Als noch elf der 70 Runden beim Großen Preis von Kanada übrig waren, kam kurz Hoffnung auf. Das Safety Car war abgebogen, und für die Verfolger von Max Verstappen bot sich eine gute Gelegenheit, ihn anzugreifen, vielleicht sogar ihn zu überholen. Lando Norris gab sich redlich Mühe, aber sein McLaren kam einfach nicht dicht genug an den Red Bull heran. Weltmeister Verstappen blieb vorne – und gewann den neunten Lauf dieser Formel-1-Saison, der bei Regenwetter geprägt war von der richtigen Reifenwahl. „Es war ein ziemlich verrücktes Rennen, in dem viel passiert ist. Aber wir sind als Team ruhig geblieben und haben das gut gemanagt“, sagte Verstappen: „Das hat richtig viel Spaß gemacht.“
Eine Reihe weiter hinten gab es bis zum Schluss Action. Erst versuchte George Russell, sich den dritten Platz von Oscar Piastri zu schnappen, kam aber nicht vorbei. Dann zog Russells Teamkollege Lewis Hamilton an beiden vorbei, bevor Russell sich doch noch durchsetzte und nach einem engen Duell den ersten Podestsplatz für Mercedes in dieser Saison holte. „Man muss es positiv sehen“, sagte der Brite. „Das erste Podium dieses Jahr und es ist toll zu sehen, dass es nach vorne geht.“
Dank seines 60. Karrieresiegs, dem sechsten in dieser Saison, führt Verstappen in der WM-Wertung mit 56 Punkten vor Charles Leclerc, der mit Ferrari ein Wochenende zum Vergessen erlebte.
Formel 1:Mächtig Bewegung im Karussell
Nach den jüngsten Entscheidungen vor dem Großen Preis in Kanada stehen die Chancen von Mick Schumacher auf eine Rückkehr in die Formel 1 wieder besser. Doch im Fahrerfeld ist vieles noch unklar.
Schon beim Start hatte sich ein zuletzt ungewohntes Bild geboten. Ganz vorn stand doch tatsächlich ein Mercedes: Russell hatte es auf die Pole Position geschafft, die erste für die Silberpfeile seit Ungarn 2023. Eine kuriose noch dazu. 1:12,000 Minuten brauchte für die 4,361 Kilometer nämlich nicht nur Russell, sondern auch Max Verstappen. Der Weltmeister fuhr exakt die gleiche Zeit in der Qualifikation am Samstag. Weil er seine schnellste Runde nach dem Briten gefahren war, ging Platz eins jedoch an Russell, Verstappen begann als Zweiter. In der langen Geschichte der Formel 1 hatte es so eine Konstellation bisher erst einmal gegeben, am 26. Oktober 1997 in Jerez: Jacques Villeneuve, Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen waren auf den ersten drei Plätzen gleich schnell – Villeneuve war dann im Rennen als Dritter der Einzige, der am Ende aufs Podium kam.
Der Blick an den Kommandoständen geht gen Himmel und auf den Regenradar
Russell bemühte sich direkt, ein besseres Ergebnis rauszuholen. Der 26-Jährige konnte sich am Start durchsetzen, Verstappen und die beiden McLaren von Lando Norris und Oscar Piastri klebten dicht dahinter – aber keiner kam vorbei. Eine große Gischtwolke hinter sich herziehend, verschaffte Russell sich bald drei Sekunden Luft auf Verstappen. Die meiste Bewegung ins Feld brachten jedoch Hinterbänkler: Die beiden Haas hatten Regenreifen statt Intermediates angeschraubt, auf dem nassen Asphalt war das ein Vorteil: Kevin Magnussen rauschte von Platz 14 erst auf acht und war am Ende der dritten Runde sogar Vierter, sein Teamkollege Nico Hülkenberg hatte sich von 18 auf acht vorgearbeitet. Die Euphorie blieb jedoch nur Beifahrer bis zu den Boxenstopps. Ins Ziel rollte Hülkenberg als Elfter.
Auch bei Russell erhielt die Freude über die guten Aussichten einen Dämpfer. Nach etwa einem Drittel der Gesamtdistanz überholte Norris erst Verstappen, bevor er sich Russell schnappte, der dann auch noch Verstappen auf der Gerade an sich vorbeiziehen sah. Norris hätte wohl so schnell nichts verdrängen können – nach wenigen Runden betrug sein Vorsprung acht Sekunden –, wäre nicht Logan Sargeant in der 25. Runde mit seinem Williams in der Bande gelandet. Sein Auto musste mit einem Kran geborgen werden, das Safety Car kam auf die Strecke.
Verstappen, Russell und Piastri bogen ab, um sich frische Intermediates zu holen. Norris folgte eine Umdrehung später – und kam dann erst nach Russell als Dritter auf die Strecke zurück.
Der Blick an den Kommandoständen ging gen Himmel und auf den Regenradar, die Wahl der Reifen wollte gut überlegt sein. Bei Ferrari aber vermochte nichts mehr, dieses Wochenende zu retten. Maues Qualifying mit Platz elf und zwölf, maues Rennen: Leclerc, immerhin Sieger beim vergangenen Grand Prix in Monaco, klagte über Motorenprobleme – und wurde in der 37. Runde als Vorletzter überrundet. Hinzu kam: Mit Trockenreifen konnte er nach einem Regenschauer auf der nassen Strecke nicht mithalten. Sechs Umdrehungen später hörte er im Funk: Auto abstellen. „Es war klar, dass ich hier nicht wie in Monaco fliegen würde und wir wussten, dass es schwierig wird“, sagte Leclerc. „Dass es dann so eine unangenehme Überraschung war, hatten wir nicht erwartet.“ Carlos Sainz verlor in der 54. Runde die Kontrolle über seinen Wagen, kollidierte mit Alex Albon im Williams – und musste ebenfalls vorzeitig aufhören.
Mercedes-Pilot Hamilton startete in der 44. Runde eine Reifenwechsel-Reihe; einer nach dem anderen entschied sich nun für Trockenpneus. Dadurch bekam Norris kurz die Aussicht darauf, sich die Spitzenposition zurück zu ergattern, ganz knapp reichte es nicht, Verstappen blieb an der Spitze. Norris und Russell kämpften daraufhin um die Verfolgerrolle, unterbrochen vom Unfall zwischen Sainz und Albon nach 54 Durchgängen: Safety Car, frische Pneus für Russell, seinen dritten Platz übernahm Piastri – aber am Ende schaffte es Russell gerade noch so aufs Podium von Montreal, wie einst Villeneuve.