Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Bahrain:"Sag' ihm, dass das nicht okay ist"

Erster Lewis Hamilton, Zweiter Nico Rosberg: Die Mercedes-Fahrer dominieren erneut, das dritte Rennen der Formel-1-Saison in Bahrain ist trotzdem ein außergewöhnlich packendes. Rosberg und Hamilton liefern sich enge Rad-an-Rad-Duelle, ihre Freundschaft reicht fast bis ans Limit.

Von René Hofmann

Wenige Kilometer vor dem Ziel erging ein identischer Funkspruch an Lewis Hamilton und an Nico Rosberg. Bei den zwei Mercedes-Fahrern meldeten sich nicht wie gewohnt ihre Renningenieure. Am anderen Ende der Funkleitung war Paddy Lowe, der neue Technik-Chef des Mercedes-Teams. Lowe hatte eine simple Botschaft für die beiden Angestellten des Konzerns, die die größte Öffentlichkeitswirkung erzielen. "Es sind noch weniger als zehn Runden. Bitte stell' sicher, dass beide Autos ins Ziel kommen", sagte Lowe Hamilton - und kurz darauf wortgleich Rosberg. Vom Deutschen kam daraufhin ein knappes "okay" zurück. Hamiltons Antwort ist nicht dokumentiert. Am Ende aber hielt auch der Brite sich an die Bitte und Lowes Wunsch ging in Erfüllung.

Beide Silberpfeile erreichten das Ziel. Die Reihenfolge dort lautete: 1. Hamilton, 2. Rosberg - wie eine Woche zuvor in Malaysia. Auf den Verfolgerrängen aber zeigte sich dieses Mal ein anderes Bild. Dritter Sergio Perez (Force India), Vierter Daniel Ricciardo (Red Bull), Fünfter Nico Hülkenberg (Force India), Sechster Sebastian Vettel (Red Bull), Siebter Felipe Massa, Achter Valtteri Bottas (beide Williams), Neunter Fernando Alonso, Zehnter Kimi Räikkönen (beide Ferrari).

Das zehnte Rennen in Bahrain war das erste, dass ausgetragen wurde, nachdem sich die Nacht über die Geröllwüste gesenkt hatte. Das Flutlicht leuchtete - und was es zu sehen gab, schlug durchaus Funken. Auch, wenn die beiden Mercedes-Fahrer das Wochenende nach Belieben dominierten. Hamilton oder Rosberg? Auf diese Frage lief es von dem Moment an hinaus, als die Startampel erlosch.

Rosberg hatte die Pole Position erobert, doch Hamilton parkte unmittelbar neben ihm. Als es losging, drehte sich die Reihenfolge sofort um. Hamilton strebte an Rosberg vorbei und verteidigte seine Linie auf dem Weg durch die ersten Kurven unerbittlich. Es war ein klares Signal, wie weit die Freundschaft zwischen den beiden Teamkollegen reicht: bis knapp ans Limit.

Es dauerte nicht lange, bis Rosberg sich wieder in Hamiltons Windschatten gekämpft hatte und damit begann, ein ums andere Mal bedrohlich aus diesem herauszuzucken. Hamilton hielt gegen. Wieder unerbittlich. Einmal sogar so vehement, dass Rosberg am Funk schäumte: "Sag' ihm, dass das nicht okay ist!" Ob die Beschwerde an Hamilton weitergegeben wurde, ist nicht bekannt. Zu merken war davon jedenfalls war nichts.

Auch auf den nächsten Metern hielt Hamilton sich alles andere als zurück. Das Scharmützel zwischen den beiden wirkte wirklich giftig. Das Team hatte zuvor betont, die beiden Gegner, die sich schon lange kennen, dürften frei gegeneinander kämpfen. Als die Boxenstopps anstanden, entschloss es sich dann aber doch, die beiden auf unterschiedliche Strategien zu schicken - und so ein wenig auseinanderzubringen.

Hamilton durfte als Erster Reifen wechseln. Das sicherte ihm die Führung. Rosberg drehte einige Runden mehr und bekam anschließend die härtere Reifenmischung aufgezogen. Dass er nach 41 von 57 Runden mehr als zehn Sekunden hinter Hamilton lag, war deshalb nicht überraschend.

