Schummelverdacht in Formel 1:Eine unbefriedigende Antwort für die Ferrari-Gegner

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Ferrari steht zurzeit unter besonderer Beobachtung. (Foto: imago images/Action Plus)
  • In ihrer Antwort auf die Forderungen der Ferrari-Gegner verkriecht sich die Fia hinter ihrem Regelbuch.
  • Und sie verteidigt sich mit ihrer Unfähigkeit, den Schummelverdacht rechssicher beweisen zu können.

Von Philipp Schneider, Melbourne/München

Die Antwort erfolgte überraschend schnell. Was vor allem daran lag, dass sie erwartbar unbefriedigend ausfiel. Zumindest für jene sieben Rennställe, die Formel 1 fahren ohne italienische Motoren unter der Haube. Und die sich deshalb am Vortag zu einem ungewohnt harmonischen Chor zusammengeschlossen hatten, um ein Lied des Protests anzustimmen gegen die dürre Abschlusserklärung des Automobilweltverbandes Fia und das darin formulierte Stillschweigen zu den vermeintlichen Unregelmäßigkeiten am Ferrari-Motor der Vorsaison.

Die Fia antwortete 26 Stunden, nachdem sich die sieben Teams an die Öffentlichkeit gewandt hatten, anstatt hinter den Kulissen zu protestieren. Sie wollten öffentlich Druck aufbauen, um den Weltverband dazu zu bewegen, "eine vollständige und ordnungsgemäße Offenlegung anzustreben, um sicherzustellen, dass in unserem Sport alle Konkurrenten fair und gleich behandelt werden", wie sie schrieben.

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Daraus wird vorerst nichts. Anstatt Transparenz zu schaffen, verkriecht sich der Verband hinter einem Regelbuch, das er selbst geschrieben hat. Und hinter dem Eingeständnis einer Unfähigkeit - ob nun vorgeschoben oder nicht -, den Verdacht rechtssicher beweisen zu können.

Die Fia besitzt nicht einmal einen eigenen Prüfstand

Mit den Unschulds-Beteuerungen der Italiener, schrieb die Fia, sei sie zwar "nicht vollständig zufrieden" gewesen. Sie habe jedoch entschieden, "dass weitere Maßnahmen nicht in einem beweiskräftigen Verfahren enden würden". Dies liege an der "Komplexität der Sachlage" und der "materiellen Unmöglichkeit", die es unmöglich machten, einen "eindeutigen Beweis des Regelbruchs zu liefern". Mit anderen Worten: Die Fia glaubt nicht an Ferraris Unschuld. Aber beweisen kann sie gar nichts. Sie besitzt ja nicht einmal einen Prüfstand!

Genau deshalb war Teil des offensichtlichen Kuhhandels (der offiziell keine Strafe beinhalten durfte), dass Ferrari den Kommissaren bei der Fahndung nach möglichen Mogeleien künftig hilft. Sich auf dem eigenen Prüfstand der Mogelei überführen zu lassen, das wollten die Italiener vermutlich auch nicht.

Aber mal so gefragt: Wenn einem Weltverband der Sport, den er organisieren soll, zu komplex ist, um ihn fair und transparent zu gestalten, hat er dann überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?

Als Grund für das intransparente Verfahren, an dessen Ende Ferrari und die Fia Ende der vergangenen Woche Stillschweigen verkündet hatten, gibt der Verband an, "negative Konsequenzen zu vermeiden, die ein langer Rechtsstreit" gehabt hätte. Deshalb hätte er lieber eine "wirksame und abschreckende Vergleichsvereinbarung zur Beendigung des Verfahrens" mit Ferrari geschlossen.

Das Verfahren beenden wollen Ferraris Gegner allerdings noch nicht. In ihrer Mitteilung verteidigen die Regelhüter ihr Verhalten nun unter Verweis auf Artikel 4 ihrer Rechts- und Verfahrensregeln. Die Art der getroffenen Vereinbarung, schreibt die Fia, sei "ein Rechtsinstrument, das als wesentlicher Bestandteil in jedem Disziplinarwesen anerkannt ist und von vielen Behörden und anderen Sportverbänden bei der Bearbeitung von Streitigkeiten verwendet wird". Tatsächlich heißt es dort, das Anklageorgan könne "im Anschluss an seinen Untersuchungsbericht einen Vergleich beschließen, um das Verfahren zu beenden". Auch heißt es, die Fia könne "teilweise oder vollständige Immunität" verleihen, sofern mit ihr "auf Treu und Glauben" kooperiert werde. Andererseits steht am Ende von Artikel 4 auch: "Das Anklageorgan und alle an der Anhörung beteiligten Personen sind an eine Schweigepflicht gegenüber Personen oder Organisationen, die durch die Anhörung nicht betroffen sind, gebunden."

Kernfrage: Ist die Schweigepflicht überhaupt gerechtfertigt? Wären die anderen Teams von einer Motorenmanipulation Ferraris tatsächlich nicht betroffen? Sie wären jedenfalls ärmer, als sie sein müssten. Denn würden der Scuderia auf dem Rechtsweg nachträglich Punkte aberkannt, würde das auch Prämien kosten - es könnte schnell ein zweistelliger Millionenbetrag zusammenkommen, der dann wiederum auf die anderen Teams verteilt werden müsste.

Ferraris Gegner hatten am Mittwoch angekündigt, notfalls rechtliche Schritte einzuleiten und eine Entscheidung vor dem unabhängigen Fia-Berufungsgericht zu erzwingen. Jenseits ihrer Pressemitteilung hatten sie der Fia nach SZ-Informationen einen Fragenkatalog zum Ferrari-Motor zukommen lassen. Dass der Verband nun seinerseits lieber eine Pressemitteilung verschickte, legt die Vermutung nahe, dass er glaubt, juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Die Frage ist, ob sich jemand traut, dies von Richtern überprüfen zu lassen.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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