Sieben Kurven der Formel 1:Vettel ist der erste Gratulant

Der Ferrari-Pilot zollt dem siebenmaligen Weltmeister Respekt und ist selbst ziemlich zufrieden. Doch die Strecke in Istanbul geht als Ausrutscher in die Formel-1-Geschichte ein. Die Höhepunkte des Rennwochenendes.

Von Elmar Brümmer

1 / 7

Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Turkey

Quelle: Getty Images

Sieben Titel, mehr Siege als Michael Schumacher, erfolgreichster Fahrer der Formel 1, es braucht mehr als eine Auslaufrunde, um das zu verstehen. Selbst bei Lewis Hamilton hat die Coolness dann Pause. Nach der Zieldurchfahrt beim Großen Preis der Türkei ist es verdächtig still geblieben im Cockpit. Dann ist nur ein lautes Schluchzen zu hören, erst langsam kommen himmelhochjauchzende Töne hinzu. Die Ingenieure von Mercedes waren ähnlich gerührt: "Was für eine Art, den Titel zu holen." Erst kurz vor der Einfahrt in die Boxengasse findet der Gelobte und Gerührte zurück zur Sprache: "Das hier ist für alle Kinder da draußen: Ihr könnt das Unmögliche schaffen!" Das hatte er gerade auf der Rutschbahn von Istanbul bewiesen, und damit eine alte Branchenweisheit bestätigt: Große Rennfahrer gewinnen auch Rennen, die sie eigentlich nicht gewinnen können.

Sebastian Vettel war der erste Gratulant, er kniete dazu neben dem Mercedes-Rennwagen: "Wir schauen dir heute zu, wie Du Geschichte machst. Es ist bewundernswert." Der Tag, an dem viele unkontrolliert unterwegs waren, ist auch der Tag, an dem der 35-Jährige die Kontrolle endgültig übernommen hat. Das sickerte langsam auch bei ihm durch: "Ich fühle, ich habe heute etwas Großes erreicht."

2 / 7

Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Turkey

Quelle: Getty Images

Dritter. In diesem Jahr. Mit diesem Ferrari. Da mag Glück dabei gewesen sein, aber wie sehr ist es Sebastian Vettel zu gönnen nach all dem Pech und dem Ärger der ganzen Saison. Auf der Rennstrecke, auf der er 2006 sein erstes Formel-1-Training bestritten und dabei gleich eine Bestzeit aufgestellt hatte, fügte sich das Schicksal auf den letzten Metern für den Heppenheimer. Clever nutzte er einen Fehler seines Teamkollegen Charles Leclerc, wäre fast noch Zweiter geworden. Mit dem breitesten Grinsen seit langem kommentierte der vierfache Weltmeister: "Es war der Tag der Erfahrung." Plötzlich funktionierten die Reifen am SF 1000, ausgerechnet unter widrigen Bedingungen war das bislang so zickige rote Auto beherrschbar. Die Startrunde, sonst eher die Schwachstelle, gab den Ausschlag: von Rang elf auf Rang drei, danach hatte Vettel im Rennen meistens freie Fahrt. Er kann's also noch, und diese Erkenntnis wird er mitnehmen zu Aston Martin.

3 / 7

Max Verstappen

F1 Grand Prix of Turkey

Quelle: Getty Images

Jüngster Weltmeister der Geschichte werden, Lewis Hamilton ablösen, als Jahrtausendtalent durchstarten - so in etwa hätte diese Saison für den Niederländer laufen sollen. Der Große Preis der Türkei hat gezeigt, warum es dazu nicht gekommen ist. Der 23-Jährige verpasste mit seinem Red-Bull-Honda eine schon sicher geglaubte Pole-Position, dann blieb er beim Rennstart praktisch stehen. Trotzdem hätte er locker einen Podestplatz holen können, für gewöhnlich siegt sein Talent auch unter schwierigen Bedingungen. Diesmal aber leistete er sich zu viele Fehler, wollte zu schnell zu viel, drehte sich spektakulär, spielte zu oft die Karte Risiko. "Ein Rennen zum Vergessen", bilanzierte er nach dem sechsten Platz, "ich habe einfach nur versucht, durchzukommen." Sich seine eigene Linie zu suchen und Überraschungsmanöver zu starten, das war in Istanbul nicht drin. Und Geduld zu haben als Schlüssel zum Erfolg, das ist nicht sein Ding.

