Formel 1 in Silverstone:Räikkönen übt Rallycross am Brückenpfeiler

Kimi Räikkönen rammt alles, was ihm in die Quere kommt. Lewis Hamilton siegt mit der Mentaltaktik von Muhammad Ali. Und nach 22 Jahren sitzt wieder eine Frau am Steuer in der Formel 1. Die Zehn Zylinder vom Rennen in Silverstone.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Formel 1 in Silverstone

Lewis Hamilton

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(Foto: REUTERS)

Kimi Räikkönen rammt alles, was ihm in die Quere kommt. Lewis Hamilton siegt mit der Mentaltaktik von Muhammad Ali. Und nach 22 Jahren sitzt wieder eine Frau am Steuer in der Formel 1. Die Zehn Zylinder vom Rennen in Silverstone. Lewis Hamilton: Reiche Jungs, die sind sein Feindbild. (Und nein, er sagt nicht, dass er damit auch seinen Teamkollegen Nico Rosberg meint.) Beim Heimat-Grand-Prix schläft er zu Hause, im Londoner Norden. Da ist er aufgewachsen, praktisch auf der Straße. Aber jetzt landet der mächtige Helikopter in Papas Garten. Eine zerrissene Persönlichkeit? Nein, einfach nur: Lewis Hamilton. Samstags ein Häufchen Elend, nachdem er die Pole-Position an den Erzrivalen verschenkt hatte. Sonntags der von 100.000 Fans gefeierte Sieger bei seinem Heim-Grand-Prix. Und der Mann, der die WM wieder spannend macht. Mit einer Mentaltaktik, die er sich von Muhammad Ali abgeguckt hat. Und dem puren Hohn für die Siegertrophäe des Rennsponsors, die gleich auseinanderfiel. Er tauschte sie gegen einen fetten Goldpokal. Sah aber irgendwie neureich aus.

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Susie Wolff

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(Foto: dpa)

Susie Wolff: Eine fliegende Runde, dann waren der Motor und das Debüt dahin. Nach 22 Jahren wieder eine Frau am Steuer eines Rennwagens an einem offiziellen Formel-1-Wochenende, und dann ist alles nach ein paar Trainingsminuten vorbei. Dem hochgereckten Daumen der Schottin Susie Wolff, 31, folgten ein paar Tränen. Der Turbo im Williams trägt einen Stern und fällt damit in den Verantwortungsbereich ihres Gatten Toto Wolff, der Motorsportchef von Mercedes ist. Vom Kollegen Sergio Perez, der gerne den mexikanischen Macho spielt, kam der zu erwartende Spruch, dass Frauen in die Küche gehören. Miss Wolff lächelte die Frechheit weg: "Meine Familie kann bestätigen, dass ich viel besser fahren als kochen kann." In Hockenheim darf sie das jetzt noch mal unter Beweis stellen.

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Felipe Massa

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(Foto: dpa)

Felipe Massa: Immer, wenn es um Titel oder Jubiläen geht, geht etwas schief bei Felipe Massa. So ist er als Sekundenweltmeister in die Geschichte eingegangen, und so lief auch sein 200. Grand Prix. Ohne die nötige Fortune ist der 33-Jährige immer der kleine Felipe geblieben. Die Feier in Silverstone wurde ihm schon samstags versaut. In Österreich noch auf der Pole-Position, stürzte er beim Heimspiel des Williams-Teams auf Platz 18 ab. Und im Rennen wurde er zum Opfer des unbeherrschbar gewordenen Ferrari von Kimi Räikkönen, genau auf der Fahrbahnmitte kreuzte ihn die rote Billiardkugel, der Brasilianer startete blitzschnell ein Ausweichmanöver, dass zwar seinen Wagen fahrunfähig machte, aber ihm wohl auch das Leben rettete. "Ein Wochenende zum Vergessen", bilanziert Massa, "immerhin bin ich glücklich, nicht verletzt worden zu sein."

