Formel 1 in Melbourne:Das Milliardärssöhnchen heizt los mit 950 PS

Australian F1 Grand Prix - Previews

Lance Stroll debütiert in der Formel 1.

(Foto: Robert Cianflone/Getty)
  • Lance Stroll ist erst 18 Jahre alt und soll ab diesem Wochenende die Formel 1 aufmischen.
  • Sein Vater hat seinen Start im Rennzirkus mit viel Geld finanziert.
  • Der junge Kanadier gibt sich sehr selbstbewusst.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Die größten Gegner von Lance Stroll haben keine Startnummern, sie heißen Erwartungsdruck und Schadenfreude. "Die Ankunft in seiner Traumwelt Formel 1 endete erst einmal mit Sachschaden", reportierte die Deutsche Presse-Agentur genüsslich von den ersten Probefahrten Anfang März. Dreimal hatte der zweitjüngste Debütant in der Geschichte der Formel 1 seinen Williams-Mercedes über das Limit getrieben, danach musste der Rennstall die Tests abbrechen, so verbogen war der Neuwagen, der da in den Reifenstapeln steckte.

Das kann schon mal passieren mit 18 Jahren und am Steuer eines 950 PS starken Autos, mit dem sich in dieser Saison auch viele Routiniers schwertun werden. Aber der junge Kanadier hat zum Saisonauftakt nun mal das Etikett "Milliardärssöhnchen" an sich haften. In seinem Sport wird gerne alles auf die Spitze getrieben, auf Klischees trifft das auch zu. Dass Stroll als Europa-Champion der Formel 3 den Sprung in die Königsklasse geschafft hat, wie beispielsweise vor ihm die inzwischen etablierten Formel-1-Piloten Lewis Hamilton, Romain Grosjean oder Nico Hülkenberg, wird ungern erwähnt. Es passt nicht ins Bild von der Formel Daddy.

"Große Jungs" nennt der Neuling die anderen 19 Piloten der Formel 1

Daddy, das ist Lawrence Stroll. Ein kanadischer PS-Aficionado, der in Mode und Aktien gemacht hat und damit ein Vermögen von geschätzten zweieinhalb Milliarden Dollar anhäufte. Immer, wenn die Formel 1 nach der Jahrtausendwende Station in Montreal machte, waren die Strolls zur Stelle. Sie freundeten sich auch mit Ferrari und den Schumachers an. Stroll senior war von dem Bild des kleinen Lance in einem roten Spielzeug-Rennwagen so gerührt, dass er die unglaublich klingende Summe von 40 Millionen Dollar in den Werdegang des Sohnemanns gesteckt haben soll - und jetzt noch einmal den gleichen Betrag, um ihn bei Williams unterzubringen, was einer schrittweisen Übernahme des Traditionsteams gleichkommt.

"Auch Michael Schumacher hat einmal als paydriver angefangen", erzählt Monisha Kaltenborn gern, deren Sauber-Rennstall sich früher vorrangig über die Mitgift der Bezahlfahrer finanzieren musste. Tatsächlich brüsten sich heute eine Handvoll Leute, im Herbst 1991 für die 200 000 Dollar aufgekommen zu sein, mit der sich der spätere Rekordweltmeister einen Sitz beim Jordan-Team erkaufen musste. Schnell obsiegte sein Talent.

Genau das ist die Frage, die die Zweifler stellen: Wie groß sind Strolls rennfahrerische Fähigkeiten? Gemessen werden kann er zunächst nur an Max Verstappen, 19, dem Aufsteiger aus dem Red-Bull-Programm, der binnen zwei Jahren zum jüngsten Grand-Prix-Sieger wurde, nachdem er eine Kindheit lang von seinem Vater zum Champion getrimmt wurde.

Oder am Belgier Stoffel Vandoorne, 24, der jetzt im McLaren sitzt und im vergangenen Jahr einen Kurzeinsatz hatte, bei dem er gleich einen WM-Punkt einfahren konnte. "Er hat mein Mitgefühl. Es ist das härteste Jahr, um in die Formel 1 zu kommen", bemerkt WM-Favorit Lewis Hamilton. Die Ankunft von Lance Stroll passt jedoch auch in eine Zeit, in der die Formel 1 endgültig von den Garagisten verlassen und den Investoren erobert wird. Die neuen Hausherren von Liberty Media werden das noch forcieren.

"Ich habe meinen Platz in der F1 verdient"

"Groß denken" ist die Maxime der Strolls. Die Familie ist nach Genf gezogen, weil die Formel 1 eben doch aus Europa gelenkt wird. In den Nachwuchsformeln sind sie mit einem Motorhome-Ensemble durch die Lande getingelt, wie es kleineren Formel-1-Rennställen gut zu Gesichte stehen würde. Lance war Mitglied der Ferrari-Förderung, heuerte beim renommierten Ausbildungsrennstall Prema an, für den jetzt auch Mick Schumacher fährt. Dort zeichnete sich ab, dass die Investition lohnend sein könnte - Gesamtsiege in der Formel 4, in einer Rennserie in Neuseeland und in der Formel 3. Begleitet von den üblichen Gerüchten, dass sich die Strolls Nicht-Angriffs-Pakte erkauft hätten.

"Ja, ich komme aus einer reichen Familie", sagte Lance Stroll nach 14 Siegen im vergangenen Jahr, "wieso sollte ich das verneinen. Aber ich habe meinen Platz in der Formel 1 verdient, weil ich in allen Nachwuchsformeln, an denen ich teilgenommen habe, Champion geworden bin. Und egal, wie viel Geld man mitbringt, wenn man nicht weiß, wie man das Lenkrad richtig bewegt, wird man nicht gewinnen."

"Große Jungs" nennt der Neuling die anderen 19 Piloten, mit denen er es von nun an zu tun bekommt. Um da mithalten zu können, hat er sich in einem ausrangierten Formel-1-Rennwagen und auf Grand-Prix-Pisten gut 8000 Test-Kilometer lang auf die Fliehkräfte, aufs Handling, auf das Tempo vorbereitet. Alles aus der Privatschatulle finanziert, natürlich. Ähnlich gut wurde bislang nur Hamilton auf Champion getrimmt - und das hat funktioniert.

Die Vorurteile, sagt Lance Stroll, dessen Selbstbewusstsein etwa so groß ist wie sein Ehrgeiz, "schüchtern mich nicht ein. Ich bin vorbereitet, ich weiß, was mich erwartet." Luca Baldisserri, ehemaliger Chefingenieur aus glorreichen Formel-1-Zeiten von Ferrari, begleitet den Neuling. Fürs Image wurde Ann Bradshaw verpflichtet, die in den Neunzigern Nigel Mansell als Weltmeister vermarktete.

Dem Zufall wird nichts überlassen, weshalb es sich auch ausschließt, dem zweiten Williams-Piloten Felipe Massa, 35, als Ausbildungs-Piloten zu vertrauen - er ist kein Coach, sondern ein Gegner. "Mein Vater will einfach, dass ich glücklich bin", sagt Lance Stroll, wenn wieder mal die Rede auf den erkauften Platz kommt. "Ich bin ziemlich sicher, dass ich in der Formel 1 noch eine Menge lernen muss", weiß der Rookie. Die Begrifflichkeit, sich "seinen Platz zu verdienen", bekommt jedenfalls eine schöne Doppeldeutigkeit.

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