Formel-1-Fahrer Nico Rosberg:Glattgebügelt von der PR-Maschine der Formel 1

Mit 17 saß Nico Rosberg zum ersten Mal in einem Formel-1-Auto, beherrschte vier Sprachen und galt als der neue Michael Schumacher. Zehn Jahre später ist er immer noch ein potenzieller Siegfahrer - aber er hat sein Profil verloren. Erkenntnisse einer Autofahrt zu zweit.

Michael Neudecker

Nico Rosberg steigt ein, die Lüftung ist voll aufgedreht, eine voll aufgedrehte Lüftung ist laut, deshalb diese Bitte jetzt: Ob es ihm etwas ausmache, die Lüftung zurückzudrehen? Rosberg schaut ernst. Er sagt: "Ja. Macht mir was aus."

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Talentiert, erfolgreich - aber glattgebügelt von der Formel-1-PR: Mercedes-Pilot Nico Rosberg.

(Foto: dapd)

Ach so, also, ein bisschen vielleicht?

Schweigen.

Dann lächelt Rosberg, nene, sagt er, war nur ein Witz, klar mache er die Lüftung aus. Ein Witz am Anfang: geht ja gut los.

Von Affalterbach nach Stuttgart sind es 30 Kilometer, die Fahrt dauert eine halbe Stunde. Es ist kurz vor dem Formel-1-Rennen in Hockenheim (wo er die Qualifikation verpatzte), Nico Rosberg hat einen PR-Tag, am Morgen war er im Mercedes-Werk in Rastatt, danach in Affalterbach, in Stuttgart hat er einen Auftritt mit anderen Fahrern vor 200 Fans. Und zwischendurch diese Autofahrt: von Affalterbach nach Stuttgart, im Zweisitzer, ein Sportwagen, 525 PS, ein Motor, der brüllt.

Ein Interview mit einem Formel-1-Fahrer während einer Autofahrt, das ist eine vielversprechende Sache, Gespräche im Auto sind ja oft intimer als im Café. Im Café sind andere Gäste, es gibt die Kellnerin, manchmal auch den Pressesprecher, der daneben sitzt und auf die Uhr schaut; auf die Uhr schauen gehört zu den Hauptaufgaben von Pressesprechern. Im Auto ist: der Interviewte, der Interviewer, das Auto.

Und: das Navi. Das Navi sagt: "Jetzt rechts und danach sofort rechts abbiegen", es ist fast so laut wie die Lüftung. Nico Rosberg redet und gibt Gas und bremst und lenkt nach rechts und links, die Beschleunigungskraft zerrt und drückt und lässt los. Autofahren mit einem Formel-1-Piloten ist so, wie man sich das vorstellt. Reden und Gas geben und lenken, natürlich ist das für einen wie Rosberg kein Problem.

Man kann über vieles reden im Auto, insbesondere mit Nico Rosberg: geboren in Wiesbaden, aufgewachsen in Monaco, Sohn des finnischen Formel-1-Weltmeisters Keke Rosberg und einer Deutschen, fließend Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, deutscher und finnischer Pass, in der Schule eine Klasse übersprungen, Abitur mit 1,2, Studienplatz an der Universität Southampton in Luft- und Raumfahrttechnik.

Mit 16 ist er Hauptdarsteller einer Dokusoap des Musiksenders Viva, sie haben ihn in einer Nachwuchsserie begleitet, im Pressetext stand: "Große Gefühle und heiße Öfen sind garantiert", leider ist die Sendung nie ausgestrahlt worden. Mit 17 sitzt Rosberg zum ersten Mal in einem Formel-1-Auto, so früh hat das niemand sonst geschafft, mit 20 debütiert er in der Formel 1, er fährt im ersten Rennen die schnellste Runde, er gilt als der neue Schumi: Deutschlands Zukunft im Motorsport.

Und jetzt?

Nico Rosberg ist jetzt 27, er ist der Teamkollege von Michael Schumacher bei Mercedes, und damit ist schon viel über Nico Rosberg erzählt.

Formel-1-Fahrer haben ein starkes Ego, wer den Mechanikern sagen soll, was er braucht, um mit 300 Sachen dahinzujagen, der benötigt ein starkes Ego. Der Vergleich mit Schumacher, die Fokussierung des öffentlichen Interesses auf den Star, der bei PR-Terminen neben ihm steht, das nervt Rosberg ein bisschen, sagen jedenfalls die, die ihn besser kennen. Wie also findet er den Vergleich mit Schumacher?