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Kimi Räikkönen

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(Foto: picture alliance / dpa)

Kimi Räikkönen: Die meisten Rennfahrer können nur so gut sein wie ihr Auto, und Kimi Räikkönen kann nur in einem guten Auto richtig schnell sein. In diesem Jahr sitzt er im falschen Rennwagen, denn der Ferrari F 14 T ist zu langsam. Sich mit 34 nochmal quälen, das war nicht der Plan bei seiner Rückkehr nach Maranello. Auf die Frage, wie er seine Zukunft sieht, erklärte der Weltmeister von 2007 gewohnt kompromisslos: "So lange, bis mein Vertrag ausläuft. Dann werde ich wahrscheinlich aufhören." Der Finne wird kaum in PS-Rente gehen - er liebäugelt damit, Rallycross auszuprobieren. Ein Vorgeschmack war das Manöver, das zum Rennabbruch und der einstündigen Unterbrechung in Silverstone führte. Der von der Piste abgekommene Ferrari wurde von einer Bodenwelle auf die Piste katapultiert, Räikkönen kollidierte mit einem Brückenpfeiler und landete schließlich heftig in den Leitplanken. Geblieben sind aber nur ein paar Prellungen.

Formel 1 in Silverstone

Max Chilton

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(Foto: Getty Images)

Max Chilton: Schon wieder einer dieser reichen Jungs, auf die Lewis Hamilton so verächtlich blickt. Als Sohn eines Versicherungsbosses fährt der 23-Jährige seine zweite Formel-1-Saison, aber so richtig wahr- und ernstgenommen wird er nicht. Was auch daran liegt, dass man mit einem Marussia keine großen Sprünge machen kann. Letzte Saison lieferte er ausgerechnet in Silverstone sein schlechtestes Rennen ab, er gab dem "Hype" die Schuld. Deshalb engagierte er jetzt einen Mentaltrainer, der schon britische Goldmedaillengewinner bei Olympia betreut hatte. Der riet dem Rennfahrer, jeden Abend, bevor er sich schlafen lege, eine Runde im Kopf durchzuspielen. Chilton folgte dem Rat, kam schon vor dem ersten Training auf 100 Runden. Und lag im Rennen plötzlich auf Rang zehn, so weit vorn wie nie. Aber dann wollte er cleverer sein als die anderen, bog zum Reifenwechsel ab - und übersah dabei die rote Flagge nach dem Rennabbruch. Die Zeitstrafe trug zum Ergebnis bei: vorletzter Platz, zweimal überrundet.

Formel 1 in Silverstone

Jenson Button

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(Foto: Getty Images)

Jenson Button: Dritter Startplatz, das war mehr, als sich Jenson Button je erträumt hatte. Der 34-Jährige steht auf Kriegsfuß mit Silverstone, in 15 Anläufen hat er es nie aufs Podium geschafft. Im Rennen wurde er Vierter, keine Sekunde fehlte ihm auf Daniel Ricciardo. Aber allein die Fahrt da ganz vorn mit einem wenig konkurrenzfähigen McLaren bescherte ihm eine Menge emotionale Momente. Harte Männer weinen manchmal eben doch. Der Brite war mit einem pinkfarbenen Helm unterwegs, der an seinen im Januar verstorbenen Vater erinnerte. John Button war das Maskottchen des Formel-1-Fahrerlagers, "Papa Schlumpf" genannt und von allen gemocht. An Renntagen trug er stets ein rosafarbenes Hemd, und viele Rennfans trugen am Sonntag ihm zu Ehren T-Shirts in Pink. "Ich bin sicher, dass der gute alte Junge mir von oben zugeschaut und gelächelt hat", sagt Jenson Button.

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Bernie Ecclestone

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(Foto: dpa)

