Formel 1:Mächtig Bewegung im Karussell

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Er kann sich wieder mehr Hoffnung auf eine Rückkehr in die Formel 1 machen: Mick Schumacher fährt derzeit Langstrecke für Alpine und als Ersatzpilot für Mercedes. (Foto: Jennifer Lorenzini/Reuters)

Nach den jüngsten Entscheidungen vor dem Großen Preis in Kanada stehen die Chancen von Mick Schumacher auf eine Rückkehr in die Formel 1 wieder besser. Doch im Fahrerfeld ist vieles noch unklar.

Von Anna Dreher, Montréal/München

Das erste Beben war schon früh in diesem Jahr zu spüren gewesen, und wie! Lewis Hamilton zu Ferrari! Als diese Nachricht im Februar um den Globus rauschte und sich der spektakulärsten Wechsel der jüngeren Formel-1-Geschichte schnell vom Gerücht zur offiziellen Mitteilung wandelte, war klar, dass hier eben ein massiver Dominostein umgestoßen worden war. Der siebenmalige Weltmeister ab 2025 bei der Scuderia, da ploppten etliche Fragezeichen auf, weil auf einmal ein Schub ins Fahrerkarussell kam, der so nicht antizipiert worden war.

Zu diesem Zeitpunkt liefen immerhin bei zwei Dritteln des Feldes die Verträge zum Saisonende aus, zwölf Fahrer hatten ihre Signatur über 2024 hinaus noch unter keinen Kontrakt gesetzt. Wer fährt künftig im Silberpfeil? Was passiert mit Carlos Sainz nach seiner Zeit bei Ferrari? Und überhaupt mit allen anderen? Vor dem Großen Preis von Kanada ist nun wieder Bewegung in den Transfermarkt der Hochgeschwindigkeitsbranche gekommen. Vor allem ist der nächste große Dominostein gefallen, wenn auch nicht so wuchtig, wie jener von Hamilton, aber durchaus wirksam. Es gab eine Trennung und einen Handschlag, was zu einer Entwicklung geführt hat, die auch Mick Schumacher wieder stärker in den Fokus rückt.

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Am Montagmittag teilte zunächst der Rennstall Alpine mit, dass der auslaufende Vertrag von Esteban Ocon nach fünf Jahren nicht verlängert werde. Dass bei der Équipe Tricolore schlechte Stimmung herrscht, war zuletzt beim Grand Prix von Monaco Ende Mai zu spüren. Ocon kollidierte mit Teamkollege Pierre Gasly, danach hatte die Teamspitze ihm mit Konsequenzen gedroht. Ob Alpine mit Gasly weitermacht, steht offiziell ebenfalls noch so wenig fest wie die Nachfolge von Ocon. Für Schumacher öffnet das die Tür zurück in die Formel 1 ein Stückchen mehr. Seine Chance auf eine Rückkehr ist seit dieser Woche ganz amtlich zumindest realer geworden.

Wie es bei Schumacher weitergeht, wird auch von den Entscheidungen anderer Fahrer abhängen

Ein Jahr war der 25-Jährige ohne Stammplatz im Motorsport unterwegs, nachdem sein Vertrag bei Haas in der Formel 1 nach 2021 und 2022 nicht verlängert worden war. Seit dieser Saison ist Schumacher nicht mehr nur Ersatz- und Entwicklungspilot bei Mercedes, sondern absolviert ein Doppelprogramm: Für Alpine tritt er in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC an. Mitte Juni findet das große Highlight, der 24-Stunden-Klassiker in Le Mans statt, wo 1991 schon sein Vater fuhr, Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher. Am Steuer eines Hypercars, eines Prototypen der Spitzenklasse, hat Mick Schumacher zwar noch keine Punkte gesammelt. Aber er hat auf sich aufmerksam gemacht. Und nicht zuletzt darum geht es: Im Gespräch und im Rhythmus bleiben, um bereit zu sein, wenn eine Chance kommt.

