Formel 1: Der BMW-Ausstieg:Von der Vernunft ausgebremst

Der Richtungswechsel bei BMW ist ein Indiz dafür, wie schwer inzwischen ein umweltbelastender Zeitvertreib den Menschen zu vermitteln ist.

René Hofmann

Bevor Mario Theissen am Mittwoch um 10 Uhr in München vor die Öffentlichkeit trat, um zum Formel-1-Ausstieg von BMW Stellung zu nehmen, hatte er bereits ein unangenehmes Telefonat geführt. In einer Telefonkonferenz mit den anderen neun Chefs der Teams, die in der höchsten Klasse des Automobilsports antreten, hatte der 56-Jährige die Beweggründe seines Arbeitgebers erläutern müssen.

Formel 1: Der BMW-Ausstieg: Wenn der Motorsport überleben will, muss er sich neu erfinden: Formel-1-Rennwagen von BMW beim Großen Preis von Deutschland im Juli 2008.

Wenn der Motorsport überleben will, muss er sich neu erfinden: Formel-1-Rennwagen von BMW beim Großen Preis von Deutschland im Juli 2008.

(Foto: Foto: dpa)

BMW möchte Vorreiter bei umweltfreundlichen Autos werden. Dazu passt das Formel-1-Engagement nicht mehr. Und: Weil die Erfolge ausblieben, rechnete sich der dreistellige Millionenbetrag, den das Unternehmen jedes Jahr für die Formel 1 bereitstellte, auch aus Marketing-Gründen nicht mehr.

Keine Siege, kein Gegenwert - so lautet die Rechnung. Viele Fragen dürfte es in der Telefon-Runde nicht gegeben haben. Alle, die auf der Bühne mitwirken, wissen, wie das Spiel läuft. Sie haben bereits Erfahrung mit der Situation. Erst im Dezember vergangenen Jahres erlebten sie eine ähnliche. Damals teilte der Honda-Konzern seinen sofortigen Rückzug mit. Die Rennwagenfabrik der Japaner in England wurde anschließend vom Szene-Kenner Ross Brawn übernommen, der sie bislang erfolgreich weiterführt. Davon, ob ein ähnliches Modell für die Fabrik in Hinwil bei Zürich gefunden wird, wo zuletzt 420Mitarbeiter die Karosserien für die einsitzigen BMW-Prototypen bauten, hängt für die Formel1 viel ab. Mit lediglich 20Startern befindet sich das Teilnehmerfeld bereits jetzt am unteren Ende dessen, was noch Interesse weckt.

Abruptes Ende

Mercedes und Toyota bekräftigten am Dienstag, dass ihr Engagement in der Rennserie vom BMW-Rückzug nicht betroffen sei. Solche Aussagen haben aber immer nur eine kurze Halbwertzeit. Sie gelten lediglich bis zur nächsten Vorstandssitzung. Auch bei BMW kam das Ende abrupt. Bis Montag hatten die Verantwortlichen noch das hohe Lied der Kostenreduktion und des Know-how-Transfers gesungen. 50 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren wendet die Firma 2009 für die Formel 1 auf. Weitere Einsparungen waren abzusehen. Das Wissen, das bei der Entwicklung von Kers, einem elektrischen System zum Speichern von Bremsenergien, für die Formel 1 entstand, wird in die Serienfahrzeuge einfließen. Trotzdem entschieden die Gewaltigen jetzt: Schluss mit dem Sport. Bei Renault könnte ein ähnlicher Beschluss anstehen. Gerüchte, die französische Firma prüfe ihr Engagement, halten sich seit langem hartnäckig.

Ein Exodus droht. Die Formel 1 balanciert schon lange am Abgrund. Nun könnte sie hinunterstürzen. In den letzten Jahren sind die Kosten explodiert. Ohne Konzern-Unterstützung sind heute keine Siege mehr zu erringen. Die nächsten Tage werden für die Zukunft des Sports deshalb entscheidend sein. Die in der Rennstallvereinigung Fota organisierten Teams haben mit dem Automobilweltverband FIA und Bernie Ecclestone, der die Vermarktung der Serie organisiert, einen neuen Grundlagenvertrag ausgehandelt. Er regelt, wie künftig die Einnahmen verteilt werden sollen und wer welche Mitspracherechte in Regelfragen hat. Wer das Concorde Agreement genannte Werk unterzeichnet, verpflichtet sich, auch in den kommenden drei Jahren in der teuersten Motorsportkategorie anzutreten.

Geld soll sinnvoller investiert werden

Der BMW-Vorstand schreckte vor diesem Schritt zurück. Ein Ja hätte mehrere hundert Millionen Euro gekostet. Das Geld will das Unternehmen sinnvoller investieren. Kommen andere Konzerne zu dem gleichen Entschluss, droht der Formel 1 in ihrer heutigen Form das Aus. Zwar dürften sich auch künftig Garagisten finden, die ein paar Rennwagen zusammenschrauben. Aber die Show wird dann einen Großteil der Professionalität und der Weltläufigkeit verlieren, die die Konzerne brachten, und die in den vergangenen Jahren viel zum Aufschwung der Formel 1 beigetragen haben.

Die Begründung, die BMW für den Rückzug nennt, deutet an, dass nicht nur die Formel 1 ihre schillerndsten Tage hinter sich hat, sondern der Motorsport generell. Statt PS lautet das Zauberwort plötzlich Nachhaltigkeit - selbst bei der Marke, die angeblich die Freude am Fahren erfunden hat. Dieser Richtungswechsel bedroht den Sport in seinem Innersten: Wenn es gesellschaftlich nicht mehr opportun ist, dass Piloten ihr Fahrkönnen an 17Sonntagen im Jahr, angetrieben von einem Verbrennungsmotor, miteinander vergleichen, muss der Motorsport sich neu erfinden, wenn er überleben will.

Der Versuch, der Formel 1 mit umweltorientierten Technologien wie dem Bremsenergie-Rückgewinnungssystem Kers ein neues Image zu verschaffen und die Autoindustrie so zum weiteren Mitwirken zu animieren, ist offenbar gescheitert. Den Kurs hatte an der Spitze des Automobilweltverbandes Max Mosley vorgegeben. Der 69-Jährige wollte im Herbst sein Amt als FIA-Präsident abgeben. Ob er zu dieser Entscheidung steht oder sie angesichts der Krise revidiert, die der BMW-Ausstieg auslöst, wird maßgeblich für das sein, was künftig auf den Rennstrecken passiert: Der Sport braucht einen Neuanfang.

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