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Formel 1 in Belgien:Rosberg kann sich nur selbst gefährlich werden

Lewis Hamilton wird beim Grand Prix von Belgien um 30 Plätze strafversetzt - sein deutscher Teamkollege weiß, dass er diese Gelegenheit nutzen muss, um in der WM ein Statement zu setzen.

Von Elmar Brümmer, Spa

Was soll eigentlich noch schieflaufen für Nico Rosberg? Vor dem ersten Formel-1-Rennen nach der Sommerpause kann es für den Mercedes-Piloten nur darum gehen, mit wie viel Sekunden Vorsprung er den Großen Preis von Belgien gewinnt, denn sein Teamkollege Lewis Hamilton hat bereits sein Motorenkontingent verbraucht und wird deshalb beim Start nach hinten versetzt, um 30 Plätze - er wird also wohl als Vorletzter ins Rennen gehen. Rosberg kann sich nur selbst gefährlich werden. Das ist das Problem.

Seine überlegene WM-Führung vom Saisonbeginn hat der mehrmalige WM-Zweite zur Saisonhalbzeit verspielt, er liegt bei noch neun ausstehenden Rennen 19 Punkte hinter dem Titelverteidiger Hamilton zurück. Aber über das, was zählt, denkt Nico Rosberg nicht nach. Sagt er. Es gehe für ihn nur um den Moment, das Rennen, alles andere werde sich fügen. Das stimmt schon. Aber es ist auch der Versuch des Wiesbadeners, nicht zu zweifeln. Oder zu verzweifeln.

Denn während er an den Moment denkt, frönt Hamilton dem Momentum. Selbst von ganz hinten aus, denn er weiß ja, dass es nicht seine Schuld ist. "Mich setzt das nicht mehr unter Druck", sagt Rosberg. Es sagt aber auch viel darüber aus, wie sehr er sich ohnehin schon unter Druck fühlt.

Rosberg hat in der Pause noch mehr trainiert. Er will nichts dem Zufall überlassen

Die kurze Sommerpause hat er genutzt, um noch mehr in sein Körpertraining zu investieren. Er will nicht bloß fit sein, sondern "mega", wie er sich gern ausdrückt. Selbst in der Eisdiele seiner Frau habe er sich sehr "kontrolliert" verhalten. Soll heißen, dass er aber auch wirklich gar nichts dem Zufall überlassen will: "Ich fühle mich frisch, voller Energie und bereit für Spa", sagt er. Der 31-Jährige ist nicht nur überzeugt von seinem Erfolgsplan, er scheint besessen zu sein. Wie viel Raum da für die in diesem Sport stets notwendige Improvisation bleibt, muss sich auf der Strecke zeigen. Aber entschlossen ist Rosberg in jedem Fall.

Nico Rosberg weiß, dass er gerade jetzt Boden gutmachen muss. Dass Hamilton, wenn ihn einmal die Welle trägt, davonsurfen kann, weil er eine Art Motivations-Hybrid besitzt. Der Brite scheint dann unangreifbar zu sein, so sehr zelebriert er sein Selbstbewusstsein, so rücksichtslos erfolgreich agiert er auf der Rennstrecke. Technisch und fahrerisch sind Rosberg und Hamilton gleichauf. Daher ist das Psycho-Duell so interessant, das vor zwei Jahren in Spa-Francorchamps mit dem absichtlichen Auffahrunfall von Rosberg seinen öffentlichen Beginn nahm.

Es scheint so, als beziehe Hamilton immer noch Energie aus dem Crash von damals, als sich alle Sympathie für Rosberg umdrehte - und dieser sich scheinbar in einer ewigen Rechtfertigungsschleife verfangen hat, aus der ihn nur der Titel erlösen könnte. Dieser wiederum ist den Silberpfeilen nur in dieser Saison sicher, denn im kommenden Jahr ändert sich das Reglement dramatisch. Das erhöht den Druck auf Rosberg. Wird er wieder Zweiter, dann ist das interne Verhältnis endgültig zementiert - und das mit einem gerade bis Ende 2018 verlängerten Vertrag. Er braucht den Befreiungsschlag.

"Für mich ist an diesem Wochenende nichts anders, ich bin genauso konzentriert und werde genauso ans Limit gehen in jedem Bereich, um die Pole-Position zu holen und das Rennen zu gewinnen", sagt er in der ihm eigenen Mischung aus Analyse und Trotz: "Ich habe mir schon oft selbst bewiesen, dass ich nach schwierigen Momenten zurückschlagen kann."

Er fürchtet Red Bull, er weiß, dass Hamilton selbst vom letzten Startplatz aus immer noch Punktechancen hat, er weiß um seine zuletzt schlechten Starts. Aber er bezieht Mut und Selbstvertrauen aus vielen Dingen, wie der Tatsache, dass er in seinen ersten drei Mercedes-Jahren Michael Schumacher schlagen konnte: "Das war entscheidend für den Verlauf meiner Karriere."

Dabei befindet er sich exakt in jener Situation, in der der Rekordweltmeister bei seinem Comeback war. Schumacher entwickelte das Fahrzeug weiter, Rosberg konnte sich unbeschwert auf seine Leistung konzentrieren. Jetzt ist es Hamilton, der sich keinen Kopf macht, und Rosberg, der mit Akribie Technik und Team nach vorn zu bringen versucht.

Rosberg will Technik und Team nach vorn bringen

"Zum Siegen verdammt" sieht ihn ein führendes Motorsport-Portal, und hofft im Interesse des geneigten deutschen Publikums, dass Ferien und Familie ihm die nötige Kraft geben, um mit dem scheinbaren Fluch fertig zu werden. Gern werden dann Bilder von einem Hamilton gegengeschnitten, der auf Karibikinseln Party macht, wie man es von einem Weltmeister erwartet.

"Unschlagbar" sei der Rivale an einem guten Tag, hat Nico Rosberg nach vier Siegen von Lewis Hamilton nacheinander konstatiert, aber: "Die Formel 1 ist ein Techniksport, und Lewis ist ein Mensch. Jeder hat gute und schlechte Tage. Deswegen gewinnt er jetzt nicht jedes Rennen. Die bisherigen Ereignisse der Saison liegen hinter mir. Für mich ist das in Spa quasi wie ein Neuanfang."

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