Sieben Kurven in der Formel 1:Vettel zweifelt an seiner Liebe

Der Ferrari-Pilot wünscht sich härteres Racing. Lewis Hamilton stellt einen Rekord von Michael Schumacher ein. Milliardärs-Sohn Lance Stroll will durch Talent statt Dollars überzeugen.

Von Elmar Brümmer

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Sebastian Vettel

Formel 1: Grand Prix von Kanada

Quelle: dpa

Es war ein beinahe tragikomischer Versuch, den der Ferrari-Pilot nach dem Rennen unternahm, in dem er bis zur 48. Runde wie der Sieger ausgesehen hatte, dann aber für einen Fast-Crash mit Lewis Hamilton jene fünf Strafsekunden kassierte, die ihm den Triumph nahmen. Der Heppenheimer hatte schon über den Boxenfunk von "Blindheit" gesprochen und gemutmaßt, dass ihm die Rennkommissare den Sieg stehlen wollten. Seinen Ferrari hatte er erst gar nicht im Parc fermé abgestellt, der Parkplatz für den Zweiten, der sich als Erster sah, war leer geblieben. Vettel stürmte zu Fuß dorthin, nahm den Aufsteller mit der Zwei und tauschte diesen gegen die Eins vor Lewis Hamiltons Siegerauto aus. Kindisch oder verständlich? Seit langem schafft es Vettel mit seinen Tiraden und den Klagen über die übertriebene politische Korrektheit ("Fahrer klingen wie Anwälte"), zu polarisieren. 47 Runden lang war er ein Rennen gefahren, das ihm gezeigt habe, warum er diesen Sport betreibe. Nach dem Ärger mit den Funktionären aber befand er: "Das ist nicht mehr die Formel 1, in die ich mich mal verliebt habe."

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Canada

Quelle: AFP

Siebter Sieg in Montreal, damit hat der Titelverteidiger den Rekord von Michael Schumacher eingestellt. 13 Siege fehlen dem Briten noch, dann würde er die Bestmarke von 91 Grand-Prix-Erfolgen des Kerpeners erreichen. Das scheint möglich angesichts der Dominanz des fünffachen Weltmeisters und des Mercedes-Teams. Bis Ende kommender Saison hat der 33-Jährige, der vor der Siegerhymne in Montreal Sebastian Vettel zu sich auf die oberste Stufe gezogen hatte, noch einen Vertrag. Aber die Karriere könnte noch weit darüber hinaus gehen: "Ich kann sicher noch fünf Jahre weiterfahren, so lange, bis es mir keinen Spaß mehr macht. Ich würde etwas verschwenden, wenn ich jetzt zurücktreten würde. Ich bin unglaublich entschlossen, zu gewinnen." Den Erfolg in Kanada nimmt er natürlich mit, auch wenn er auf diese Art und Weise eigentlich nicht siegen wolle. Dass die Strafe für den deutschen Kontrahenten verdient gewesen sei, daran zweifelt er nicht: "Oder sollte es nicht bestraft werden, wenn ein anderer in die Mauer gedrängt wird?"

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Mattia Binotto

F1 Grand Prix of Canada - Final Practice

Quelle: AFP

Es war die beste Chance für Ferrari, endlich die Siegesserie von Mercedes zu brechen. Bis zum Sommer, so hatte sein Fahrer Vettel gefordert, müsse man die Kräfteverhältnisse umdrehen. Auf dem Circuit de Gilles Villeneuve hatte man die Vorteile der Streckencharakteristik mit ihren vielen Geraden genutzt, für Vettel war es die erste Pole-Position seit Juli 2018. Und dann der Ausrutscher unter Druck und die Zeitstrafe. "Es war sicher nicht seine Absicht, und in ähnlichen Fällen ist schon anders geurteilt worden", sagt Binotto. Auch der Italo-Schweizer am Kommandostand fühlte sich als wahrer Sieger, es nützt ihm nur nichts. Der Ingenieur versucht, sich daher über die Formsteigerung zu freuen, weiß aber vor allem eins: "Entscheidend ist, dass wir jetzt positiv bleiben. Darin müssen wir auch Sebastian unterstützen." Zunächst muss er entscheiden, ob Ferrari die 96-stündige Einspruchsfrist nützt, obwohl die Aussichten für einen erfolgreichen Protest gegen Tatsachenentscheidungen gering sind - falls er überhaupt zugelassen wird.