"Da freut man sich natürlich", sagt Nico Rosberg, "er ist einer der Besten aller Zeiten, wenn man da einen Vergleich kriegt, ist das schön." Außerdem: "Wir tauschen uns gegenseitig aus, der eine fordert den anderen, wir steigern uns gegenseitig. Ich finde das sehr, sehr interessant."

Glattgebügelt von PR-Leuten

In einem Interview mit dem Focus, das er zusammen mit seinem Vater gab, hat Nico Rosberg einmal solche Sätze gesagt: "Für mich ist das eine Katastrophe, so einen Vater neben sich sitzen zu haben und ein Interview zu machen. Ich kann mich doch gar nicht auf das konzentrieren, was ich sage möchte." Aber das war am Anfang seiner Karriere, damals war Nico Rosberg der freche, smarte Junge, der sagt, was er denkt.

Nach sieben Jahren Formel 1 sagt Nico Rosberg zwar manchmal immer noch Sätze, die auffallen, aber nur sehr selten, meistens sagt er Sätze wie die über Schumacher. Er ist vorsichtig geworden, man könnte auch sagen: Die PR-Maschine Formel 1 hat ihn glattgebügelt. Katastrophe, darauf haben sie ihn bald hingewiesen, das sind Wörter, die man nicht verwendet, Katastrophe ist, wenn ein Haus einstürzt. Formel 1 ist auch eine Marketingveranstaltung großer Konzerne, und in Konzerndeutsch sagt man nicht Katastrophe.

Vor ein paar Monaten hat Nico Rosberg seinen Vertrag bei Mercedes verlängert, bis 2016, er verdient rund 14 Millionen Euro pro Jahr. Mercedes redet gern über den Silberpfeil, sie begreifen das als Vermarktungschance, der Silberpfeil, der Mythos. Ist die Silberpfeil-Sache nicht überhöht?

"Nein", sagt Rosberg, "das war ein Faktor bei der Vertragsverlängerung. In der Formel 1 gibt es sowieso nur Ferrari und Mercedes als 'Wow-Teams.'"

Dann bleibt ja nun nur noch Ferrari als Ziel für ihn, oder?

"Ja." Pause.

"Ich habe gerade ja gesagt auf Ihre Frage", er macht eine Bewegung mit der rechten Hand, die linke bleibt am Steuer, er schaut wieder sehr ernst, "das hab' ich nur so daher gesagt. Ferrari ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist es, im Silberpfeil Rennen zu gewinnen, ich verschwende keinen Gedanken daran, woanders zu fahren."

So ist das mit Nico Rosberg: Er hätte so viel zu erzählen, aber er hat Angst, zu viel zu sagen. Ein bisschen kann man das verstehen: Er ist schon öfter von PR-Menschen zurechtgewiesen worden, die Sache mit der Frauenfußball-WM zum Beispiel haben sie bei Mercedes als PR-Desaster gesehen. Rosberg wurde gefragt, ob er die Frauenfußball-WM gucke, er antwortete: "Warum nicht, man guckt doch auch die Paralympics."

Er meinte: Die Leistung der Frauen ist genauso respektabel wie die der Männer, und die Leistung der Paralympics-Teilnehmer ist genauso respektabel wie der Olympia-Teilnehmer. In den Boulevard-Zeitungen stand dann: Rosberg vergleicht Frauenfußball mit Behindertensport! Sie haben ihn reingelegt, Nico Rosberg sagt jetzt lieber gar nichts mehr.

Das Problem ist nur: Wer nichts sagt, hat wenig Profil. Nico Rosberg ist ein cleverer, adretter junger Mann, der eines Tages vielleicht sogar Weltmeister werden kann, aber er hat kein Gesicht.

Gewiss, Schumacher und Vettel sind erst richtig populär geworden, als sie Weltmeister wurden, Seriensieger. Und Nico Rosberg hat ja noch mehrere Jahre vor sich in der Formel 1, er hat diese Saison sein erstes Rennen gewonnen.

Wo sieht er sich nun, mit 27?

"Ich hab' einiges erreicht", sagt Rosberg, "aber es gibt noch viel zu erreichen", er bremst, die Fahrt ist gleich zu Ende.

Das Navi sagt: "Nehmen Sie im Kreisverkehr die erste Ausfahrt."

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