Formel 1:Das Mercedes-Duell eskaliert in Spielberg

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Der Wendepunkt dieser Formel-1-Saison? Lewis Hamilton gewinnt in Spielberg. (Foto: Getty Images)

Lewis Hamilton gewinnt in Österreich, weil er es auf den letzten Metern an Nico Rosberg vorbeischafft - mit einem Manöver, bei dem die Funken fliegen.

Von René Hofmann, Spielberg/München

Der Kurs in Spielberg ist eine besondere Rennstrecke. Er ist außergewöhnlich kurz und bietet nur wenige Kurven. Aber das bedeutet nicht, dass hier wenig passiert. Im Gegenteil. In Spielberg passiert oft viel. An diesem Sonntag ereignete sich nun etwas, was selbst in der Formel 1 selten vorkommt. In der höchsten Motorsport-Kategorie eskalierte das Duell der beiden Top-Fahrer, der Mercedes-Rivalen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Und: Es eskalierte in der letzten Runde, ja, tatsächlich: Auf dem letzten Umlauf!

Lewis Hamilton hatte das bessere Ende für sich. Der 31 Jahre alte Brite gewann den Grand Prix vor Max Verstappen im Red Bull und Kimi Räikkönen im Ferrari. Nico Rosberg, der das Rennen noch angeführt hatte, als es auf die letzte Runde ging? Er wurde am Ende lediglich Vierter und musste damit hinnehmen, dass sein Vorsprung in der Gesamtwertung nach dem neunten von 21 Rennen 2016 um 13 Punkte auf elf Zähler schmolz. Für Rosberg war es ein besonders bitterer Nachmittag. Für Hamilton war es ein besonders süßer.

"Mehr Schuld hat der Nico", sagt Niki Lauda

Hamiltons Erleichterung: Der Brite rückt im Gesamt-Ranking bis auf elf Punkte an Rivale Nico Rosberg heran. (Foto: Dominic Ebenbichler/Reuters)

"Was für ein unglaubliches Rennen das war", sagte Hamilton, der bei der Siegerehrung von den Fans deutlich hörbar ausgepfiffen wurde - wofür er wenig Verständnis aufbrachte: "Das ist deren Problem, nicht meines", beschied Hamilton und richtete den Pfeifern aus: "Ich bin hier, um zu siegen. Das ist alles, um das es geht." Unfallgegner Rosberg stöhnte im Ziel erst einmal auf: "Mann, oh Mann, manchmal ist es echt hart", sagte der 31-Jährige, "ich war überzeugt, dass ich das nach Hause fahre."

Rosberg sah die Schuld für den Crash klar bei Hamilton. Seine Bremsen hätten überhitzt, gab Rosberg an, so habe Hamilton "eine kleine" Chance bekommen. Aber: "Innen bin ich in einer starken Position", führte Rosberg aus. "Ich hatte alles unter Kontrolle." Es habe ihn "sehr überrascht, dass er reingelenkt hat", richtete Rosberg Hamilton aus.

Diese Sicht auf die Dinge wurde von Rosbergs Vorgesetzten nur bedingt geteilt. "Mehr Schuld hat der Nico", bilanzierte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda am RTL-Mikrofon, bei Hamilton sah er "null Schuld". Teamchef Toto Wolff wollte zwar keine Schuldzuweisung in der Öffentlichkeit abgeben - tat dann aber genau das. "Das Resultat des Teams wegzuwerfen, das darf nicht passieren", sagte er Richtung Rosberg: "Er hat nicht genug Platz gelassen." Der Crash sei "klar vermeidbar gewesen". Dreieinhalb Stunden nach Rennende bekam Rosberg auch von den Rennstewards die Schuld zugesprochen. Er wurde mit einer Zeitstrafe von zehn Sekunden belegt.

Dennoch behielt er den vierten Platz. Die Szene, die nicht nur die Gemüter der Protagonisten erhitzte, hatte sich im Schlussspurt am Ende einer Bergauf-Passage ereignet. Auf dieser hatte sich Hamilton mithilfe des DRS-Knopfes, der es einem knapp Hinterherfahrenden erlaubt, den Heckflügel kurz flach zu stellen, knapp vor Rosberg gesetzt. Als Hamilton am Ende der Geraden die folgende Rechtskurve ansteuerte, stand ihm Rosberg im Weg. Der WM-Führende hatte Bremsprobleme. Aus diesem Grund fuhr er einen etwas weiteren Bogen durch die Kurve als auf den Runden zuvor. Dieser Weg führte Rosberg gegen Hamiltons Frontflügel.

Bei der Kollision flogen die Funken. Rosbergs Frontflügel wurde beschädigt. Kurz darauf brach er - wieder unter Funkenflug - ab. Weil in der Nähe des Unfallortes eine gelbe Flagge geschwenkt wurde, die zur Vorsicht mahnte und sich die Frage aufdrängte, ob der Crash von einem der beiden Beteiligten vermeidbar gewesen wäre, nahmen die Rennkommissare Ermittlungen auf.

Wie nah ist zu nah? Diese Frage wird die Mercedes-Gewaltigen in den kommenden Tagen noch beschäftigen. Das nächste Rennen steht am Sonntag in Silverstone/England an. Nach dem Unfall auf der ersten Runde in Barcelona, bei dem Hamilton und Rosberg ins Aus gekreiselt waren, ist es bereits der zweite teaminterne Zusammenstoß, der Punkte kostet.

Sebastian Vettels bemerkenswerter Ausfall

"Dass sie sich ins Auto fahren, das geht nicht mehr", grollte Wolff und kündigte für die nächsten Tage, "wenn sich die Emotionen abgekühlt haben", ein ernstes Gespräch an. Wie das laufen könnte, skizzierte Niki Lauda schon mal: "Wir machen eine Strategie für die Fahrer und die werden das dann machen." Einen dauerhaften Frieden aber hat diese Methode in der Vergangenheit nie erbracht, weshalb sich auch die Teamführung nun Kritik gefallen lassen muss. Pointiert formulierte diese Gerhard Berger.

Der einstige Grand-Prix-Pilot ist zurzeit als Sachwalter von Nico Rosberg im Fahrerlager unterwegs, Berger soll für den Titelkandidaten einen neuen Mercedes-Kontrakt aushandeln. Insofern ist es verständlich, dass Berger für Rosberg Position bezog. Überraschend aber war die Taktik, die er dafür wählte: Berger attackierte die Teamführung. Der Crash sei absehbar gewesen, meinte er: "Das Team hätte eingreifen sollen", so seine Forderung - etwa mit einem Attackenverbot auf den Schlussrunden. Lauda wollte davon nichts wissen. Ob die Machthaber im Mercedes-Konzern das aber genauso sehen, ist eine spannende Frage. Auf Dauer kann das allzu leidenschaftliche Gegeneinander der beiden angeblichen Vorzeigefahrer doch sehr teuer werden.

Der Funkenflug im Sternenreich überstrahlte an diesem Nachmittag alles. Auch Sebastian Vettels bemerkenswerten Ausfall. Das Geburtstagskind - Vettel wurde am Sonntag 29 - versuchte, den Erfolg mit einer ausgiebigen Fahrt auf seinem ersten Reifensatz zu erzwingen. In Umlauf 27 aber platzte auf der Start- und Zielgeraden bei hohem Tempo der rechte Hinterreifen am Ferrari. Vettel ärgerte sich mächtig - vor allem über die Unzuverlässigkeit der Reifen von Einheits-Ausrüster Pirelli.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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