Formel 1:Finale Flagge für Hockenheim

Ortsausgangsschild von Hockenheim

Am 22.Juli findet auf dem Hockenheimring der vorerst letzte Große Preis von Deutschland statt.

(Foto: dpa)
  • Der kommende Grand Prix in Hockenheim wird vorerst der letzte in Deutschland sein.
  • Die Verantwortlichen der Formel 1 und die Veranstalter des deutschen Rennen konnten sich nicht auf einen Vertrag für die Zukunft einigen.
  • Das Formel 1-Geschäft ist für die traditionellen Strecken wie Silverstone oder Monza inzwischen zum finanziellen Risiko geworden.

Von Philipp Schneider

Vor zwei Jahren hat sich Bernie Ecclestone noch einmal mit der Zukunft des Hockenheimrings in der Formel 1 beschäftigt. Ecclestone stellte eine Frage, und wie das bei dem langjährigen Zampano der Rennserie halt so oft der Fall war, entsprach diese Frage eher einer pointierten Klage. "Vielleicht wollen sie einfach keine Formel 1?", fragte Ecclestone. Er meinte die Einwohner Deutschlands. Diese verhielten sich aus Ecclestones Sicht sehr merkwürdig. Die Deutschen hätten ja, argumentierte Ecclestone, immerhin mehrere erfolgreiche Fahrer und dazu noch ein erfolgreiches Team. Und doch sei es so: "Sie können die Gebühren nicht bezahlen, die wir für sie schon gesenkt haben. Ich weiß nicht, was sie noch mehr wollen?"

Was die Motorsportfans wollen, was sie bereit sind zu zahlen, und was geschehen müsste, damit sie in ausreichend großer Zahl die Tribünen von Hockenheimring und Nürburgring bevölkerten, so dass die Kosten der Veranstalter gedeckt würden, das ist noch immer Kern jener Debatte, in der es um die Zukunft der deutschen Rennstrecken in der Formel 1 geht. Und doch hat sich die Lage verschärft: Wenn am Sonntag am Hockenheimring die Zielfahne geschwenkt wird, dann verabschiedet sich Deutschland als Austragungsort für unbestimmte Zeit aus der Formel 1. Ein Zehnjahresvertrag läuft aus, 2019 wird es keinen Großen Preis von Deutschland geben.

Das Land mit der großen Rennsport-Tradition findet keine Lösung

Anstelle des Ein-Mann-Unternehmens Ecclestone, der am Hockenheimring freundlicherweise eine reduzierte Gage verlangte, verhandelt nun der Marketingchef eines Unterhaltungskonzerns, der einen Umsatz von 4,7 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Sean Bratches von Liberty Media, dem neuen Eigner der Formel 1, macht für die gescheiterten Verhandlungen nicht die Zuschauer verantwortlich, sondern die fehlende öffentliche Hilfe. "Es ist frustrierend zu sehen, dass wir für ein Land mit einer so großen Rennsport-Tradition keine Lösung gefunden haben und niemand bereit ist, die Rennstrecken zu unterstützen und ihnen das finanzielle Risiko abzunehmen", sagt Bratches.

Gut, Bratches ist diesbezüglich etwas verwöhnt. Oder sollte man sagen: verzogen? Er verhandelt ja nicht nur mit Bürgermeistern im Rhein-Neckar-Kreis. Sondern auch mit Autokraten in Bahrain und Aserbaidschan. Mit bunten Regimen, die ihr Geld sonstwo herholen und bei denen auch niemand nachfragt, woher es kommt. Und denen so recht mühelos das vermeintliche Kunststück gelingt, teilweise die doppelte Summe an Lizenzgebühren aufzubringen, die in Europa verlangt werden.

Es ist auch nicht so, als gäbe es keine Alternative zum Hockenheimring. Städte wie Miami, Hanoi oder Buenos Aires drängen in den Kalender. In Vietnam soll durch die Altstadt gebrettert werden, in Florida ginge es am Meer entlang. Rote und silberne Autos, die sich über Brücken jagen, im Hintergrund das Blau des Ozeans, das gibt es nicht am Hockenheimring. Dort gibt es eine interessante Streckenführung und eine der herrlichsten Motorsport-Tribünen der Welt. Und wenn Rennen gefahren werden, dann wird auch nicht wie in Monaco oder Singapur eine ganze Stadt lahmgelegt. Aber Verkehrsplanung interessiert Liberty Media eher am Rande; notfalls reist Sean Bratches halt mit dem Helikopter an.

Hockenheim will kein finanzielles Risiko eingehen

Zum vorerst letzten Mal liegen die Rechte nun also beim Hockenheimring. Einem Kurs, der mehrheitlich der Gemeinde Hockenheim gehört, und deren Bürgermeister schon zu Ecclestones Zeiten klargestellt hat, Verluste aus dem Formel-1-Geschäft nicht länger hinnehmen zu wollen. Für die Streckenbetreiber in Deutschland ist die Formel 1 mit einer Antrittsgage von rund 20 Millionen Euro zu teuer geworden, das gilt auch für die Konkurrenz in der Eifel. Nachdem die Nürburgring GmbH 2012 Insolvenz angemeldet hatte, sahen die neuen Eigentümer in den Jahren 2015 und 2017 trotz gültiger Verträge von einer Austragung ab.

Auch Georg Seiler, Geschäftsführer der Hockenheim GmbH, hat nun angekündigt: "Wir werden keinen Vertrag mehr abschließen, mit dem wir ein finanzielles Risiko eingehen." Nach Lage der Dinge ließe sich ein finanzielles Risiko nur dann verhindern, würde sich die öffentliche Hand oder aber Sponsoren auf Seilers Einnahmen-Seite bemerkbar machen. "Wir bringen der Region pro Rennen zwölf Millionen Umsatz und dem Land acht Millionen Steuern, und trotzdem werden wir von allen vernachlässigt, das kann's nicht sein", klagte er der SZ.

Gibt es 2019 einen König ohne Land

Wenn nun Sean Bratches und Georg Seiler gleichermaßen Geld von dritter Seite fordern, wenn also Eigentümer und Ausrichter der Formel 1 zugeben, dass die Ticketerlöse nicht ausreichen, um den Betrieb am Leben zu halten, hat sich dann nicht eine Sportart um einige Kilometer zu weit entfernt vom Zuschauer? Zumal ja nicht nur die deutschen Streckenbetreiber ins Straucheln geraten. Auch auf den Traditionskursen in Silverstone und Monza gibt es volle Tribünen und schlimme Zahlen.

Als Eccelstone die Frage aufwarf, was den Deutschen, dieser Nation von Autofahrern, eigentlich fehle, um ein Autorennen so zu veranstalten, dass es niemanden in die Pleite treibt, da kreisten außer Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg noch Nico Rosberg und Pascal Wehrlein um den Hockenheimring. Im Jahr 2010 stellte Deutschland mit sieben Piloten sogar fast ein Drittel des Fahrerfeldes. Nun bleiben zwei von zwanzig. Erst verlor die Formel 1 die deutschen Fahrer, dann die deutschen Strecken. Sollte Vettel in diesem Jahr triumphieren, dann wäre er 2019 ein fünfmaliger Weltmeister, der in seiner Heimat nicht fahren dürfte. Ein König ohne Land. Aus Sicht eines Marketing-Experten wie Sean Bratches dürfte es kein unsinnigeres Szenario geben.

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