Formel 1:Es liegt nicht nur am Material

Formula One F1 - Japanese Grand Prix 2017 - Suzuka Circuit, Japan

Der WM-Führende Lewis Hamilton (l.) nach dem Qualifying in Suzuka neben Verfolger Sebastian Vettel.

(Foto: REUTERS)

Ja, Sebastian Vettel musste unter der Technik seines Ferraris leiden. Doch er selbst trägt auch Schuld daran, dass er in der Formel-1-WM so weit zurückliegt.

Kommentar von Philipp Schneider

Bevor Maurizio Arrivabene vor drei Jahren zum Teamchef von Ferrari und Nachfolger von Marco Mattiacci ernannt wurde, war er 17 Jahre lang als Manager für den die Scuderia finanzierenden Zigarettenhersteller tätig. Arrivabene war schon damals dicht dran an Ferrari. Und wenn er in dieser Zeit durch das Fahrerlager stolzierte, mit seinen Falten, die das Wetter und das Nikotin tief in sein Gesicht gegraben hatten, dann sah er nicht nur aus wie der Marlboro-Mann. Er war der Marlboro-Mann.

Als Arrivabene am Sonntag die Journalisten sah, die in Suzuka vor dem Zelt von Ferrari auf ihn warteten, da war für ihn leider gerade kein Pferd gesattelt. Fortreiten, bis auf den herrlichen Gipfel des nahen Berges Kyogamine, konnte er nicht. Also sagte Arrivabene: "Jeder hat gesehen, was passiert ist. Die WM ist nicht entschieden. Wir kämpfen weiter bis zum letzten Rennen, der letzten Runde, der letzten Kurve." Er sprach noch immer von wir. Und vielleicht kommt er damit sogar durch.

Es mag ebenfalls sein, dass der schon vor diesem Rennen ob der Unzuverlässigkeit der von seinen Geldern finanzierten Technik tobende Ferrari-Chef Sergio Marchionne den Marlboro-Mann auf einen sehr einsamen Ritt in den Sonnenuntergang schickt. In Malaysia riss in Sebastian Vettels Ferrari ein Karbon-Kabel zwischen Motor und Turbolader. In Japan versagte eine der sechs Zündkerzen. Auf dem Weg zu seinem fünften WM-Titel tuckerte Vettel plötzlich nur noch mit fünf Zylindern. Für die Qualitätskontrolle in der Scuderia, die Marchionne schon nach dem Grand Prix in Malaysia kritisiert hatte, ist in letzter Instanz Arrivabene verantwortlich. Das ist das eine.

Hamiltons Pech ist jetzt Vettels Pech

Und doch wäre die Schuldzuweisung sehr einseitig, würden die Tifosi in ihrer berechtigten Trauer allein mit dem Finger auf die Techniker und Verantwortlichen zeigen. Auch der Fahrer hat Lewis Hamilton in die komfortable Situation gebracht, dass er schon beim anstehenden Rennen in Austin Weltmeister werden kann.

Vettels wilde Fahrt in der ersten Runde von Singapur, die zu jenem Dreier-Crash mit Max Verstappen und Kimi Räikkönen führte, den Vettel mit etwas passiverer Fahrweise hätte verhindern können, kostete ihn ziemlich sicher 32 Punkte. 25 für einen vergebenen Sieg - plus sieben Zähler, die der Sieger Hamilton als maximal Zweiter weniger gesammelt hätte. Selbst wenn Vettel den Sieg Verstappen einfach überlassen hätte, um einen Crash zu vermeiden, wären es immer noch 28 Punkte weniger, die ihn und Hamilton nun trennen würden. Der Titelkampf wäre weiter völlig offen.

Andererseits: Wie sonst, wenn nicht von Fahrfehlern oder Technikversagen soll denn eine Weltmeisterschaft in der Formel 1 entschieden werden? Die Zuverlässigkeit des Materials werde sein Duell mit Vettel prägen, hat Lewis Hamilton schon im Mai beim Rennen in Monte Carlo geahnt. Und woher wusste er das? Weil er im Vorjahr selbst Opfer der Technik geworden war. In Malaysia kletterte er aus seinem Auto, das er mit Motorschaden abgestellt hatte - Nico Rosberg rettete seinen Punkte-Vorsprung bis zum letzten Rennen in Abu Dhabi gerade so ins Ziel. Hamiltons Pech ist jetzt Vettels Pech. Diese fatalistische Einsicht könnte Arrivabene noch den Job retten.

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