht durch", da deutete sich schon an, dass es schwierig werden dürfte mit einem Erfolgserlebnis. Erst musste er als Führender nach einer Stallorder Leclerc an sich vorbeifahren lassen. Und konnte dann auch noch zwölf Runden vor Schluss im Duell mit Hamilton nicht mehr dagegenhalten. "Ich habe mich heute schwergetan, nicht das Gefühl fürs Auto gehabt, nicht den Grip gefunden", sagte Vettel noch in die Fernsehmikrofone, bevor er die Strecke verließ. "Natürlich bin ich mit meiner Leistung heute nicht zufrieden." An diesem Tag war er in der Helferrolle für Leclerc, da brachte auch ein zweiter Boxenstopp nichts. Was blieb? Platz vier und die schnellste Rundenzeit, 99 Punkte Rückstand auf den WM-Führenden Hamilton. Spa war die Fortsetzung seiner bisher enttäuschenden dreizehnten Saison in der Formel 1: Kein Sieg, nur eine einzige Pole Position. An seinen ersten Titel mit Ferrari dürfte Vettel nun nicht mehr glauben.

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Nico Hülkenberg

F1 Grand Prix of Belgium - Practice

Quelle: Getty Images

Manche Reisen enden früher als gedacht. So viel früher, dass einem plötzlich die Orientierung fehlt. So wie Nico Hülkenberg, 32, seit dem Wochenende in Spa. 2010 fuhr der Emmericher seine erste Saison in der Formel 1, als einer von sieben deutschen Startern. Inzwischen ist er alleine mit Ferrari-Pilot Sebastian Vettel - und nach aktuellem Stand in der kommenden Saison ohne Arbeitgeber. Renault hat sich stattdessen für den 22 Jahre alten Esteban Ocon entschieden. Der Franzose wird ab 2020 an der Seite des Australiers Daniel Ricciardo fahren. Und wenn sich Hülkenberg das Ganze nicht vor dem Fernseher anschauen will, muss er nach drei Jahren bei Renault darauf hoffen, dass ein anderes Team noch auf ihn setzt.

Die Spekulationen um die Zukunft von Hülkenberg haben also begonnen, denn in den Formel-1-Ruhestand würde er sich nur höchst unfreiwillig verabschieden, das hat er zur Sicherheit gleich mal klargestellt. Günter Steiner, Teamchef des US-Rennstalls Haas, bestätigte im Fahrerlager von Spa-Francorchamps bereits Interesse an einer Verpflichtung des Deutschen. Hülkenberg würde dann das Cockpit von Romain Grosjean bekommen. Bei Red Bull könnte auch ein Platz frei werden neben Max Verstappen - sollte Albon als zweiter Nachwuchsfahrer nach dem nun wieder für Toro Rosso fahrenden Pierre Gasly bis zum Saisonende keine Leistung bringen. Danach sieht es aber gerade nicht aus. Jedes Rennen ist also seit Spa eine Bewerbung für Hülkenberg. Am Sonntag wurde er Achter, damit hat er in der WM-Wertung als Vierzehnter 21 Punkte - und hält seinen Rekord, es in 169 Grand Prix in der Formel 1 noch nie aufs Podium geschafft zu haben.

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Alexander Albon

F1 Grand Prix of Belgium

Quelle: Getty Images

Bei einem Debüt sind die Hoffnungen auf eine gute Leistung ja immer besonders groß. Für Alexander Albon, der vor dem Großen Preis von Belgien in seiner ersten Formel-1-Saison von Red Bulls Nachwuchsteam Toro Rosso zum Kollegen von Max Verstappen befördert wurde, dürfte sich der Sonntag also angefühlt haben, als habe er das Rennen gewonnen. Von Platz 17 gestartet, arbeitete er sich fast schon unauffällig Stück für Stück nach vorne, bis er schließlich als Fünfter hinter Charles Leclerc, Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und Sebastian Vettel über die Ziellinie fuhr - und damit einen frühen Beweis lieferte, dass die Entscheidung von Red Bull richtig gewesen sein könnte. Seine Mutter und Schwester hüpften in der Box vor Freude auf und ab - und auch Albon war glücklich. "Ich hatte viel Spaß da draußen und habe das Rennen sehr genossen", sagte der 23 Jahre alte britisch-thailändische Motorsportler. "Ich bin sehr nervös in dieses Wochenende gegangen, jetzt bin ich etwas entspannter."

Seinen ersten Start für Red Bull hatte Albon zuvor mit dem ersten Schultag verglichen, für ihn gehe es jetzt vor allem darum, sich den Abläufen im neuen Team einzufinden. Er blieb dem Vergleich auch nach dem Rennen treu: "Es gibt definitiv Bereiche, in denen ich mich verbessern muss. Ich werde ein paar Hausaufgaben machen und diese dann in Monza anwenden." In der Gesamtwertung ist Albon nun Zehnter nach dem dreizehnten von insgesamt 21 Rennen. Teamchef Christian Horner dürfte seinem neuen Schüler kein schlechtes Zeugnis ausstellen.

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Neue Rennen

Formel 1 - GP Deutschland

Quelle: dpa

Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel und der fünfmalige Weltmeister Lewis Hamilton haben bisweilen unterschiedliche Geschmäcker und Ansichten. Als in Spa über die Zukunft der Formel 1 gesprochen wurde, zeigte sich das wieder. Der internationale Automobilverband Fia gab in der Woche des Großen Preis von Belgien den Rennkalender für die Saison 2020 bekannt. Erstmals in der Geschichte wird die Formel 1 an 22 Wochenenden fahren, einem mehr als in diesem Jahr. Die Saison beginnt am 5. März in Australien und wird am 29. November in Abu Dhabi enden. Noch muss der Weltrat der Fia den Kalender final absegnen - was jedoch als reine Formalie gilt. "Ich würde gerne zu 16 Rennen zurückgehen", sagte Vettel zu der Erweiterung seiner künftigen Reisepläne. "Damit bin ich aufgewachsen. Das ist eine gute Zahl, finde ich. Das würde uns Zeit geben, noch andere Dinge zu tun." Und Hamilton? "Das ist auch nur ein Wochenende mehr", sagte der Brite, seine Mechaniker seien ohnehin immer so motiviert.

Neu dabei sind die Rennen im vietnamesischen Hanoi und im niederländischen Zandfoort. Nicht mehr berücksichtigt wurde hingegen Hockenheim, eine der Traditionsstrecken. Das Aus hatte sich bereits angedeutet, für die Betreiber des in Baden-Württemberg gelegenen Kurses sind die Antrittsgebühren in Millionenhöhe bei einem möglichen Minusgeschäft aufgrund des zurückgegangenen Zuschauerinteresses zu hoch gewesen. "Ich glaube nicht, dass die Formel 1 es sich leisten kann, Rennen in Ländern mit einer großen Geschichte in diesem Sport zu verlieren", sagte Vettel. "Ich denke, dass die Formel 1 Deutschland braucht. Es ist Schwachsinn eigentlich, Deutschland abzuwinken." Was den Fans und Betreibern des Hockenheims bleibt, ist die Hoffnung, noch als Ersatzrennen aufgenommen zu werden.

© Sz.de/schm
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