Tod von Frank Williams:Die Seele seines Teams

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Eine der großen Figuren der Formel 1: Sir Frank Williams. (Foto: Dan Istitene/Getty)

Die Formel 1 war für den querschnittsgelähmten Frank Williams Herausforderung und Therapie zugleich - sieben Weltmeistertitel fuhren seine Piloten ein. Bis zuletzt fühlte der Brite sich mitschuldig am Tod von Ayrton Senna.

Nachruf von Elmar Brümmer

Nur wenige Teamchefs in der Formel 1 taugen dazu, diesem Sport ein Gesicht zu geben. Mehr und mehr sind sie leitende Angestellte im Dienste von Investoren. In der großen Zeit der Garagisten war das noch anders. Frank Williams war einer davon, der auch nach Ende dieser Ära um die Jahrtausendwende herum noch länger durchgehalten hat. Nicht nur deshalb war er eines der größten Gesichter der Formel 1. Schon der Fahrerlager-Spitzname "Rollstuhl-General" kündet von seiner Außergewöhnlichkeit. Der Mann, der den Top-Motorsport beinahe fünf Jahrzehnte lang prägte, war seit 35 Jahren querschnittsgelähmt.

Erst vor ein paar Jahren, als es gesundheitlich kaum noch anders ging, gab er sein Lebenswerk in andere Hände, immerhin in die von Tochter Claire. Sie war es dann, die im Herbst 2020 den Verkauf des Traditionsrennstalls an ein Konsortium aus den USA verkünden musste, die finanzielle Lage hatte sie dazu gezwungen. So konnten wenigstens der Name des Rennstalls in den Starterlisten und vor allem die Arbeitsplätze gerettet werden. An diesem Sonntag hatte sie eine weit traurigere Nachricht zu überbringen: die vom Tod ihres Vaters, der mit 79 Jahren in einem Krankenhaus friedlich eingeschlafen ist.

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Der Brite war jahrelang Teamchef in der Formel 1. Nun ist er mit 79 Jahren gestorben.

Formel-1-Chef Stefano Domenicali, der von Claire Williams angerufen worden war, huldigte dem 1999 von der Queen zum Ritter geschlagenen Rennstallbesitzer: "Er war ein wahrer Gigant unseres Sports. Er hat die schwierigsten Herausforderungen im Leben überwunden und jeden Tag dafür gekämpft, auf und neben der Rennstrecke zu gewinnen."

1994 versuchte es auch Ayrton Senna in einem Williams-Rennwagen - und verunglückte in Imola tödlich

Die meisten, die schon vor dem Tod von Sir Frank Williams zu ihm aufgeblickt haben, mussten sich für ein Gespräch tief zu ihm hinunterbeugen. Immer, wenn sich Williams in der Boxengarage an der Rennstrecke oder in der Rennfabrik aufhielt, stand sein Rollstuhl an strategisch guter Position. So, dass fast alle immer an ihm vorbei mussten. Häufig reichte ihm schon, was er sah, um mit seinem Wissen die richtigen Schlüsse für das Team zu ziehen. Das Tagesgeschäft führte sein Kumpel Patrick Head, der Ingenieur, mit dem er Williams GP 1977 gegründet hatte.

Die meisten, die zu ihm aufgeblickt haben, mussten sich für ein Gespräch tief hinunterbeugen: Frank Williams im Fahrerlager. (Foto: David Ramos/AP)

Zwei Jahre später gewann das Team sein erstes Formel-1-Rennen, ausgerechnet in Silverstone. Frank Williams konnte nur flüstern, aber seine Worte hatten Kraft, manchmal sogar zerstörerische. Dann sprach der ganze Wille aus ihm. Von dem besaß er eine Menge, sonst wäre er nach dem verhängnisvollen Autounfall auf der Rückfahrt von Testfahrten 1986 im südfranzösischen Le Castellet wohl nicht mehr in eine Rolle zurückgekehrt, zu der auch erbitterte Duelle mit Bernie Ecclestone oder Konzernfürsten der Autoindustrie gehörten. Der Sohn eines Luftwaffenoffiziers war in seinem Element. Er war ein Fan der preußischen Militärgeschichte, Disziplin und Strategie bewunderte er. Die Formel 1 wurde für Frank Williams zur Herausforderung und Therapie zugleich.