„Ich bin sehr happy mit Mick, er ist superschnell“, hatte Bruno Famin, Formel-1- und WEC-Chef von Alpine, ihn kürzlich bei Sky gelobt. „Ich bin sehr beeindruckt von ihm, denn er hat vom ersten Tag seine Einstellung angepasst an die Langstreckenrennen. Er pflegt einen sehr guten Umgang mit seinen Teamkollegen. Für 2025 ist alles offen, jeder spricht mit jedem. Es wäre ein Fehler, Mick nicht auf der Liste zu haben.“ Das Problem ist nur, dass auf dieser Liste sicherlich auch andere Namen stehen, wie zum Beispiel jener von Alpine-Junior Jack Doohan, dessen Förderung sich irgendwann auszahlen soll.

Sergio Perez hat bei Red Bull verlängert - damit ist wieder ein Cockpit weniger auf dem Markt. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Vieles kommt auf die Entscheidungen anderer Fahrer und Rennställe an. Und damit kommt der Handschlag aus dieser Woche ins Spiel, zwischen Red Bull und Sergio Pérez. Am Dienstagabend informierte das Weltmeisterteam, dass der 34-Jährige bis Ende 2026 Garagennachbar von Max Verstappen bleibt. Das überraschte ein wenig, weil der Leistungsunterschied bisweilen groß war und Verstappen mehr oder weniger als Einzelkämpfer über den Asphalt donnerte. Nicht, dass der Titelverteidiger Hilfe brauchte, aber seit McLaren und Ferrari aufgeholt haben, ist die Luft an der Spitze dünner geworden. 2023 wurde Pérez Zweiter, aktuell ist er Fünfter. „Kontinuität und Stabilität sind fürs Team wichtig“, sagte Teamchef Christian Horner und sprach von einer erfolgreichen wie robusten Partnerschaft.

Dass diese doch nicht so robust sein könnte, darauf hatte nach dem Abschied von Hamilton Mercedes gehofft. Toto Wolff, der Erfolg gewohnte Anführer, würde zu gerne den siebenmaligen Weltmeister mit dem amtierenden, dreimaligen Champion Verstappen ersetzen. Als Red Bull zum Saisonstart tief in der Stimmungskrise steckte, wurde diese Verbindung zumindest gedanklich möglich. Inzwischen sieht es danach aus, als könnte der als großes Talent gerühmte Mercedes-Junior Andrea Kimi Antonelli zum Kollegen von George Russell befördert werden. Oder, gewissermaßen als Vorstufe, beim Mercedes-Kundenteam Williams landen. Der 17-jährige Italiener fährt 2024 seine erste Saison in der Formel 2 und hat bereits Testrunden in einem alten Silberpfeil absolviert.

Dass beide Red-Bull-Plätze vergeben sind, wirkt sich auf die Dynamik im eigenen Junior-Team mit dem klangvollen Namen „Visa Cash App RB Formula One Team“ aus. Daniel Ricciardo, alles andere als ein Junior, und Yuki Tsunoda sind ebenso schwebende Teile des komplizierten Puzzles für 2025 wie die beiden Plätze bei Haas. Der Vertrag von Kevin Magnussen endet, Nico Hülkenberg zieht es zu Sauber, wo der einzige deutsche Stammfahrer bei der Aufbauarbeit helfen soll, bevor es ab 2026 als Audi-Werksteam startet. Bei Williams ist auch ein Cockpit frei. Lance Stroll bei Aston Martin nicht dazu gezählt – sein Vater ist der Besitzer – sind also momentan noch neun Stellen zu vergeben.

Carlos Sainz, der bei Ferrari für Hamilton weichen muss, hat zumindest öffentlich noch keine neue Anstellung gefunden. Audi soll sich intensiv um ihn bemühen, aber im Prinzip hätte jeder Rennstall den Spanier gerne bei sich – in der WM-Wertung ist Sainz mit wenig Rückstand Vierter. Für mehr Klarheit muss sein Dominostein als Nächstes kippen.

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