Vettel bei Ferrari:"Ich hatte immer Verträge, die drei Jahre liefen"

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"In der Vergangenheit hatte ich immer Verträge, die drei Jahre liefen": Sebastian Vettel. (Foto: Getty Images)
  • Bei einer Schalte aus seinem Bauernhof gibt Sebastian Vettel zu verstehen, dass einer Vertragsverlängerung bei Ferrari keine hohen Hürden im Wege stehen.
  • Es geht wohl vor allem um die Vertragslaufzeit.
  • Vettel sagt: "In der Vergangenheit hatte ich immer Verträge, die drei Jahre liefen."

Von Philipp Schneider, München

Es ist ja nicht so, als bringe der gesamtgesellschaftliche Rückzug ins Häusliche, den die globale Epidemie als Tribut fordert, nichts Erhellendes mit sich. Wie man nun weiß, erschließt er neuerdings Zugänge zu den geheimnisumwitterten Plätzen dieses Planeten. Etwa zu Neumüli. Jenem Bauernhof im Kanton Thurgau, den sich der Rennfahrer Sebastian Vettel vor Jahren gekauft hat, um sich dorthin in der rennfreien Zeit zurückzuziehen wie die Schildkröte in ihren Panzer. Und von dem man bislang allenfalls sicher wusste, dass er gelegen ist zwischen Ellighausen und Hugelshofen. Das galt bis zu diesem Donnerstag, einer Schalte in der Früh.

Sebastian Vettel sitzt vor einer Webcam, er hat geladen zu seiner ersten Videokonferenz in der Coronapause der Formel 1. Im Hintergrund ist ein hübscher Raum mit Wänden und Decke aus Fachwerk zu sehen. Sein Wohnzimmer? Sein Arbeitszimmer? Egal. Was das denn wohl für Bilder seien, die dort hinter ihm hübsch eingerahmt hingen? Fragt ein Journalist. Och, sagt Vettel. Er steht auf, holt eines der Bilder von der Wand, auf dem sich Form und Gestalt zu verflüchtigen scheinen. Es sei gemalt von einem relativ unbekannten deutschen Künstler, sagt Vettel, er gebe zu: "Es ist eher abstrakt. Also kein Auto." Große Freude in der virtuellen Runde.

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Denn mal so gefragt: Waren Rennwagen jemals abstrakter als in dieser Coronapause der Gesellschaft, die unweigerlich Besitz ergriffen hat von der Formel 1?

Es geht noch um Details, vor allem wohl um die Vertragslaufzeit

Vettel hat nicht nach Neumüli geladen, um seine Kunstgalerie zu präsentieren. Und er hätte nie geladen, wäre er nicht imstande, eine befriedigende Antwort zu geben auf die bohrende Frage, die um seine Zukunft als Rennfahrer kreist. Sein Vertrag bei Ferrari läuft zum Saisonende aus. Vor wenigen Tagen hatte sich Mattia Binotto, Vettels Teamchef, zwar mit einer Lobhudelei auf seinen weltmeisterlichen Angestellten zitieren lassen, aber noch nicht mit der Verkündung einer Unterschrift. Vettel sei "eine authentische und aufrichtige Person. Er liebt seinen Job, er liebt ihn wirklich, und das ist einer der Gründe, warum auch wir bei Ferrari ihn so sehr schätzen", sagte Binotto. Seit Donnerstag ahnt man: Einer Einigung mit Vettel stehen offenbar keine unüberwindlichen Hindernisse mehr im Weg. Es geht noch um Details, vor allem wohl um die Vertragslaufzeit.

"Irgendwann sitzt man natürlich am gemeinsamen Tisch", sagt Vettel in Anspielung an das Gebot des Social Distancing. "Es kann aber auch sehr viel ohne den gemeinsamen Tisch laufen." Dann erzählt er, dass nach der Last-Minute-Absage des Formel-1-Auftakts in Melbourne, im Zuge dessen die Teams ihre Fabriken in einen Lockdown geschickt hatten, "alles auf Stopp" gewesen sei. "Auch die Vertragsverhandlungen." Wenn das erste Rennen nun erst im Juni oder Juli stattfinde, sagt Vettel, "dann haben wir noch genug Zeit - ich will nicht sagen: um es aus dem Weg zu räumen - aber zu Ende zu besprechen."