Seinen herausragenden Namen hatte sich Williams lange vor dem Millennium gemacht, insgesamt sieben Fahrer- und neun Konstrukteurstitel hat der Rennstall aus dem mittelenglischen Grove einfahren können - ein Team der Herzen. Und für einige der größten Rennfahrer der Geschichte eine wichtige Karrierestation, ob Keke Rosberg, Nigel Mansell, Damon Hill, Alan Jones, Nelson Piquet oder Alain Prost. 1994 versuchte es auch Ayrton Senna in einem Williams-Rennwagen - und verunglückte in Imola tödlich. Unfallursache soll ein Materialfehler gewesen sein, Frank Williams und sein Konstrukteur Adrian Newey wurden erst Jahre später vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen. Mitschuldig in irgendeiner Form aber hatte sich der Rennstallbesitzer stets gefühlt: "Wir hatten eine große Verantwortung, weil wir ihm das Auto gaben - und wir haben Ayrton im Stich gelassen."

"Sir Frank war ein wirklich wunderbarer Mensch", sagt auch George Russell

Häufig kreuzten sich Williams' Wege auch mit deutschen Motorsportlern, richtig glücklich verliefen diese Begegnungen und Beziehungen meist nicht. So ging die Zweckehe mit dem Motorenlieferanten BMW in die Brüche, die hemdsärmelige Herangehensweise war nicht kompatibel mit der Konzerndenke des deutschen Autoherstellers. Manch sensibler Fahrer vom Kontinent klagte über eine Art Kasernenhofton. Der Mönchengladbacher Heinz-Harald Frentzen gehörte dazu, auch Nico Rosberg. Nick Heidfeld, Nico Hülkenberg und Ralf Schumacher akzeptierten die Eigenheiten der Insulaner irgendwie. Sie alle aber sprechen meist respektvoll von Frank Williams, natürlich auch Jost Capito. Der Siegerländer ist seit diesem Frühjahr Teamchef. Er soll die Transformation zu modernen Managementmethoden und zurück zum Erfolg schaffen.

Große, alte Zeiten: Frank Williams (rechts) mit seinem damaligen Spitzenfahrer Alain Prost. (Foto: Joachim Herrmann/Joachim Herrmann)

Einmal konnte sich der taumelnde Rennstall noch aufbäumen, als sich ein gewisser Toto Wolff vor gut einem Jahrzehnt als Investor andiente. Der Österreicher, der sich einen Namen als Privat-Rennfahrer und Start-up-Unternehmer gemacht hatte, war als Investor bei Williams eingestiegen und orchestrierte den erfolgreichen Börsengang. Aus dieser Zeit stammt auch der letzte der 114 Grand-Prix-Siege, allerdings ein eher zufälliger 2012 durch den Bezahlfahrer Pastor Maldonado. Wolff verließ seinen Posten als Geschäftsführer bald, um Mercedes zum erfolgreichsten Rennstall der Neuzeit zu formen, aber die Bande zu Williams hatten Bestand. Leihmotoren wurden nach Grove geliefert, von dort kam Valtteri Bottas für zehn Millionen Dollar Ablöse als schneller Rosberg-Ersatz zu Mercedes. Auch George Russell, der künftig an der Seite von Lewis Hamilton im Stuttgarter Werksteam fahren wird, wurde bei Williams ausgebildet.

Der 23-Jährige findet die vielleicht eindrücklichsten Abschiedsworte: "Sir Frank war ein wirklich wunderbarer Mensch, und ich werde mich immer daran erinnern, wie wir zusammen gelacht haben. Er war mehr als ein Chef, er war ein Mentor und Freund. Sein Erbe wird für immer im Herzen und der Seele dieses Teams weiterleben."

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