Bernie Ecclestone: Er tut so, als ob es den Bestechungsprozess in München gar nicht mehr gibt, den er als seinen "Zweitjob" bezeichnet. Viel lieber dreht Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone auf angestammtem Terrain schon wieder am großen Rad - und stiftet in bewährter Manier Unruhe. Vielleicht liegt es an der Ikarus-Figur, die vor seinem Motorhome in Silverstone aufgebaut wurde und statt Flügeln überdimensionale Auspuffrohre trägt, dass der 83-Jährige schon wieder hochfliegende Pläne hat. Er kokettiert damit, alle Anteile vom Rechteinhaber CVC zurückzukaufen, was etwa drei Milliarden Euro kosten würde. Dann hätte er wieder das, was ihm am wichtigsten ist: die Allmacht. Den kleinen Rennställen hatte er neulich schon beschieden, dass sie "verschwinden" sollten, wenn sie sich die Formel 1 nicht leisten können. Und auch den Veranstaltern von Monza, einem der Klassiker im Rennkalender, soll es ans Leder gehen. Die Italiener fürchten sich, denn Ecclestone droht auch: "Ich möchte das, was ich tue, noch möglichst lange tun ..."

Formel 1 in Silverstone

Colin Kolles

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(Foto: Getty Images)

Colin Kolles: Es ist eher selten, dass der erst 2009 gegründete Rennstall Caterham in die Schlagzeilen kommt - Hinterbänklerschicksal in der Formel 1. Das geschah auch jetzt nur deshalb, weil Teambesitzer Tony Fernandes aus Malaysia, so etwas wie der asiatische Richard Branson, das unprofitable Spielzeug abgestoßen hat. Caterham hat seit ein paar Tagen einen neuen Besitzer, aber den kennt im Team noch keiner. Ein Konsortium von Investoren aus der Schweiz und Kolumbien soll es sein. Vielleicht auch aus Rumänien. Denn plötzlich mischt der Ingolstädter Zahnarzt Colin Kolles, geboren als Călin Colesnic in Timisoara, wieder mit. Er ist Rennleiter, vielleicht auch mehr. Kolles war schon Teamchef in der DTM, bei Force India und zuletzt beim Pleite-Team Hispania Racing. Und hat im mittelfränkischen Greding immer eine Einsatztruppe an der Hand. Für alle Fälle.

Formel 1 in Silverstone

Sebastian Vettel

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(Foto: Getty Images)

Sebastian Vettel: Die Titelverteidigung hat er praktisch abgeschrieben, aber für den Ehrgeizling in ihm ist das kein Grund, nicht alles zu geben. So kamen die Zuschauer in Silverstone doch noch zu einem richtigen Fight. Es ging zwar nur um Platz fünf, aber Vettel und sein alter Widersacher Fernando Alonso kompensierten den Frust über ihre derzeitigen Dienstwagen gleichermaßen in einem rundenlangen Duell, das am und gelegentlich über dem Limit geführt wurde. Der Spanier machte sich breit, der Hesse versuchte sich vorbeizudrängen. Nach jedem Manöver gab es wechselweise Tiraden über den Boxenfunk. In Runde 48, als sich die Autos fast verhakt hatten, ging der Red Bull im Überholmanöver des Rennens vorbei. "Aufregend" fand das selbst der vierfache Champion, gestand aber auch Respekt ein: "Solche Manöver würde ich mich nicht mit vielen anderen Gegnern trauen."

Formel 1 in Silverstone

Nico Rosberg

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(Foto: Getty Images)

Nico Rosberg: Nicht mehr in die Gänge zu kommen, das ist - wortwörtlich - das Schlimmste für jeden Rennfahrer. Auch Nico Rosberg wollte das zickende Getriebe im Silberpfeil lange nicht wahrhaben. Er hatte das Rennen dominiert, vor allem aber seinen Rivalen Lewis Hamilton. Ein Sieg auf dessen Grund, das wäre wohl der mentale K. o. gewesen. Als der Wiesbadener merkte, dass er nicht mehr runterschalten konnte, flehte er die Box um Hilfe an ("Ich brauche ein paar Punkte"), aber die Ingenieure konnten nichts anderes für ihn tun, als in Runde 29 - Hamilton war gerade vorbeigegangen - den Hinweis zu geben: "Stell das Auto ab." Damit steht es in der WM nur noch 165:161 für Rosberg. Aber immerhin, er kommt als Tabellenführer zum Heimspiel in zwei Wochen nach Hockenheim. Und von einer Trendwende will er nichts wissen: "Ich verwende nur Energie auf Sachen, die ich beeinflussen kann. Ich habe immer noch das Gefühl, dass das Momentum bei mir ist."

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