4 / 7

Sergio Perez

F1 Grand Prix of Turkey

Quelle: Getty Images

Was für eine Ironie des Schicksals: Zum ersten Mal Zweiter werden in zehn Jahren Formel 1, und dann nicht nur mit dem neuen Champion, sondern auch mit dem Mann auf einem Podium zu stehen, der einem den Job wegnimmt. Aber an Sebastian Vettel oder an die nächste Saison mochte Sergio Perez einfach nicht denken da oben vor der riesigen Videowand. Er war einfach nur stolz, auf sein Team, das noch Racing Point heißt, und auf sich selbst. Die richtige Reifenstrategie hätte ihm fast nichts mehr genutzt am Ende, als er sich vor der letzten Kurvenkombination schon als sichere Beute der Ferrari wähnte. Das Lenkrad zitterte, so stark hatten die runtergefahrenen Pneus vibriert: "Eine Runde noch, und sie wären explodiert." Doch "Checo" kam durch, und betrieb die beste Eigenwerbung für seine Arbeitsplatzsuche: der 30-Jährige liebäugelt mit einem bei Red Bull Racing freiwerdenden Platz. Neben seinem Können würde er auch reichlich Sponsorgeld aus Mexiko mitbringen.

5 / 7

Lance Stroll

-

Quelle: AFP

Pole-Position, was für ein Traum. Mehr als fünf Sekunden besser als Lewis Hamilton sein, was für ein Triumph. 36 Runden lang ein Formel-1-Rennen anzuführen, mit einem Außenseiterauto, was für eine Überraschung. Und am Ende Neunter sein im Ziel, sich mit zwei Ehrenpunkten zufriedengeben müssen - das ist mehr als Enttäuschung, fast schon purer Hohn. Der Sieger vom Samstag war der große Verlierer am Sonntag, obwohl er nichts falsch gemacht hatte. In Führung liegend versagten die Reifen ihren Dienst, begannen zu körnen. Das gefürchtete "Graining" wurde durch den Wechsel der Gummis nicht besser, sondern noch schlimmer. Stroll wurde durchgereicht und konnte sich kaum wehren: "Ich versteh' nicht, was da passiert ist." Ein Reifenflüsterer wie Kollege Perez ist der 23 Jahre alte Kanadier auch nicht. Er musste feststellen, dass er wohl noch nicht reif ist für den Sieg, blieb aber tapfer optimistisch: "Es hat Spaß gemacht, so viele Runden zu führen. Wir haben nur nicht lange genug vorne gelegen..."

6 / 7

Alfa Romeo

-

Quelle: AFP

Es ist ein Jubiläum, dass es noch nicht ganz so oft gegeben hat in 70 Jahren Formel 1: Für den Schweizer Sauber-Rennstall, der bis 2025 unter der Nennung Alfa Romeo antritt, war der Große Preis der Türkei das 500. Rennen. Nur Ferrari, McLaren und Williams haben mehr Einsätze auf dem Buckel als das Team aus dem Zürcher Oberland. Von den 13 Rennställen, die beim Sauber-Debüt 1993 mit am Start waren, gibt es neun längst nicht mehr. Was für ein Durchhaltevermögen des ehemaligen Partnerrennstalls von Mercedes und BMW. Dass in Istanbul auch Red Bull Racing ein Jubiläum feierte, den 300. Grand Prix, ist eine nette Pointe des Schicksals. Entstanden ist der Rennstall des österreichischen Getränkegiganten nämlich vor allem deshalb, weil Peter Sauber seinem damaligen Sponsor und Anteilseigner kein größeres Mitspracherecht einräumen wollte.

7 / 7

Istanbul Park

-

Quelle: AFP

Auf die Rennstrecke auf der asiatischen Seite Istanbuls hatten sich die Formel-1-Piloten richtig gefreut. Wieder so ein Klassiker, der aus finanziellen Gründen längst aus dem Kalender gerutscht war und durch die Pandemie-Saison wiederbelebt wurde. Wer sie noch nicht selbst gefahren war, der hatte zumindest viel gehört von jener Kurve acht. Mit 640 Meter Länge, drei Scheitelpunkten und 8,5 Sekunden Vollgas gilt sie als echtes Monster. Allein: wenn die Temperaturen um die zwölf Grad liegen und ständig Regenschauer die so lange unbenutzte Rennbahn in eine Rutschbahn verwandeln, ist das Vergnügen schnell dahin. Dass die Türken eilig noch die Piste neu asphaltiert hatten, machte alles noch schwieriger: Die Belastung durch die Rennwagen drückte das Öl aus dem frischen Belag, zusammen mit dem Wasser entwickelte sich ein tückischer Schmierfilm. Der achte Große Preis der Türkei geht als Ausrutscher in die Formel-1-Geschichte ein.

© SZ.de/sonn
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: