Die Nachricht ist geschickt platziert gewesen, hinein in eine vermeintliche Leere nach dem Rausch. Gerade erst hatte die Formel 1 in Las Vegas eine große Party gefeiert – vor allem diejenigen, die es mit Red Bull und Max Verstappen halten. Zwischen den bunt erleuchteten Hotels und Casinos hat sich der 27-Jährige erneut zum Weltmeister gekrönt, vier Titel, damit zählt er zu den sechs Besten seines Sports. Diese spannende Saison hat ihre Überschrift also schon erhalten, bevor die verbleibenden zwei der 23 Kapitel geschrieben sind, in Katar findet diesen Sonntag der vorletzte Grand Prix statt. Aber die Formel 1 versteht es, im Gespräch zu bleiben.
Zum Start in diese Rennwoche veröffentlichte die Rennserie eine Pressemitteilung auf ihrer Homepage, deren Inhalt eine Kontroverse beendet, die vor beinahe zwei Jahren begonnen hat: Die Königsfamilie des Motorsports, bisher eher verschlossen, wenn es darum ging, den Kreis ihrer zehn Mitglieder zu erweitern, wird wachsen. Wenn ab 2026 das neue Regelwerk greift, wird nicht nur Audi als Werksteam, sondern auch ein weiterer, elfter Rennstall dabei sein: Die General-Motors-Tochter Cadillac hat die Zusage erhalten. Der US-Automobilkonzern soll erst mit einem eigenen Team und dem Antrieb von einem der etablierten Hersteller starten, bevor Cadillac mit eigenen Motoren antreten will.
Formel-1-Weltmeister Max Verstappen:Mit 27 schon im Kreis der Legenden
Vierter WM-Titel in Serie – und was für einer: Max Verstappen lenkte diese Saison nicht das beste Auto, er legte sich mit allen an und triumphierte trotzdem. Über ein Jahr, in dem er zu den Besten der Formel 1 aufstieg.
Damit erreicht indirekt die Rennsport-Familie Andretti um Oberhaupt Mario, Formel-1-Weltmeister von 1978, und dessen Sohn Michael, der 1993 an 13 Formel-1-Grand-Prix teilnahm, ihr Ziel. „Dass ich in dieser Phase meines Lebens noch involviert sein darf, da muss ich mich echt kneifen, um sicherzugehen, dass ich nicht träume“, sagte Mario dazu. Andretti Autosport startet in diversen prominenten Serien und wollte schon länger mit einem Team in die Formel 1 aufsteigen. Den Schweizer Rennstall Sauber übernahm dann jedoch Audi, und so kam es zur Partnerschaft mit Cadillac, passend zum Boom in den USA. Dass jemand etwas gegen diesen Einstieg haben könnte, konnten sie sich nicht vorstellen. Doch als die Pläne Anfang 2023 bekannt wurden, fand das zwar der Automobil-Weltverband Fia gut, der einen Bewerbungsprozess für neue Teams ausgerufen hatte. Die etablierten Rennställe und das Formel-1-Management allerdings zeigten sich weniger begeistert.
Andretti beschwerte sich beim US-Kongress, das Justizministerium leitete eine Untersuchung ein
Im Oktober 2023 ließ die Fia um Präsident Mohammed bin Sulayem die Bewerbung von Andretti als Einsteiger zu. Das eigentliche Go aber musste die Chefetage der Formel 1 um CEO Stefano Domenicali geben, der die Interessen von Eigentümer Liberty Media vertritt. Aus Sicht der Teams ging die Rechnung nicht auf, wenn Andretti die festgelegte Einstiegsgebühr von 200 Millionen Dollar zahlen, dann von der globalen Strahlkraft profitieren und den eigenen Wert enorm steigern würde, während die anderen zehn erst mal weniger von den Milliarden-Einnahmen hätten. „Es geht nur um Gier“, sagte Michael Andretti damals in einem Forbes-Interview.
Liberty Media als kommerzieller Rechteinhaber wies die Bewerbung nach eigener Prüfung im Januar 2024 zurück mit dem Argument: Andretti bringe der Formel 1 keinen Mehrwert. Der 60-Jährige beschwerte sich daraufhin beim US-Kongress mit dem Verweis auf das Kartellrecht, das Justizministerium leitete im August 2024 eine Untersuchung ein. Unter diesem Druck konnten sich offensichtlich dann doch alle einigen. Laut Mitteilung hat es seit Anfang des Jahres viele Gespräche gegeben, die auch zu einer veränderten Konstellation geführt haben: Cadillac tritt als alleiniger Bewerber an.
Wie genau die Bedingungen – mit einer sicherlich um hunderte Millionen erhöhten Einstiegsgebühr – im Rahmen eines aktualisierten Formel-1-Vertrags aussehen, ist noch nicht bekannt. Aber unabhängig davon kann Liberty Media Präsident und CEO Greg Maffei nun kundtun, angesichts der Wachstumspläne der Formel 1 in den USA schon immer davon überzeugt gewesen zu sein, dass General Motors mit Cadillac „zusätzlichen Wert und Interesse für den Sport bringen könnte“. Auch bin Sulayem, Domenicali sowie General-Motors-Präsident Mark Reuss werden zitiert. Der Name Andretti taucht nicht auf, dafür der von Dan Towriss, CEO der Motorsportsparte der Holding TWG Global, die den Platz von Andretti am Verhandlungstisch übernommen hat.
Nachdem die Fronten mit Michael verhärtet waren, ist also derjenige offiziell raus, der das Projekt auch mit dem Aufbau einer großen Fabrik in Silverstone mit 200 Angestellten angetrieben hat. Die Geschäftsführung von Andretti hat Towriss übernommen, der 84 Jahre alte Mario ist im Aufsichtsrat weiter präsent, Michael wirkt noch als Markenbotschafter. Bei X schrieb er: „Ich werde euch anfeuern!“ Michael Andretti ist quasi Bauernopfer und Schattenmann zugleich – und hat irgendwie doch sein Ziel erreicht.