Formel 1 in Saudi-Arabien:Verstappen ringt Leclerc nieder

Formel 1 in Saudi-Arabien: Zwei sehr schnelle 24 Jahre alte Rennfahrer: Max Verstappen (links) und Charles Leclerc haben am Sonntag dafür gesorgt, dass das Wochenende nach zwei völlig chaotischen Tagen ein furioses Finale auf der Strecke erhalten hat.

Zwei sehr schnelle 24 Jahre alte Rennfahrer: Max Verstappen (links) und Charles Leclerc haben am Sonntag dafür gesorgt, dass das Wochenende nach zwei völlig chaotischen Tagen ein furioses Finale auf der Strecke erhalten hat.

(Foto: Steven Tee/Motorsport Images/Imago)

Wie schon in Bahrain duellieren sich die Chefpiloten von Red Bull und Ferrari, diesmal mit dem besseren Ende für den Weltmeister. Mercedes ist abermals chancenlos. Nach zwei Rennen zeichnet sich ein neuer Dualismus in der Formel 1 ab.

Von Philipp Schneider

Vier Runden vor Schluss dieses Rennens in Dschidda versuchte es Max Verstappen zum dritten Mal. Aber diesmal hatte er dazugelernt. Anders als bei den zwei Versuchen zuvor wählte er diesmal den optimalen Moment für seine Attacke. Erst auf der langen Geraden, wenn es dem Verfolger erlaubt ist, den Heckflügel flach zu stellen, schoss er an Charles Leclerc vorbei. Auf den Tribünen sprangen die nach Saudi-Arabien gereisten Niederländer etwas voreilig von ihren Sitzschalen, denn es war noch nicht vorbei. Noch einmal kämpfte sich Leclerc heran, im Windschatten, und kurz vor der Ziellinie versuchte er, den Konter zu setzen. Er setzte an zum Überholen, doch es fehlten ihm wenige Meter - und der Weltmeister feierte im zweiten Rennen seinen ersten Sieg. Diesmal hatte er Leclerc niedergerungen.

Verstappen gegen Leclerc, es war die Neuauflage des Duells, das sich die Chefpiloten von Red Bull und Ferrari schon vor einer Woche in der Schlussphase des Saisonauftakts in Bahrain geliefert hatten. Mit zwei entscheidenden Unterschieden: Diesmal blieb Verstappen vorne, diesmal versagte nicht der Benzinfluss an seinem Rennwagen. Und so zeichnet sich jetzt schon ein Zweikampf am Horizont ab, ein neuer Dualismus, der die kommenden 21 Rennen prägen dürfte. Denn hinter den beiden 24-Jährigen schafften es diesmal ihre Teamkollegen über die Linie: Carlos Sainz im Ferrari, Sergio Perez im Red Bull.

Und die Silberpfeile? Wieder mal abgehängt - George Russell wurde Fünfter, Lewis Hamilton nach einer völlig verkorksten Qualifikation nur Zehnter.

"Es war ein super Rennen", sagte Verstappen: "Am Ende konnte man sehen, dass wir eine etwas bessere Pace hatten. Letzten Endes sind wir jetzt gut in die Saison gestartet." Und auch Leclerc war zufrieden: "Ich habe es absolut genossen. Es war hartes Racing, aber immer fair."

Beim einstiegen Abo-Weltmeister Mercedes genügen derzeit weder Chassis noch Motor den Ansprüchen

Es ist an diesem Wochenende mehr über die chaotische Situation an der Strecke in Dschidda gesprochen worden als über den Sport. Schon bei seiner Premiere im Dezember hatte der Küstenkurs am Roten Meer seine riskante Architektur unter Beweis gestellt. Zwei Rennunterbrechungen gab es, dazu einen Auffahrunfall von Hamilton bei Verstappen. Als der Rennzirkus nun wenige Monate später wieder zurückkehrte nach Dschidda, da schlug sozusagen zur Begrüßung eine Rakete ein in ein sehr nahegelegenes Öl-Depot. Abgefeuert worden war sie von den Huthi-Rebellen, mit denen Saudi-Arabien im südlichen Nachbarland Jemen Krieg führt.

Formel 1 in Saudi-Arabien: Der Wagen von Mick Schumacher war nach dessen heftigen Unfall völlig demoliert - ihm selbst ist glücklicherweise nichts passiert.

Der Wagen von Mick Schumacher war nach dessen heftigen Unfall völlig demoliert - ihm selbst ist glücklicherweise nichts passiert.

(Foto: Clive Mason/Getty Images)

Und nachdem die Formel 1 daraufhin nicht abreiste, krachte Mick Schumacher in der Qualifikation mit Tempo 250 in eine Betonwand. Die hohen Randsteine waren ihm nach einer zu schnellen Einfahrt in eine S-Kurve zum Verhängnis geworden. Er blieb unverletzt, verbrachte allerdings die Nacht vorsorglich im Krankenhaus. Und sein Rennwagen war derart zerstört, dass das Team Haas nur den Piloten Kevin Magnussen ins Rennen schicken konnte, der nach Platz fünf in Bahrain diesmal Neunter wurde.