In dieser Phase mussten beide noch einmal an die Box. Auf Hamilton wartete dort noch ein Satz harte, auf Rosberg noch ein Satz weiche Reifen. Das Unglück eines anderen gab Rosberg noch eine Siegchance. Weil Lotus-Lenker Pastor Maldonado an der Boxenausfahrt Sauber-Fahrer Esteban Gutierrez übersah, überschlug sich der Mexikaner spektakulär. Gutierrez blieb unverletzt. Das Safety Car aber kam und stauchte das ganze Feld zusammen - so dass Rosberg auf den vermeintlich schnelleren Pneus wieder unmittelbar hinter Hamilton fuhr.

Auf den letzten Runden gab es deshalb noch einmal das zu sehen, was die beiden schon im ersten Renndrittel vorgeführt hatten: Rad-an-Rad-Duelle, die von großer Fahrkunst zeugten, aber auch von einem großen Sportsgeist. Keiner schoss übers Ziel hinaus. Nicht einmal ein Außenspiegel splitterte.

"Es gefällt mir nicht wirklich, als Zweiter hinter Lewis ins Ziel zu kommen. Aber das heute war das aufregendste Rennen meines Lebens", sagte Rosberg im Ziel. Der 28-Jährige bestritt am Sonntag sein 150. Formel-1-Rennen. Sein Debüt hatte er vor acht Jahren in Bahrain gegeben. In der WM-Wertung führt er mit 61 Punkten. Zweiter ist nun Hamilton mit 50 Zählern. Alle andere sind lediglich Statisten, was schon die Punktzahl des aktuell Dritten, Nico Hülkenberg, belegt: 28. Das nächste Rennen findet an Ostern in Shanghai statt.

Lewis Hamilton, der beim Saisonauftakt in Melbourne mit einem technischen Problem ausgefallen war, konnte nicht umhin, auf der Ehrenrunde ein wenig zu sticheln. Per Funk richtete er seiner Crew aus: Die Seite der Box, auf der sein Auto steht, sei an diesem Wochenende schneller gewesen. Jetzt ginge es darum, dass dies auch so bleibe. Eine kleine Spitze nur, aber eine, die erkennen lässt, dass sich das Gegeneinander bei den nächsten Gelegenheiten durchaus noch verschärfen könnte. Hamilton oder Rosberg - darauf dürfte nach dem Stand der Dinge auch die Frage hinauslaufen, wer in diesem Jahr Weltmeister wird. Für Hamilton wäre es nach 2008 die zweite Krönung, für Rosberg die erste.

Sebastian Vettel, der in den vergangenen vier Jahren regelmäßig die Hauptrolle gespielt hatte, spielte in Bahrain keine große Rolle. Sieben Tage zuvor in Sepang hatte er sich noch einige Male in den Rückspiegeln der Mercedes zeigen können. In Bahrain erlebte er viele Probleme. Bereits in den Trainingsläufen war er bloß Mittelmaß. Am Samstagvormittag, beim dritten Training, rutschte er von der Strecke und beschädigte seinen Red Bull. Die Zeit bis zur Qualifikation war zu knapp, um den ganzen Schaden zu reparieren.

"Plötzlich war Unruhe im Auto" beschrieb Vettel seine Erlebnisse in der Qualifikation, in der er als Elfter das finale Ausscheidungsfahren verpasste. Sein Teamkollege Daniel Ricciardo demonstrierte als Dritter, was mit dem Wagen in Top-Form möglich gewesen wäre. Der Australier wurde jedoch für einen misslungenen Boxenstopp in Malaysia bestraft und in der Startaufstellung um zehn Position zurückversetzt - noch hinter Vettel.

Die Chauffeure der dunkelblauen Wagen waren nicht in der Lage, die silbernen zu hetzen. Vor allem Vettel kämpfte mit einer stumpfen Waffe. Nach wenigen Runden funktionierte sein Drag Reduction System nicht mehr, das es erlaubt, den Heckflügel flach zu stellen. Ricciardo war schneller. Vom Kommandostand kam das Geheiß an Vettel, seinen Teamkollegen passieren zu lassen. Der viermalige Weltmeister gehorchte artig.

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Quelle:
SZ vom 07.04.2014
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