Formel 1: Heidfelds Comeback:Auf dem Schleudersitz

Nick Heidfeld will unbedingt weiter Formel 1 fahren - deshalb hat er einen gewagten Aushilfsjob angetreten: Fahrer und Team bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Und das Fahrerkarussell dreht sich.

Elmar Brümmer

Die Sitzschale, das individuellste Teil an einem Rennwagen, mussten sie nur aus dem Regal nehmen. Nick Heidfeld ist wieder zurück im Sauber-Team, zurück in der Formel 1. Ach ja, der war wirklich weg? Doch, sonst hätte ihn WM-Spitzenreiter Mark Webber vor dem Großen Preis von Singapur ja nicht öffentlich so begrüßt: "Willkommen daheim!" Der Australier ist selbst Spezialist für Rennfahrer-Karrieren, die schon mehrmals für beendet erklärt worden waren, deshalb ist der Handschlag auch ehrlich gemeint.

Formel 1 GP Singapur - Nick Heidfeld

Willkommen zurück: Mark Webber (links), der Führende der Fahrerwertung, begrüßt den Formel-1-Rückkehrer Nick Heidfeld.

(Foto: dpa)

Nick Heidfeld reichert diese Grand-Prix-Saison der Rückkehrer um ein Comeback an, das einer Schlangenlinie gleicht. Die Dramatik liegt nicht allein darin, dass er jetzt innerhalb von vier Wochen den dritten Job macht. Dem siebten Deutschen im Feld bleiben nur die letzten fünf Rennen, um seine Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Der Mut der Verzweiflung manifestiert sich auch an der neuen, alten Arbeitsstelle. Der 33-Jährige heuert wieder dort an, wo man ihn im vergangenen Winter als verbraucht ausgemustert hatte. Danach kam der Gladbacher bei Mercedes GP als Testpilot unter, ohne den Silberpfeil auch nur einmal zu testen.

Testfahrer ohne Test

Nach zwölf "Leerfahrten" (O-Ton Heidfeld) als arbeitsloser Ersatzfahrer an Rennwochenenden wechselte er frustriert als Reifentester zu Pirelli - in der Hoffnung, dass ihm das Gummi-Wissen bessere Chancen auf einen festen Arbeitsplatz für 2011 einbringen würde. Schon seit Juli aber stand Heidfeld als Ablösung für den desolaten Sauber-Stammpiloten Pedro de la Rosa bereit. Jetzt bilden die alten Bekannten Sauber und Heidfeld eine Schicksalsgemeinschaft - für Fahrer wie Team geht es ums Dabeibleiben. "Ich habe nie daran geglaubt, dass meine Karriere schon vorbei ist", behauptet Heidfeld vor seinem 170. Formel-1-Rennen: "Ich habe mich das ganze Jahr fit gehalten. Ich weiß, dass ich einen guten Job machen kann."

Mit der aktuellen Fahrzeuggeneration hat er keine Erfahrung, aber Wille und technisches Verständnis waren schon immer das Plus des Wahl-Schweizers, den sie im Fahrerlager tatsächlich "Heidi" rufen. Teamchef Peter Sauber braucht dringend einen Chauffeur, auf dessen Analytik er sich verlassen kann. Der junge Japaner Kamui Kobayashi ist zu ungestüm, um das wahre Fahrzeugpotential zu ergründen.

Heidfeld bekommt eine Doppelrolle: Einerseits als technischer Leader, andererseits soll er möglichst viele Punkte sammeln. Das Auto mit dem Kürzel C29 wird immer stärker, aber in der Konstrukteurs-WM fehlen dem Team Sauber auf den siebten Platz, den momentan Williams belegt, noch 20 Punkte. In der Preisgeldabrechnung macht das fünf Millionen Dollar aus - das ist viel für ein Privatteam. Ohne Kobayashi zu unterschätzen heißt es in der Teamzentrale: "Wenn es Punkte abzuholen gibt - Heidfeld holt sie." Eine Fleißaufgabe ist die Mission damit ebenso wie eine rasende Stellenanzeige in eigener Sache.

Räikkönnen zieht es zurück

Das Sauber-Gastspiel ist ein befristeter Aushilfsjob, für 2011 ist nur Kobayashi bestätigt. Der mexikanische Milliardär Carlos Slim will einen Landsmann in die Formel 1 kaufen, er hat bereits den Nachwuchsfahrer Esteban Guitierrez bei Sauber als Ersatzfahrer geparkt. Und Sauber wird kaum noch eine weitere Saison ohne Hauptsponsor fahren wollen. Inzwischen tut sich eine weitere, noch höchst spekulative Variante auf, ausgelöst durch die offizielle Anfrage von Kimi Räikkönen an die Teams von Red Bull und Renault.

Formel 1: Heidfelds Comeback: "The Iceman" lautet sein Spitzname: Kimi Räikkönen war 2007 Formel-1-Weltmeister.

"The Iceman" lautet sein Spitzname: Kimi Räikkönen war 2007 Formel-1-Weltmeister.

(Foto: AP)

Der 30-jährige Finne, 2007 Formel-1-Champion, vergnügt sich gerade in der Rallye-WM. Ganz ordentlich sogar, aber die Formel 1 ist eben doch etwas größer. Für jedes Team, aber auch für die Serie insgesamt wäre Räikkönens Comeback ein Gewinn. Kaum wurden die Gerüchte laut, hat der derzeitige Inhaber des Renault-Cockpits, der Russe Witali Petrow, eilig einen neuen Sponsor für den Rennstall vermittelt: eine russische Werft. "Ich mache mir keine Sorgen um mein Cockpit, die anderen müssen sich sorgen", sagt der 26-Jährige.

Zäh wie Honig

Räikkönen wäre auch vielmehr als adäquater Ersatz für Robert Kubica gedacht. Der 25-Jährige wird bei Ferrari als Idealbesetzung neben Fernando Alonso gehandelt. Das Problem ist nur, dass die Scuderia erst im Juni den Vertrag des Alonso-Adjudanten Felipe Massa verlängert hat. So kommt auch wieder Sauber ins Spiel: Warum Massa nicht dort unterbringen, wo er schon zu Ausbildungszwecken weilte - bei Sauber?

Nick Heidfeld ist keiner, der sich groß beunruhigen lässt. Jenen Ratgebern, die ihm aus Gründen des höheren Marktwertes für die kommende Saison eher zum sicheren Testfahrer-Posten als der vagen Sauber-Hoffnung geraten haben, mochte er nicht folgen: "Ich wollte unbedingt Rennen fahren", sagt er. Zäh wie Honig sei die Zeit ohne Cockpit für ihn gewesen. Das süße Leben beginnt für Rennfahrer immer erst, wenn sie ans Limit gehen dürfen.

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