George Russell
Der ersten Pole-Position für Mercedes in dieser Saison folgte im Rennen der erste Podiumsplatz, aber ein lachender Dritter war George Russell nicht. Der durch einen nagelneuen Frontflügel endlich wieder konkurrenzfähige Silberpfeil war ein Sieganwärter, das ist die gute Nachricht – denn die Formel 1 wird an der Spitze damit zum Vierkampf. Aber ein paar unglückliche Aktionen verhinderten den Triumph, was den Briten ungeheuer ärgerte: „Für mich fühlt sich das wie eine verpasste Chance an. Wir hatten das nötige Tempo. Aber ich habe den Preis für ein paar kleine Fehler bezahlt, und dass ich zu viel wollte.“
Gerade noch gut ging in der Schlussphase das Duell mit seinem Teamkollegen Lewis Hamilton um Rang drei. Teamchef Toto Wolff, der ebenfalls von einem „bittersüßen“ Moment sprach, hatte nicht umsonst ins Cockpit gefunkt: „George, konzentrier’ dich!“ Es wird das Motto der nächsten Wochen bleiben.
Lando Norris

Papaya bleibt die Überraschungsfarbe der Formel 1, der zweite Rang von Lando Norris und der fünfte seines Teamkollegen Oscar Piastri sorgten dafür, dass McLaren einmal mehr die meisten Punkte aller Rennställe einfahren konnte. Norris, dem bei seinem allerersten Grand-Prix-Sieg in Miami noch das Safety-Car-Glück hold war, verlor in Kanada durch die Neutralisierung just in dem Moment die Siegchance, als er dem Feld schon enteilt war: „Wir hätten nicht nur gewinnen können, wir hätten einfach gewinnen müssen. Deshalb können wir auch nicht so richtig zufrieden sein mit einem zweiten Platz.“
Damit korrigierte der Brite selbstkritisch die offizielle Sprachregelung. Wohl wissend, dass er dennoch als Geheimfavorit gehandelt wird, denn seit der Generalüberholung des McLaren vor fünf Wochen beweisen Fahrer wie Fahrzeug, dass ihnen jeder Typ Rennstrecken zu liegen scheint. Noch orientiert sich das Traditionsteam aber nicht an Verstappen und Red Bull, auf der Wegstrecke ganz nach oben heißt der nächste Gegner Ferrari.
Max Verstappen

Krise, das ist ein zu abstrakter Begriff für einen dreimaligen Formel-1-Weltmeister, der jetzt auch noch Hattrick-Sieger in Kanada ist. Er könne sich selbst nicht richtig erklären, warum der beruhigende Flow bei Red Bull Racing verloren gegangen sei in den letzten Wochen, sagte Max Verstappen. Zweimal hatte der Niederländer im Monat Mai nicht gewinnen können, weshalb der sechste Saisonsieg auf dem Circuit Gilles-Villeneuve eine gewisse Erlösung war.
Das Auto ist zwar immer noch schwierig zu fahren, die Konkurrenz ist stärker geworden, aber wenn es drauf ankommt, dann macht der Titelverteidiger eben wenige bis keine entscheidenden Fehler. Bisweilen dramatische Wetterbedingungen und höchst aggressive Gegner konnten ihn ebenfalls nicht von seiner Machtdemonstration abbringen. So viel Spaß wie an diesem chaotischen Wochenende hatte er schon lange nicht mehr: „Das hat mich an meine Jugend im Rennkart erinnert.“ Schon damals zeigte er sein Ausnahmetalent immer dann, wenn es mal schwierig wurde. Wahre Champions sind auch echte Anpasser.
Ferrari

Charles Leclerc, der strahlende Sieger von Monaco, schon nach 40 der 70 Runden mit einem stotternden Motor aus dem Rennen genommen, Carlos Sainz in Runde 52 als Unfallverursacher ausgeschieden – das strahlende Rot von Ferrari verdunkelte sich wie der Unwetter-Himmel über Montreal. „Wie kann es sein“, fragte sich Sainz, „das unmittelbar nach unserem stärksten Rennwochenende der Saison gleich unser schwächstes folgt?“
Schon in der Qualifikation waren die beiden Ferraristi jenseits von Gut und Böse, der kurzfristig entthronte Kronprinz Leclerc hatte bereits aus dem Cockpit seinen ganzen Frust an den Kommandostand gefunkt. Zu nervig seien diese Schwankungen, deshalb forderte er nach der unangenehmen Überraschung und den merkwürdigen technischen Problemen einen „Re-Set“ bei der Scuderia. Der Sprung wie neulich ins Hafenbecken von Monte Carlo wäre auf der olympischen Ruderstrecke im zugigen Montreal ohnehin nicht so angenehm gewesen.
Yuki Tsunoda