Die Zeitenjagd brachte zwei Überraschungen: Perez, bekannt und beliebt als zweite Kraft bei Red Bull, schnappte sich in seinem 215. Grand Prix seine erste Pole Position; er fuhr nicht nur schneller als Leclerc und Sainz in den Ferraris, er war flinker als der viertplatzierte Teamkollege Verstappen. Noch kurioser geriet die Vorstellung von Hamilton, der nach einer riskanten Abstimmung seines Silberpfeils über ein "unfahrbares" Dienstauto klagte und die Qualifikation als 15. beschloss. Darüber tröstete auch Platz sechs von George Russell nicht hinweg. Beim einstiegen Abo-Weltmeister genügen derzeit weder Chassis noch Motor den hohen Ansprüchen, die Performance sei "nicht akzeptabel", klagte Teamchef Toto Wolff. Noch schlechter war garantiert nur die Performance des Motors von Yuki Tsunoda, sein Alpha Tauri blieb liegen und schaffte es nicht in die Startaufstellung.

Wegen einer Safety-Car-Phase gerät der frühe Stopp für Perez zur Katastrophe

Die Ampeln gingen aus und Perez raste so routiniert los, als mache er nicht zum ersten Mal in seinem Leben die Erfahrung, die beliebteste Parkbucht zu belegen. Er hielt Leclerc auf Abstand. Dafür schob sich Verstappen vorbei an Sainz. Einen für seine Verhältnisse kleinen Erfolg feierte sehr viel weiter hinten Hamilton, als er sogleich Rang 14 eroberte. Einen Zweikampf jener Art, den es, wenn überhaupt, nur zur Beginn einer Saison geben kann, solange es noch nicht genug Resultate für eine klare Hackordnung gibt, lieferte sich Esteban Ocon mit seinem Teamkollegen bei Alpine.

Ocon verteidigte Platz sechs mit dem Messer zwischen den Zähnen, der hartnäckige Fernando Alonso überholte ihn irgendwann, der Franzose versuchte vergeblich zu kontern. Nutznießer der Fehde war Valtteri Bottas, der plötzlich in Ocons Rückspiegel auftauchte. "Let them race", sagte der von Natur aus mit einer gewissen Bierruhe gesegnete Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer im Kurzinterview am Streckenrand. Bottas überholte Ocon, und damit war der Clinch unter Garagennachbarn erledigt.

An der Spitze baute Perez seinen Abstand aus. Nach sechs Umdrehungen hatte er schon einen Puffer von zweieinhalb Sekunden auf Leclerc herausgefahren. Nach 16 Runden kam der Führende als Erster zum Reifenwechsel an die Box, er ließ sich harte Reifen anschrauben, mit denen er die Ziellinie erreichen würde. Weil aber kurz darauf Nicolas Latifi seinen Williams in die Bande setzte und das Safety Car ausrückte, geriet der frühe Stopp für Perez zur Katastrophe - fast alle anderen Fahrer nutzten nun die Chance und steuerten unter verlangsamtem Renntempo die Box an.

Allein Hülkenberg, Magnussen und Hamilton, der inzwischen auf Position sieben nur noch zwei Plätze hinter seinem Teamkollegen Russell kreiste, fuhren weiter auf gebrauchten Gummis. Und als Bernd Mayländer nach 21 Umdrehungen mit dem Safety Car die Strecke wieder verließ, lautete die neue Reihenfolge: Leclerc, Verstappen, Perez, Sainz. So dachte man ganz kurz.

Formel 1 in Saudi-Arabien: Charles Leclerc lag im roten Ferrari lange vorne in Dschedda - doch Max Verstappen kommt am Ende doch noch vorbei.

Charles Leclerc lag im roten Ferrari lange vorne in Dschedda - doch Max Verstappen kommt am Ende doch noch vorbei.

(Foto: Antonin Vincent/PanoramiC/Imago)

Perez machte Sainz jedoch nach der Rennfreigabe sogleich Platz zum Überholen. Ein Video-Studium hatte die Rennkommissare überzeugt, dass der Spanier zuvor an der relevanten Safety-Car-Linie am Boxenausgang, das die Reihenfolge beim Wiederstart definiert, um Haaresbreite vor Perez gelegen hatte. Red Bull ordnete vorausschauend einen Platztausch an.

Hinter den führenden Vier sortierten sich die Silberpfeile ein, dahinter Schumachers Teamkollege Magnussen und Ocon, die beide davon profitierten, dass Alonso und Bottas mit Defekten ausschieden. Als kurz darauf auch noch Daniel Ricciardo ausrollte und seinen McLaren unglücklicherweise so abstellte, dass die Zufahrt zur Boxengasse versperrt war, wurde das virtuelle Safety Car aktiviert. Hamilton hatte Pech, weil er nicht rechtzeitig abbiegen konnte - das konnte er erst neun Runden vor Schluss, danach fädelte er den Mercedes auf Platz zwölf ein.

Hätten sich Leclerc und Verstappen daraufhin nicht wie schon sieben Tage zuvor ein Finale furioso geliefert, das zweite Gastspiel der Formel 1 in dem rasanten Betontunnel von Dschidda wäre nach zwei völlig chaotischen Tagen mit einem vergleichsweise ereignisarmen Rennsonntag zu Ende gegangen.

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