Formel 1 in Malaysia:Hamilton entsetzt: "No! No! Nooooho!"

Formel 1 in Malaysia: Da steigt er aus dem Wagen: Lewis Hamilton.

Da steigt er aus dem Wagen: Lewis Hamilton.

(Foto: Brian Ching/AP)

Wird Lewis Hamilton bei Mercedes benachteiligt? Oder sind "höhere Mächte" Schuld an seinem neuerlichen Ausfall? Die Stimmung ist höchst angespannt.

Von Elmar Brümmer, Sepang

Um die Bedeutung der Szene in der 41. Runde des Großen Preises von Malaysia zu interpretieren, muss man kein Ergebnis wissen, keinen Hergang kennen, nicht die Konsequenz befürchten: Ein Mann im silbern glänzenden Rennanzug klettert aus einem Cockpit, aus dem Heck des Wagens schlagen Flammen, die Rauchentwicklung ist groß. Über das Helmmikrofon hat man zuvor ein entsetztes "No! No! Nooooho!" gehört.

Jetzt geht Lewis Hamilton auf dem Grünstreifen in die Hocke, nimmt die Ellbogen nach oben und faltet die Hände. So, als würde er beten. Der Ausfall des Briten, der mit dem Mercedes den 16. WM-Lauf von der Pole-Position aus in Champion-Manier kontrolliert hatte, könnte das Titelrennen mit Nico Rosberg entschieden haben - zugunsten des Deutschen. Zwar hatte dieser nach einem Startunfall, für den Ferrari-Pilot Sebastian Vettel beim nächsten Rennen mit einer Rückstufung um drei Startplätze bestraft wird, mit dem Sieg nichts zu tun. Aber der dritte Rang, den Rosberg trotz einer Zehn-Sekunden-Strafe nach einer Kollision mit Kimi Räikkönen herausfahren konnte, katapultiert seinen Vorsprung auf 23 Zähler.

Red Bull fängt den Sieg auf

Über die dramatischen Ereignisse bei Mercedes gingen diejenigen, die die beste Show in einem munteren Hitzerennen geliefert hatten, beinahe unter: Immer dann, wenn Mercedes ins Straucheln gerät, fängt Red Bull Racing den Sieg auf. Das war schon so, als Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Barcelona kollidierten. Diesmal übernahmen Daniel Ricciardo und Max Verstappen dankbar die beiden obersten Podeststufen. Der Australier, der nach zwei Jahren und zuletzt mehreren zweiten Plätzen wieder einen Sieg feiern konnte, hatte sich zuvor der üblich ungestümen Attacken des Niederländers erwehren müssen - aber er bekam seine Genugtuung. Red Bull-Renault hat damit seine Stellung als derzeit zweite Kraft der Formel 1 unterstrichen.

Titelverteidiger Hamilton wird in diesem Jahr immer wieder durch technische Probleme am Silberpfeil gehandicapt. Mehrfach in der Qualifikation, diesmal ohne Vorankündigung mitten im Rennen und auf Siegkurs. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sank in der Box der Kopf auf die Ellbogen, die Augen schimmerten feucht. Der Österreicher ahnte schon, dass der seit dem Großen Preis von Deutschland sieglose Hamilton, der als leidenschaftlicher Rennfahrer immer mal wieder Verschwörungstheorien oder vermeintlichen Benachteiligungen nachhängt, seinem Frust frönen würde.

Er musste dazu nur auf das erste Fernsehmikrofon warten: "Ich frage Mercedes: Es werden so viele Motoren im Jahr für alle Fahrer gebaut, aber nur meine fallen in diesem Jahr aus. Irgendwer will, dass ich in diesem Jahr nicht Weltmeister werde. Das muss mir mal einer erklären, denn das ist nicht akzeptabel." Wut und Zweifel hielten sich in der Enttäuschung die Waage: "Ich weiß im Moment überhaupt nicht, ob mein Auto die nächsten Rennen durchhält, was als nächstes passiert, das alles fühlt sich nicht gut an."

Toto Wolff verteidigt Hamilton

Später, in einer zunächst abgesagten, auf seinen Wunsch aber dann doch durchgeführten Medienrunde sprach er von "höheren Mächten", die er gemeint habe. Unmittelbar nach dem Rennen war der 31-Jährige zu den Mechanikern und Ingenieuren in die Garage gegangen und hatte eine Motivationsrede gehalten, die offenbar alle beeindruckte. "Wenn einem das passiert, was ihm passiert ist, darf man alles sagen, was man will", befand Toto Wolff, "aber danach vor der Mannschaft hat er so reagiert, wie es nur die Größten tun."

Eine rationale Erklärung für die Panne gibt es bislang nicht, man werde jede Schraube zweimal umdrehen in der Analyse. Es gebe auch kein Muster, jeder Schaden an Hamiltons Silberpfeil habe bislang eine andere Ursache gehabt. Weshalb dieser nochmal fragt: "Warum passiert das nur dem Nummer-eins-Fahrer?" Die Unerklärlichkeit ist der Grund für eine Hilflosigkeit, wie sie der Titelverteidiger noch nie in seiner Karriere verspürt habe. Einmal schon ist ihm in diesem Jahr der Turnaround geglückt, er werde jetzt versuchen, sich für das nächste Rennen in Japan schon am kommenden Wochenende wieder zu sammeln.

Auch Rosberg ist genervt

Nico Rosberg, der sich "torpediert von einem vierfachen Weltmeister" schon nach der Startkurve, als er entgegengesetzt zur Fahrtrichtung in der Mitte der Fahrbahn stand, schon um alles gebracht sah, schaffte es von Rang 21 aus noch aufs Treppchen. Er könnte glücklich sein, aber er spielte nicht einmal annähernd den Zufriedenen - auch, um keinerlei Schadenfreude aufkommen zu lassen. Wird er mit Rechenspielen, wie viele zweite Plätze ihm jetzt zum großen Erfolg am Saisonende genügen könnten, gefragt, wird er beinahe sauer.

Was ihn vermutlich auch nervt, sind die Stimmen im Fahrerlager, die ihm jetzt das Pech Hamiltons als Grund für seine Führung unterstellen. Er weist darauf hin, dass es ihm Ende 2014 ähnlich ergangen sei, und er deshalb auch genau nachvollziehen könne, wie es dem Rivalen gehe: "Man ist zerstört, aber die Zeit heilt schnell die Wunden. Natürlich wird sich Lewis erholen, er ist ein Kämpfer und in Topform. Er wird nach Suzuka kommen wie immer." Noch ist dieses Duell nicht ganz vorbei.

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