Formel 1 in Brasilien:Kleine Genugtuung für Vettel

Brazilian Grand Prix 2017

Dicker Kuss für die Trophäe: Sebastian Vettel siegt in Brasilien.

(Foto: Whitaker/reuters)
  • Sebastian Vettel gewinnt den Großen Preis von Brasilien, Weltmeister Hamilton wird Vierter.
  • Das Wochenende wird von einem bewaffneten Überfall auf Mercedes-Mitarbeiter überschattet.
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Von Philipp Schneider

Am Ende einer langen Saison in der Formel 1 geht es ja oft nur noch um die kleinen Genugtuungen. Darum, dass sich beispielsweise ein Sebastian Vettel ein bisschen besser fühlt nach der an Lewis Hamilton verlorenen Weltmeisterschaft. Irgendwie muss einer ja halbwegs gut gelaunt über den Winter kommen, der sich für einen Formel-1-Fahrer ewig ziehen kann. Und nun gab es also am Sonntag für Vettel diesen ersten Platz in São Paulo.

Vettel stieg aus dem Wagen, er warf vor Freude seine zu Fäusten geballten Hände in die Luft, er hüpfte ganz nach oben auf das Podium. "Die letzten Wochen waren hart", sagte Vettel. "Schön, dass es heute geklappt hat." Vor dem letzten Rennen in Abu Dhabi hat er sich einen Vorsprung verschafft auf Valtteri Bottas, der in der Gesamtwertung 22 Punkte hinter ihm liegt und ihm wohl den zweiten Platz nicht mehr streitig machen wird. Es wäre Vettels erster zweiter Platz im Ferrari. Immerhin.

Bewaffneter Überfall auf Mercedes-Mitarbeiter

Der Sport hat an diesem Wochenende in Brasilien ansonsten eine Nebenrolle gespielt. Und das lag nicht einmal daran, dass sowohl Fahrer- als auch Konstrukteurs-Weltmeisterschaft zwei Rennen vor Ende der Saison entschieden waren. Es lag daran, dass die Strecke von Interlagos, die zwischen Armutsvierteln gelegen ist, zum Tatort eines Verbrechens geworden war. Am Freitagabend hatte ein gepanzerter Wagen mit Mitgliedern des Internationalen Automobilverbandes einem Überfall noch entkommen können.

Weniger Glück hatten daraufhin acht Mitarbeiter von Mercedes, die in einem eben nicht gepanzerten Teambus saßen, der gegen 22 Uhr Ortszeit von Männern mit vorgehaltenen Waffen gestoppt wurde. Einige Mitarbeiter mussten sich auf den Boden legen. "Es müssen wirklich beängstigende Momente gewesen sein", sagte Mercedes-Boss Toto Wolff. Und Hamilton rechnete vor, dass solche Überfälle während seiner Zeit in der Formel 1 "jedes Jahr irgendeinem im Fahrerlager passiert" seien. Das war zum Glück etwas übertrieben. Leider aber nur etwas.

2010 hat es in São Paulo einen Überfallversuch auf Jenson Button gegeben, der einem Angreifer mit Waffe unverletzt entkommen konnte. Vor einem Jahr wurde Bernie Ecclestones 18 Jahre jüngere Schwiegermutter entführt: Aparecida Schunck Flosi Palmeira, die Mutter von Fabiana Flosi, der dritten Ehefrau des 87-jährigen Multimillionärs, wurde von Männern verschleppt, die sich - als Lieferanten getarnt - Zutritt zu ihrem Haus nahe São Paulo verschafft hatten. Erst acht Tage später wurde Flosi Palmeira von einer Spezialeinheit befreit. "Nein, es gibt keinen Grund, ängstlich zu sein oder sich Sorgen zu machen", sagte Ecclestone im Vorjahr. Ach was, Brasilien sei nicht gefährlich. Das wiederum war etwas untertrieben.

Obwohl die brasilianischen Behörden das Areal um das Autódromo José Carlos Pace nach dem Vorfall am Freitag in eine Hochsicherheitszone verwandelten, kam es am Samstagabend zu einem dritten Zwischenfall. Sauber-Rennstrategin Ruth Buscombe berichtete, ein Wagen mit Mitarbeitern des Schweizer Rennstalls sei gerammt worden. Offenbar mit der Intention, ihn zum Stehen zu bringen.

Vettel gewinnt den Start gegen Bottas

Ein Rennen wurde trotzdem noch gefahren. Und zwar eines mit ungewöhnlicher Ausgangslage. Ganz vorne parkte der Mercedes-Pilot Bottas, ganz hinten, sogar in der Boxengasse, Hamilton. Dem Weltmeister war sein erster großer Fahrfehler in dieser Saison im Qualifying des ersten Rennens unterlaufen, in dem es um nichts mehr ging. Kein schlechtes Timing. Hamilton war am Samstag in Kurve sieben das Heck ausgebrochen, danach war sein Auto über die Piste gerutscht und in einen Reifenstapel gekracht. "Ich bin okay", funkte er, blieb aber so lange im Cockpit sitzen, dass den Zuschauer Sorgen beschlichen. Damit er überhaupt noch am Rennen teilnehmen durfte, musste Mercedes eine Sondergenehmigung erbitten, da Hamilton keine gezeitete Runde vorweisen konnte.

Die erste Chance für den auf Position zwei parkenden Sebastian Vettel, Bottas zu überholen, bot der Start, der in Interlagos besonders heikel ist, weil er bergauf führt. Nur 387 Meter lang ist der Anlauf zur ersten Kurve - und die genügten Vettel, der einen Blitzstart hinlegte und in der ersten Biege auf der Innenseite in Führung ging. Weiter hinten kollidierten Daniel Ricciardo, der sich drehte, mit Stoffel Vandoorne und Kevin Magnussen, die beide nicht weiterfahren konnten. Und auch Esteban Ocon verabschiedete sich aus dem Rennen, nachdem ihn Romain Grosjean abgeräumt hatte. Das Safety Car bog auf die Strecke und blieb die ersten fünf Runden, ehe alle Trümmerteile weggeräumt waren.

Nach dem folgenden fliegenden Start lag also Vettel vor Bottas, gefolgt von Kimi Räikkönen und Max Verstappen. Wegen der drei Ausfälle und nach ein paar Überholmanövern lag Hamilton nach sieben Runden bereits auf Rang 13, nach acht Umdrehungen auf Position elf, nach 17 auf sieben. Auch Ricciardo machte Plätze gut in seinem Red Bull. Seite an Seite kämpften sich der Australier und der Brite von hinten nach vorne durch das Feld.

Vettel musste vorne flüchten. Hamilton und sein überlegener Mercedes fuhren mal wieder in einer eigenen Welt. Nach 27 von 71 Runden lag er nur noch 16 Sekunden hinter dem Ferrari. Vettel fuhr an die Box und wechselte auf die etwas härteren Soft-Reifen. 16 Runden danach kam Hamilton an seine Versorgungsstation, nachdem er vorübergehend sogar in Führung gelegen hatte. Er ließ sich die schnelleren Ultrasoft-Pneus aufziehen und bog an Position fünf wieder auf die Strecke - 18 Sekunden hinter Vettel. Elf Runden vor Schluss überholte er noch Verstappen, war nun Vierter - und fuhr auf seinen weicheren Reifen im Schnitt eine Sekunde schneller als Vettel. Hätte er sich Vettel noch geschnappt, hätte er ihm ziemlich sicher die Winterlaune vermiest.

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