Formel 1 in Hockenheim:Red Bull verleiht Frieden

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Interne Streitigkeiten, welche internen Streitigkeiten? Die Teamkollegen Sebastian Vettel und Mark Webber geben sich vor dem Formel-1-Rennen in Hockenheim verdächtig harmonisch. Der nächste Crash der Rivalen scheint nur eine Frage der Zeit.

René Hofmann

Beim Stadtjuwelier von Heidelberg geht es an den meisten Tagen eher ruhig zu. Besonders aufregend sind friedlich vor sich hin tickende Uhren ja nicht. An diesem Freitag aber soll es rund gehen. "Der Adrenalin-Event in Heidelberg!" wird angekündigt: Das Formel-1-Team von Renault schickt einen Vorführwagen vorbei, den der Juwelier unter den Schlagworten "Leistung und Design" stolz präsentieren wird. Da werden die Hormone in Wallung geraten.

Freund oder Feind? Sebastian Vettel (links) konkurriert mit seinem Stallgefährten Mark Webber. (Foto: dpa)

Die Formel 1 ist nicht nur eine Sportveranstaltung. Sie ist auch eine Werbe- karawane. Überall, wo sie auftritt, gibt es absurde Aktionen, die Aufmerksamkeit erregen sollen. Aber dort, wo sie nicht jedes Jahr vorbeischaut, setzen die Menschen gerne noch einen drauf. Seit 2006 startet die Formel 1 nicht mehr jedes Jahr auf dem Hockenheimring. Weil das Antrittsgeld so hoch ist, wechseln sich die Strecke in Baden-Württemberg und der in Rheinland-Pfalz gelegene Nürburgring ab. Obwohl sechs deutsche Fahrer antreten und Mercedes seit diesem Jahr mit einem Werksteam an den Start geht, ist der Deutschland-Grand-Prix zur Wanderausstellung geworden.

2008, als die Formel 1 zum letzten Mal in Hockenheim vorbeischaute, kamen weniger Zuschauer als zum Finale des Deutschen Tourenwagen-Masters. Am Ende des Geschäftsjahres standen auch deshalb mehr als fünf Millionen Euro Verlust in den Büchern der Hockenheimring GmbH. So konnte es nicht weitergehen. Das Formel-1-Engagement stand gänzlich in Frage. Am Ende lief es nur weiter, weil sich Bernie Ecclestone, der vom Automobilweltverband für mehr als hundert Jahre die Vermarktungsrechte an der Formel 1 zugesprochen bekommen hat, sich auf einen neuen Vertrag einließ.

Ecclestone wird oft als Blutsauger gezeichnet, als Vampir, der sich so viel holt, wie er kriegen kann. Aber in Hockenheim zeigte er sich milde. Er stimmte einer neuen Vereinbarung zu, über die die Verantwortlichen in Hockenheim nicht viel erzählen. Nur so viel: Wenn sie dieses Mal so viele Tickets loswerden wie beim letzten Mal, laufen keine neue Schulden auf. Damit lässt sich leben. Bis 2018 ist das Miteinander so verabredet, jeweils in den geraden Jahren. Die Juweliere in der Gegend dürfte das freuen.

Uhren spielen in der Formel 1 traditionell eine wichtige Rolle. Der Sport mit Motoren ist ja vor allem ein Anrennen gegen die Zeit. Gerne treten deshalb Hersteller von Zeitmessern als Sponsoren auf, zum Beispiel beim Rennstall von Red Bull. Im vergangenen Jahr begann die Partnerschaft mit einer japanischen Uhrenfirma. Beim Rennen in Belgien wurde Sebastian Vettel eine Armbanduhr überreicht, die mehr Motoren antrieben, als ihm im Kampf um den WM-Titel noch verblieben.

An diesem Donnerstag nun wurde das weitere Miteinander verkündet, wozu Vettels Teamkollege Mark Webber öffentlich ein neues, exklusives Modell aus der Uhrenpalette überreicht bekam. Die Stimmung zwischen Vettel und Webber ist seit dem Grand Prix vor zwei Wochen in Silverstone angespannt. Webber fühlte sich trotz seines Sieges benachteiligt, weil er nicht den gleichen Frontflügel bekommen hatte wie Vettel.

Entsprechend erging an Teamchef Christian Horner die Frage, wie er Eifersüchteleien bei der Uhren-Verteilung vorbeugen wolle? Dessen launige Antwort: "Wir haben sichergestellt, dass beide die Uhren gleichzeitig erhalten und dass sie genau gleich sind. Und genügend Ersatzteile haben wir auch."

"Egal, wer gewinnt"

Die Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen und dem Australier wird auch beim elften der 19 Rennen eine spannende Geschichte sein. In Silverstone trennten Webber und Vettel in der Qualifikation 0,143 Sekunden. Um das zu messen, braucht einer schon eine sehr genaue Uhr. Im Ziel war Webber deutlicher voraus - weil Vettel ein Reifenschaden bis auf Platz sieben zurückwarf. "Das war wirklich sehr schade für ihn", sagt Webber dazu jetzt. Aber von der Charmeoffensive sollte sich niemand täuschen lassen. Mitleid vom siegreichen Teamkollegen ist ungefähr das Bitterste, was ein Rennfahrer schlucken muss. Es ist noch bitterer, als eine neu geschenkte Uhr gestohlen zu bekommen.

Vettel hat sich zu der nun offen verkündeten Direktive, dass jeweils der in der WM-Wertung vorne liegende die neuesten Teile bekommen soll, nicht wirklich geäußert. Er weicht dem Thema aus. Webber ist seinem dritten Sieg 2010 mit 128 Punkten WM-Dritter, Vettel hat 121 Zähler. Die Formel, mit der er allen unangenehmen Fragen entgegentritt, lautet: "Egal, wer gewinnt - wir sind ein Team."

Ob diese Suggestion lange hält? Beim Türkei-Grand-Prix sind er und Webber schon einmal aneinander geraten. Der danach verkündete Frieden hielt gerade einmal zwei Rennen lang. Je näher das Saisonfinale rückt, desto sensibler werden WM-Kandidaten normalerweise. Da kann dann schon das Ticken der Uhr am Handgelenk des anderen einen stören. Ab diesem Freitag laufen die Stoppuhren in Hockenheim.

© SZ vom 23.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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