Wieder ist einer vom Fahrerkarussell der Formel 1 abgesprungen: Red-Bull-Zögling Yuki Tsunoda hat kurz vor der Qualifikation in Montreal seinen Arbeitsvertrag zumindest um ein Jahr verlängert bekommen. Eine Belohnung dafür, dass der 24-Jährige, der bei seinem Einstieg in die Königsklasse vor vier Jahren als schwer berechenbar galt, gewaltig an sich gearbeitet hat. Das technische Verständnis ist gewachsen, die körperliche Fitness hat zugenommen, und die Konstanz stimmt auch – fünfmal in neun Rennen ist er mit dem Auto der Racing Bulls in die Punkte gefahren.
Auch in Montreal war er lange auf Kurs, zwischenzeitlich Siebter, ehe er einmal kurz die Kontrolle über sein Auto verlor. Dass er zu spät zur Nationalhymne vor dem Rennen kam, kostete dazu noch 10 000 Euro Strafe. Was für ein Kontrast innerhalb von 24 Stunden, da befasste er sich lieber mit der Perspektive. „Es freut mich, dass die Leute erkennen, wie hart ich an mir gearbeitet habe“, sagte der Japaner. Die Enttäuschung, nicht zum großen Bruder Red Bull befördert worden zu sein, hält sich damit in Grenzen. Tsunoda wird inzwischen auch anderswo als Mann der Zukunft gehandelt. Den Honda-Konzern hinter sich zu wissen, kann dabei kaum schaden.
Neue Regeln

Rennwagen, die kürzer werden, schmäler und trotzdem über 1000 PS stark sind. Angetrieben von einem Hybrid-Aggregat, zur Hälfte aus Elektrokomponenten bestehen – so stellt sich der Automobilweltverband Fia eine spannendere und grünere Zukunft vor. Kommen soll die schöne neue Rennwelt 2026, deshalb engagiert sich ja auch Audi. Aber Teamchefs und Fahrer verspürten nach der Präsentation des groben Regelwerks noch keine richtige Aufbruchstimmung.
Die Sorge ist groß, dass die Rennwagen zu schwer werden. Das alarmierte in Kanada auch McLaren-Teamchef Andrea Stella: „Auf den Geraden sind diese Autos zu schnell, in den Kurven sind sie zu langsam.“ Auf Formel-2-Niveau, wie die Bedenkenträger fürchten, will keiner fahren. Max Verstappen zeigte sich ebenso wenig als Freund der Änderungen. „Es wird definitiv komplizierter“, sagte er und zog angesichts eines Elektro-Boosters eine Parallele zum Computerspiel Mario Kart: „Fehlen eigentlich nur noch Bananenschalen und Schildkrötenpanzer.“ Etwas ernster fügte er an: „Ich sehe noch viele Fragezeichen.“ Bis zum Konstruktionsbeginn 2025 soll mit den Regelhütern noch nachverhandelt werden.
Ralf Schumacher

Ohne Experten kommt in einer komplexen Disziplin wie dem Motorsport kaum ein Fernsehsender aus. Und so feierte der frühere Weltmeister Jacques Villeneuve in seiner kanadischen Heimat ein Comeback als agent provocateur. RTL als Teilzeit-Formel-1-Sender hat als Agitator den ehemaligen Teamchef und Netflix-Star Günther Steiner verpflichtet, auch der üblicherweise für Sky kommentierende Ralf Schumacher soll für die Kölner gelegentlich Meinung machen.
Schumacher und Steiner haben schon oft höchst unterschiedliche Ansichten formuliert, es ging dabei meist darum, wie schlecht Mick Schumacher beim Haas-Rennstall behandelt wurde. Vor Saisonbeginn haben sich die Streithähne telegen ausgesöhnt. Doch jetzt, wo Ralf Schumachers Neffe eine Chance auf ein Cockpit bei Renault hat und Steiner grundlos wieder öffentlich nachgetreten hatte, reichte es Schumacher. Er teilte RTL mit, dass es für ihn nicht mehr infrage komme, mit Steiner gemeinsam aufzutreten: „Das ist meine Familie – und jetzt ist es genug.“