Was es wohl noch aus dem Weg zu räumen gibt? Verrät Vettel indirekt: "In der Vergangenheit hatte ich immer Verträge, die drei Jahre liefen. Ich bin einer der erfahrensten Rennfahrer, aber ich bin nicht der älteste. Ich glaube nicht, dass es in dieser Hinsicht ein Alterslimit gibt."

Der Satz lässt sich gut so deuten, als habe ihm Ferrari einen Einjahresvertrag angeboten.

Die Frage nach einer Überjährung stellt sich auch eher für die Formel 1 im Ganzen. Denn wenn die Coronakrise eines Tages überwunden ist, werden die Stimmen all jener wieder erklingen, die Wettfahrten von Verbrennungsmotoren in Zeiten des Klimawandels als unzeitgemäß empfinden. Auch Greta Thunberg und die Klimabewegung sind auf Stopp. Nur runtergedimmt. Weil es auf diesem Planeten gerade zeitgleich ums biologische und wirtschaftliche Überleben geht. Das haben viele begriffen.

Um Kosten zu sparen, um mögliche Insolvenzen von kleineren Teams abzuwenden, hat die Formel 1 die für 2021 geplante Technik-Reform verschoben, die etwa mehr Spannung und Überholmanöver versprechen sollte. Die Verschiebung ist alternativlos und Teil eines größeren Rettungspakets, das sämtliche Teams in weiten Teilen befürworten: Kurzfristig sparen alle Geld, indem sie die Fabriken geschlossen haben und sich die Mitarbeiter von fünf von zehn Teams in Kurzarbeit befinden. "Jeder Tag, an dem wir nicht arbeiten, spart uns Geld, und wenn es nur der Strom ist, den wir nicht einschalten müssen", sagt Andreas Seidl, Teamchef von McLaren. Mittelfristig sparen sie Kosten, indem sie den Rennwagen von 2020 in weiten Teilen auch 2021 noch fahren werden. Streit gibt es aber bei der Frage, ob der für 2020 vereinbarte Kostendeckel noch weiter abgesenkt werden sollte. Abgemacht ist bislang die Summe von 175 Millionen US-Dollar pro Saison und Team. "Wir wären einverstanden damit, Richtung 100 Millionen zu gehen", sagt Seidl. Nicht einverstanden mit der 100-Millionen-Richtung sind aber manche reiche Teams, die sich mit ihrem Investitionsvorsprung einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen - vor allem Red Bull und Ferrari. Aus diesem Disput, der noch köchelt, hält sich Vettel raus. Zu anderen Fragen hat er eine klare Meinung.

Vettel hat sich ganz gut eingerichtet im Lockdown in Neumüli

Sogenannte Geisterrennen? "Fad", sagt Vettel. Wenn es nach ihm ginge, sollte die Formel 1 ruhen, bis wieder standesgemäß gebrettert werden kann, also mit Zuschauern an der Strecke. Aber es sei eine Abwägungsfrage: Sie könne auch nicht ruhen, bis ihre Existenz bedroht sei.

Die Gesundheit der Menschen stehe bei allen Überlegungen an erster Stelle, sagt Vettel. Die Bilder aus Ferraris Heimatland Italien, einem Epizentrum der Covid-19-Epidemie, seien "schrecklich und prägend" gewesen. Bei einigen seiner Teammitglieder sei auch die Großmutter im Krankenhaus gewesen oder der Großvater. "Im direkten Umfeld gab es zum Glück keinen Todesfall, alle sind wieder genesen. Aber wenn man so engen Kontakt zu Mechanikern hat, die betroffen sind, dann ärgert man sich vielleicht nicht so sehr, dass das öffentliche Leben eingeschränkt ist."

Man hört raus: Vettel hat sich ganz gut eingerichtet im Lockdown in Neumüli. Er arbeitet im Garten, werkelt am Haus. Ausschlafen kann er sowieso nicht, er hat ja drei Kinder. In der übrigen Zeit treibe er viel Sport, er sei jetzt sogar fitter als zum Zeitpunkt des angedachten Saisonstarts im März. "So streicht der eine oder andere Tag ins Land", sagt Vettel. Zwei Monate habe er nun schon nicht im Auto gesessen, weswegen es neulich angefangen habe zu kribbeln. Sebastian Vettel sagt: "Es fehlt einem die Fahrerei."

© SZ vom 17.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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