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Toto Wolf

Toto Wolff

Quelle: dpa

Die Wutrede Vettels ("Ich mag nicht, wie es heute läuft. Wir klingen alle wie Anwälte. Das macht den Sport sicher nicht interessanter.") stößt beim Teamchef des Ferrari-Rivalen durchaus nicht auf taube Ohren. Auch der Österreicher will lieber mehr hartes Racing sehen, obwohl schon beim vergangenen Rennen in Monaco Valtteri Bottas durch Abdrängen um den möglichen Sieg gebracht wurde. Aber dank der anhaltenden Siegesserie, die auch ein am Sonntagvormittag entdecktes Hydraulikleck an Hamiltons Antriebsstrang nicht stoppen konnte, zeigt sich Wolff ausbalanciert: "Manchmal spielen Entscheidungen dir in die Karten, manchmal nicht. Sie sind aber niemals schwarz und weiß. In so einem Fall hat jeder eine andere Meinung und das respektiere ich natürlich. Die Rennkommissare sollten aber nicht weiter unter Druck gesetzt werden." Auch er weiß, dass die Kontroverse gut fürs Geschäft ist, und fürs Erste von dem Vorwurf ablenkt, dass Mercedes die Formel 1 zu Tode siege.

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Romain Grosjean

F1 Grand Prix of Canada

Quelle: AFP

Sein 150. Formel-1-Rennen zu feiern, das ist dem Franzosen schon vor dem Rennen in Montreal nicht in den Sinn bekommen. Er fühle sich momentan eher so, als nehme er an Olympischen Spielen für Pechvögel teil, teilte Grosjean mit. Der Große Preis von Kanada machte da keine Ausnahme, der Haas-Pilot kam auf Position 14 ins Ziel, so wie er gestartet war. In der Qualifikation hatte ihn der Unfall seines Teamkollegen Magnussen eine bessere Runde mit dem Ferrari-Kundenauto gekostet, im Rennen flogen nach einem Crash plötzlich abgebrochene Flügelteile in sein Cockpit, die der 33-Jährige geistesgegenwärtig wieder rauswarf. Grosjean ist für seine Jammerei bekannt, aber man muss tatsächlich Mitleid mit ihm haben: In Australien verlor er ein Rad, in Bahrain fuhr ihm Lance Stroll ins Auto, in Aserbaidschan versagten die Bremsen, in Monaco wurde er in der Qualifikation blockiert. Bleiben bislang zwei Ehrenpünktchen auf dem Konto. Das ist immerhin besser als im vergangenen Jahr, als er acht Rennen lang ohne Zähler blieb.

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Lance Stroll

F1 Grand Prix of Canada

Quelle: AFP

Racing Point ist schon der zweite Rennstall, in den der Milliardär Lawrence Stroll zweistellige Millionenbeträge steckt, damit sein Sohn Lance irgendwann mal Daddys Traum vom Weltmeistertitel erfüllen kann. "Das ist eines der besten Wochenenden im Kalender und ganz bestimmt der Höhepunkt meiner Saison", sagte der 20-Jährige vor seinem Heimspiel. Tatsächlich, Stroll holte sich zum dritten Mal in diesem Jahr zwei Punkte - von Startplatz 17 aus ist das eine ziemlich ordentliche Leistung. Zumal er nach einem Hydraulikschaden am neuen Mercedes-Motor wieder zum alten, schwächeren Aggregat zurückkehren musste. Nach zwei punktlosen Wochenenden in Folge hatten sich die großen Gegner des Kanadiers schon wieder formiert, das sind jene Zweifler, die von einem verzogenen Söhnchen sprechen. So tritt der zweitjüngste Fahrer der Formel-1-Geschichte allerdings nicht auf. Manchmal scheint ihm der Reichtum eher peinlich, er will durch Talent statt Dollars überzeugen.

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Günther Steiner

F1 Grand Prix of Canada - Qualifying

Quelle: AFP

Unter den Teamchefs ist der Südtiroler ein echter Held, auch wenn der Haas-Rennstall nicht unbedingt im Mittelpunkt steht. Seit der Streamingdienst Netflix seine Formel-1-Serie ausstrahlt, kennt eine weltweite Fangemeinde das harte Berg-Englisch des Motorsportfachmanns. Steiners Sprüche und Flüche (und auch sein Akzent) sind Kult. Der 54-Jährige verfolgt seine Ideallinie, hart, aber nicht uncharmant - und für die Branche unglaublich uneitel. Beim Rennen in Kanada bekamen die Netflix-Regisseure frisches Material. Sein Pilot Kevin Magnussen beschwerte sich, dass er noch nie in einem so schlechten Auto gesessen habe. Der Däne hatte wohl vergessen, dass er es war, der den Haas-Ferrari am Nachmittag in die Mauern gesetzt hatte. Sein Renningenieur blieb trotzdem höflich: "Niemand von uns ist glücklich mit dem Tempo, wir haben die ganze Nacht lang das Auto repariert." Dann schnappte sich Steiner erneut das Funkgerät: "Es reicht. Genug ist genug." Magnussen, der gern den harten Wikinger gibt, dürfte nach dem vorletzten Platz kleinlaut in die Box zurückgekommen sein ...

© SZ.de/tbr
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